MSV Duisburg:"We fight"

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Der Ballast ist weg, erstmal: Giorgi Chanturia jubelt über sein Tor zum 1:0, das dem MSV Duisburg zwei Relegationsspiele gegen Würzburg beschert. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Noch vor wenigen Wochen abgeschlagen, rettet sich der MSV mit einem 1:0 gegen RB Leipzig am Sonntag in die Relegation.

Von Ulrich Hartmann, Duisburg

Abstiegskampf in der zweiten Liga hat mit Fußball eigentlich wenig zu tun. Diese Mischung aus Nahkampf und Niemalsaufgeben lebt von der Spannung und der Hoffnung. Viel eindrücklicher als am Sonntagnachmittag in Duisburg kann Abstiegskampf nicht ausfallen. Der 23-jährige Georgier Giorgi Chanturia zum Beispiel hat im letzten Saisonspiel des MSV Duisburg gegen RB Leipzig 74 Minuten lang nicht sehr viel hinbekommen. Der Duisburger Rechtsaußen hat einige Bälle verspringen lassen, ist öfter mal gestolpert, hat aussichtsreich positionierte Mitspieler übersehen und rein technisch eine eher maue Vorstellung abgeliefert. Doch seit Sonntag, 17.02 Uhr, ist Chanturia in Duisburg, am westlichen Rand des Ruhrgebiets, ein Volksheld.

In der 75. Minute bekam er den Ball. Er kontrollierte ihn nur mit Mühe, torkelte wie ein angeschlagener Slalomläufer durch die Leipziger Abwehr, verlor den Ball mehrmals beinahe, aber etwa zehn Meter vor dem Leipziger Tor kam er so gerade eben noch zum Abschluss, er schoss den Ball flach ins Tor. Danach rannte Chanturia mit entblößtem Oberkörper über den halben Platz.

"We fight", sagt der Siegtorschütze

Er war am Sonntag der Inbegriff des Duisburger Existenzkampfs. "We fight", hat er hinterher zu den Berichterstattern im Kabinentrakt gesagt - und dieses Mantra des Duisburger Fußballs noch gefühlte zehn Mal wiederholt. Duisburg kämpft. Dass die MSV-Fußballer nach ihrem 1:0 (0:0)-Sieg nicht wie von Sinnen und vor Freude über das Feld getollt sind, liegt daran, dass sie nun noch zwei Spiele gegen den Drittliga-Dritten Würzburger Kickers absolvieren (und gewinnen) müssen, um in der zweiten Liga bleiben zu dürfen. Duisburg hat sich zunächst bloß alle Chancen bewahrt, aber schon das haben sie natürlich bejubelt.

Allein dass Duisburg diesen drittletzten Platz und damit die Relegation am letzten Spieltag aus eigener Kraft geschafft hat, mutet für den MSV nämlich wie ein kleines Wunder an. Schließlich hatte der Klub, als er sich nach dem 13. Spieltag vom Trainer Gino Lettieri trennte, als abgeschlagener Tabellenletzter acht Punkte Rückstand auf den SC Paderborn und zwölf auf den FSV Frankfurt. Beide hat Duisburg hinter sich gelassen, weil man unter dem neuen Coach Ilia Gruev 26 Punkte aus 21 Spielen holte.

"Es ist kaum zu glauben, was die Mannschaft geleistet hat", sagt der 46-jährige Bulgare, seit April auch deutscher Staatsbürger. Von den letzten elf Spielen haben die Duisburger nur zwei verloren: gegen Heidenheim und in Freiburg. Mit vier 2:1-Siegen (gegen Berlin, in Nürnberg, gegen München und gegen Düsseldorf) und diesem finalen 1:0 gegen Leipzig haben sie eine Aufholjagd hingelegt, die sie sich von den Würbzburgern nun nicht ausbremsen lassen wollen. Am Freitagabend spielen sie in Würzburg, am Dienstag haben sie Heimrecht in Duisburg. "Wir müssen jetzt weiter dran glauben", sagt Bernard Dietz, zugleich Vizepräsident und Vereinsikone. "We fight", sagte Giorgi Chanturia im Kabinentrakt ein paar Meter weiter.

Das nächste Wunder muss Bernard Dietz im Fernsehen anschauen

Der fußballerische Wert dieses letzten regulären Saisonspiels war zu vernachlässigen gewesen. Leipzig kam seinem potenziellen Limit nicht sehr nahe, wenngleich man das Spiel auch nicht herschenkte. Duisburg hat "den Sieg mehr gewollt", sagte Gruev hernach und berichtete von "gemischten Gefühlen", die aus der Euphorie nach dem Sieg und der Vorsicht vor den Würzburgern herrührten. Vom Momentum her und von einer Spirale des wachsenden Selbstvertrauens, findet Dietz, müsste es der MSV eigentlich schaffen.

Dietz muss sich die beiden Spiele allerdings im Fernsehen anschauen. Am Samstag ist er beim Pokalfinale in Berlin und danach für eine Woche im Urlaub. "Man muss so etwas ja früh planen", sagt er entschuldigend. Duisburgs größter Fußballfan hat mit dieser Relegation nicht wirklich gerechnet. Das sagt eigentlich alles über das Ausmaß dieses Ruhrpottfußballwunders.

© SZ vom 15.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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