Lewis Hamilton:Sein bestes Wochenende

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Tierschützer, Menschenrechtler, Modeliebhaber und am Rande auch noch Formel-1-Fahrer: Lewis Hamilton. (Foto: David Davies/dpa)

Lewis Hamilton fährt in der Formel 1 das Rennen seines Lebens und ist auf dem besten Weg, den Rekord von Michael Schumacher zu brechen. Der Brite hat sogar noch Zeit, an Wichtigeres zu denken.

Von Anna Dreher

Beim Großen Preis von Brasilien hat Lewis Hamilton sein 101. Rennen in der Formel 1 gewonnen - da könnte man meinen, er hätte schon alles erlebt. Aber selbst ein Fahrer wie er wird bisweilen eben noch überrascht. "Ich kann mich an kein Wochenende wie dieses erinnern, ich glaube, das war das härteste, das ich je hatte", sagte Hamilton. "Ich habe alles gegeben, und das ist definitiv eines meiner besten Wochenenden gewesen, wenn nicht das beste meiner ganzen Karriere." Der 36 Jahre alte Brite neigt zum Pathos, in diesem Fall aber war das angebracht.

Wegen einer Irregularität am Heckflügel wurde er beim Sprint von Platz eins ans Ende des Feldes versetzt und kämpfte sich auf Rang fünf vor. Weil sein Mercedes für den Grand Prix am Sonntag einen neuen Motor eingebaut bekam, wurde er erneut strafversetzt - und arbeitete sich wieder vor, von Rang zehn bis zum Sieg. Es war auch ein Erlebnis aus der Vergangenheit, das ihn an den Coup glauben ließ. Sein Vater habe ihn an eines seiner Rennen in den Nachwuchsserien erinnert: "Ich bin als Letzter gestartet und wurde Zehnter und dann Erster. Also, dieser Sieg hier ist für meinen Vater."

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Hamilton stammt aus einfachen Verhältnissen. Mit acht fing er im Kartsport an, die Familie setzte alles auf diese Karte. Vater Anthony Hamilton arbeitete teils in vier Jobs gleichzeitig, um die Mittel aufbringen zu können. Mit zehn gewann Lewis die britische Meisterschaft, bei einer Gala holte er sich das Autogramm von McLaren-Teamchef Ron Dennis. Und wo er schon mal mit einem der damals mächtigen Männer in der Formel 1 sprach, kündigte Hamilton gleich an, eines Tages für Dennis in der Königsklasse des Motorsports zu starten. Drei Jahre später hatte er es ins Nachwuchs-Förderprogramm von McLaren geschafft. 2007 fuhr Hamilton für den britischen Rennstall seine erste Formel-1-Saison, als erster Schwarzer. Die Eltern seines Vaters stammen von der Insel Grenada.

Hamilton ist längst mehr als ein Pilot, der herausragend schnell über den Asphalt jagen kann

Was für ein Ausnahmetalent da den Aufstieg geschafft hatte, wurde schnell deutlich: Bei seinen ersten neun Grands Prix schaffte es Hamilton stets aufs Podium und kämpfte direkt um den Titel. Damit brüskierte der damals 22-Jährige seinen Teamkollegen Fernando Alonso, immerhin Doppelweltmeister. Champion wurde Hamilton dann im darauffolgenden Jahr - mit dem entscheidenden Überholmanöver in der letzten Kurve auf der letzten Runde des letzten Rennens.

2013 wechselte er zu Mercedes. Damit begann eine der erfolgreichsten Partnerschaften in der Formel 1, die seit 2014 ein Titel-Abo abgeschlossen hat. Inzwischen ist Hamilton siebenmaliger Weltmeister - wie außer ihm nur Michael Schumacher. Gut möglich, dass sich der Brite bald zum Erfolgreichsten von allen kürt. Der WM-Kampf wird diese Saison mit einer Intensität geführt, wie schon lange nicht mehr, Max Verstappen ist mit Red Bull ein Gegner auf Augenhöhe. Der Niederländer führt mit 14 Punkten vor Hamilton, drei Rennen stehen noch aus. Alles ist denkbar.

Hamilton ist aber längst mehr als ein Pilot, der herausragend schnell über den Asphalt jagen kann. Er ist die wohl schillerndste Figur im Rennzirkus, legt gerne mal Stopps bei Modenschauen ein, hat eine Kollektion mit Tommy Hilfiger entworfen, pflegt einen extravaganten Kleidungsstil und umgibt sich gerne mit der Prominenz aus Musik, Film und Fashion. Vor allem aber ist er zu einem politischen Sportler geworden, der Einfluss nimmt. Rassismus hat er von klein auf erlebt, auch deshalb setzt er sich gegen Diskriminierung ein. Er nutzt seine Reichweite ebenso, um sich für Umwelt- und Tierschutz sowie Gleichberechtigung einzusetzen. Als die Saison 2021 in Bahrain startete, war er der Einzige, der öffentlich ansprach, dass die Formel 1 Menschenrechtsfragen nicht ignorieren dürfe. Um die Mächtigen zu einem Wandel anzuregen, sagte er im SZ-Interview, sei er inzwischen bereit, seine Karriere zu riskieren. Aber es ist eben auch so: Widerstände haben Lewis Hamilton bisher umso mehr angetrieben.

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