Süddeutsche Zeitung

Thomas Müller beim FC Bayern:Die Fans rufen seinen Namen

Von Sebastian Fischer, Augsburg

Man muss sich das vielleicht einmal vorstellen, wie dieser Nachmittag auch hätte enden können, es fehlten nur ein paar Zentimeter. Thomas Müller hätte nach diesem Konter in der 90. Minute den Ball auch in den Winkel schießen können, zum 3:1 für den FC Bayern beim FC Augsburg. Er hätte danach vielleicht kurz seine Faust gereckt und das Gesicht zu einer typischen Müller-Grimasse verzogen. Dann hätte er in sehr viele Mikrofone gesagt, und sei es nur, um für gute Laune zu sorgen, dass die Debatten um seine Gegenwart und Zukunft in München natürlich nur Schmarrn seien.

Doch so, wie der Nachmittag in Augsburg zu Ende gegangen war, sagte Müller nur kurz Servus, als er das Stadion verließ, sonst kein Kommentar. Er hatte den Ball eben nicht in den Winkel, sondern am Tor vorbeigeschossen, freistehend aus elf Metern. Quasi im Gegenzug schoss Augsburg den Ausgleich zum 2:2. Bayern-Trainer Niko Kovac sagte mit einem Gesichtsausdruck, der das Gegenteil von guter Laune ausdrückte: "Wir haben zu viele Chancen liegen lassen." Und die Fragen nach Müller, sie werden eher nicht aufhören.

Unter der Woche hatte Kovac als einen Fehler bezeichnet, was er über Müller gesagt hatte: dass der einzige Bayer in der Mannschaft, der Lieblingsspieler der Fans, seine Minuten bekommen werde, "wenn Not am Mann sein sollte". Dass Müller also, so wurde das interpretiert, ein recht unwichtiger Ersatzspieler sei, der halt im Notfall einspringen muss. "Ich habe mich falsch artikuliert", sagte Kovac am Donnerstag: "Alles ist ausgeräumt".

Es war keine Not am Mann, als Müller kam

Als dann allerdings am Samstag vor dem Spiel die Aufstellungen bekanntgegeben wurden, gehörte Müller zum sechsten Mal in Serie nicht zur ersten Elf. Es spielte dagegen auf der Position hinter Robert Lewandowski wieder Philippe Coutinho, der im Gegensatz zum Nicht-mehr-Nationalspieler Müller eine Reise mit der brasilianischen Nationalmannschaft hinter sich hatte. Coutinho spielte in Augsburg so, wie man das der gesamten Mannschaft vorwerfen konnte: zwar nicht schlecht, mit einigen Offensivaktionen, Pässen und Dribblings, aber auch nicht dazu in der Lage, das Spiel zu Münchner Gunsten zu entscheiden.

"Sitzer", so nannte Kovac die Großchancen seiner Mannschaft. Coutinho hatte mindestens eine davon vergeben, als er in der 52. Minute frei vor Augsburgs Torwart Tomas Koubek auftauchte, aus etwas mehr als fünf Metern schoss Coutinho ihn an. Koubek, in der ersten Halbzeit noch so unsicher wie in den vergangenen Wochen, reagierte danach mehrmals stark. 24 Mal hatte der FC Bayern am Ende aufs Tor geschossen.

Die Münchner Fans hatten Müllers Namen schon gerufen, als er sich aufwärmte, sie wünschten sich das Happy End des Nachmittags. Dass Kovac ihn nicht von Beginn an brachte, mag vielleicht auch eine Demonstration gewesen sein, dass der Trainer sich seine Aufstellung nicht diktieren lässt. Doch zehn Minuten vor Schluss, kurz nach den Rufen der Fans, wurde Müller dann zur Bank beordert, die Anhänger jubelten. Es war keine Not am Mann, nach den Toren von Robert Lewandowski und Serge Gnabry sah ja alles nach einem Sieg für die Bayern aus. Müller kam in der 80. Minute für Coutinho.

Er forderte den Ball sofort, bei einem Einwurf, er wollte diese zehn Minuten offenbar nutzen, oder diesen Willen zumindest demonstrieren. Doch er vergab die große Chance, verlor einmal den Ball. Kovac sagte später, dass er gewusst habe, dass die Frage nach Müller kommen werde. Aber er sagte: Zehn Minuten seien zu wenig, um einen Spieler zu bewerten.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2019
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