Manchester United:Mourinho stürzt sein Team ins Chaos

Manchester United v Juventus - UEFA Champions League Group H

José Mourinho: Schlechte Stimmung in Manchester

(Foto: Getty Images)
  • ManUnited steckt in der Krise und Trainer Mourinho gibt dabei keine gute Figur ab.
  • Nur vom Ergebnis her können die einst gefürchteten "Red Devils" gegen Juventus in der Champions League mithalten.
  • In dem Pressegesprächen danach lässt Mourinho seine Mannschaft ebenfalls schlecht aussehen.

Von Sven Haist, Manchester

Um den Angriff abzuwehren, musste sich José Mourinho nicht mal anstrengen. Der Großmeister der Selbstverteidigung hielt den Fans von Juventus Turin für ihre Verunglimpfungen in der Nachspielzeit die drei mittleren Finger seiner rechten Hand entgegen. Als die Widersacher ihre Parolen wiederholten, streckte Mourinho ihnen erneut die Finger entgegen. Für den Portugiesen war der Gegenangriff ein Kinderspiel. Mit seinem Lieblingskniff, auf eigene Erfolge zu verweisen, hatte Mourinho bereits seinen Kritikern auf der Insel die Leviten gelesen.

Am Wochenende fertigte er mit dieser Geste die Verbalinjurien der Fans des FC Chelsea ab. Nun konterte er die Juvenisti mit Zeige-, Mittel,- und Ringfinger aus, indem er daran erinnerte, mit Inter Mailand als einzigem Team in Italien 2010 die "Triplete" (Liga, Pokal, Champions League) gewonnen zu haben. "Das ist eine natürliche Reaktion. Offenkundig lieben sie mich nicht. Das war damals der härteste Moment für sie", sagte Mourinho. Mal wieder hatte ihm die eigene Abwehrkunst zum Sieg verholfen - auf dem Feld aber auch zu einer Niederlage.

Der vermutlich berühmteste Defensivprediger des Fußballs, der nicht aus dem Land des Catenaccio stammt, ist Coach von Manchester United. Doch der englische Rekordmeister ist es aufgrund seiner Vereinshistorie nicht gewohnt zu verteidigen - und hat gerade eine Mannschaft, die gar nicht gut verteidigen kann. Aus diesem Grund befasste sich Mourinho, 55, nach dem 0:1 gegen Juventus Turin durch ein Tor von Paulo Dybala (17.) bei seiner Analyse nicht lange mit seinen eigenen Spielern.

Nachdem er seiner Abwehr ein "sehr positives Spiel" attestiert hatte, nahm er die Rolle seines italienischen Kollegen Massimiliano Allegri ein. Mourinhos Urteil über Juventus: "Dieses Team hat riesige Qualität. Cristiano Ronaldo, Paulo Dybala, Miralem Pjanic. Sie können nicht genug kriegen, sie wollen immer mehr. Der wunderbare Leonardo Bonucci, der wunderbare Giorgio Chiellini. Die beiden könnten zur Harvard-Universität gehen und Unterricht geben, wie Innenverteidiger zu spielen haben."

Mit diesem Vergleich ließ Mourinho seine eigene Hintermannschaft ein weiteres Mal schlecht aussehen - als wäre das während der Partie nicht schon oft genug vorgekommen. Nur vom Ergebnis her konnten die einst gefürchteten "Red Devils" halbwegs mithalten. Aus Sorge, durch die gegnerischen Stürmer vollständig entblößt zu werden, verlangte Mourinho von United sogar in der Schlussphase noch die Einhaltung der stupiden Defensivstrategie.

Ronaldo schießt am Ende ein Selfie

Durch die Niederlage am dritten Spieltag der Champions League ist im Duell mit dem FC Valencia um den zweiten Platz hinter Juventus sogar das Vorrücken ins Achtelfinale gefährdet. Auf die ruhmreiche Vergangenheit des Vereins verwies einzig der Gastbesuch von Cristiano Ronaldo, der zwischen 2003 und 2009 in Manchester zum Weltstar aufgestiegen war. Mit einem "No 7 and welcome back" begrüßte ihn der Stadionsprecher, das Publikum spendete Beifall. Ronaldo schoss bei seiner Pflichtspielrückkehr ins Old Trafford zwar kein Tor, aber nach dem Spiel ein Selfie mit einem Fan.

Vor dem Anpfiff steckte das Team im Verkehr fest

Die drei Verehrer, die über die Absperrung zu ihm aufs Feld gestürmt waren, dürften ihn mehr herausgefordert haben als zuvor so mancher Zweikampf. Mit dem entscheidenden Treffer für Real Madrid im März 2013, der das letzte internationale Spiel für Uniteds Trainerlegende Alex Ferguson bedeutet hatte, hatte Ronaldo seinem früheren Arbeitgeber sowieso schon mal genug geschadet. Seitdem herrscht bei Manchester United ein bedenklich zunehmendes Chaos.

Bezeichnend war dafür der Platzsturm von Fans nach dem Spiel, weshalb die Uefa wieder einmal gegen ManU ermittelt. Außerdem brachte es der Klub abermals nicht mal fertig, eine pünktliche Ankunft der Mannschaft zu organisieren. Vor dem Anpfiff steckte das Team im Verkehr fest, weil die Polizei nur bei ausgewählten Anlässen den Bus eskortiert. Obwohl das Quartier der Mannschaft mittlerweile nur knapp ein Kilometer entfernt liegt, erreichte der Tross das Stadion erst weniger als eine Stunde vor Spielbeginn. Mourinho lief - in einem dicken Kapuzenpullover und begleitet von einem Sicherheitsmann - zu Fuß ins Stadion. Damit sah er offensichtlich seine Arbeit an diesem Tag als ausreichend erledigt an.

Als dann eine halbe Stunde gespielt war, stellte Mourinho das Coaching weitgehend ein, um den Spielern wohl zu signalisieren, dass sie es nicht wert sind, vom ihm angeleitet zu werden. Erstmals in seinen 133 Spielen bei United verzichtete er sogar auf eine Einwechslung. Nicht mal dem für 60 Millionen Euro aus Donezk geholten Fred traute Mourinho einen Impuls zu - was die Frage aufwarf, warum dieser Fred überhaupt verpflichtet wurde. Diese Personalie legt offen, woran es bei Man United am meisten fehlt: an einer sinnvollen Kaderplanung.

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