Süddeutsche Zeitung

Sieben Kurven der Formel 1:Das kürzeste Rennen in der Formel-1-Geschichte

Im Regen ist nach nur zwei Runden Schluss, der Rennleiter steht in der Kritik - und Lewis Hamilton hofft, dass die Fans ihr Geld zurückerhalten. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Anna Dreher, Spa

Max Verstappen

Er wollte ganz nach oben aufs Treppchen, klar, aber so? "Natürlich ist das ein Sieg, aber so willst du nicht gewinnen", sagte Max Verstappen nach einem kuriosen Tag. Dass er sich in der Qualifikation am Samstag unter widrigen Bedingungen vor dem Überraschungs-Zweiten George Russell (Williams) und Weltmeister Lewis Hamilton (Mercedes) durchgesetzt hatte, sollte für ihn noch wertvoller werden als zunächst angenommen. Denn ein Rennen im eigentlichen Sinn gab es beim Großen Preis von Belgien ja nicht. Es regnete derart stark und ununterbrochen, dass der WM-Lauf nach langem Hin und Her sowie zwei Runden hinter dem Safety Car erst um 18.45 Uhr offiziell beendet war.

Verstappen war der einzige im Feld, der sich nicht über die schlechte Sicht beschwerte - klar, vor ihm fuhr mit gedrosselter Geschwindigkeit nur Bernd Mayländer im knallroten Auto. "Natürlich war die Sicht hinter mir sehr schlecht", sagte Verstappen: "Vor allem denke ich, dass man angesichts der jüngsten Ereignisse nichts riskieren sollte. Das fühlte sich einfach nicht richtig an." Wirklich zufrieden wirkte er nicht, aber es war eben ein Start-Ziel-Sieg der anderen Art. Geholfen hat er ihm ja schon: Im Titelduell ist der 23 Jahre alte Niederländer wieder ein bisschen näher an Weltmeister Lewis Hamilton dran.

George Russell

George Russell fährt nun seit drei Jahren in der Formel 1 für Williams. Einem Team, das in der ewigen Bestenliste der Königsklasse die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft so oft gewonnen hat wie kaum ein Rennstall - nur Ferrari ist besser. Der Glanz vergangener Tage strahlt nicht mehr ganz so hell, das Auto zählt zu den unterlegenen im Feld. Doch Russell holt vor allem in dieser Saison oft mehr aus dem Wagen heraus, als eigentlich zu erwarten wäre. In Spielberg war es Platz acht beim Start, danach sagte er, dies fühle sich für ihn an wie eine Pole-Position. Und nun in Spa schaffte er gar Platz zwei, noch vor Weltmeister Hamilton!

Im Rennen, das war dem 23-jährigen Briten selbst klar, würde viel passieren müssen, um so weit vorne zu bleiben. Wie gut für das große Talent, dass dieser Grand Prix zu einem der skurrilsten dieses Sports wurde: Viel Warterei und Plauderei, schließlich zwei Runden im Regen hinter dem Safety Car, kein einziges Überholmanöver abzuwehren - und dann war Russell tatsächlich als Zweiter über die Ziellinie gefahren. "Wir werden nicht oft belohnt für tolle Qualifikationen, aber heute wurden wir das absolut", sagte Russell nach seinem ersten Podium in der Formel 1: "Es ist ein etwas komisches Gefühl, das auf diese Weise zu erreichen. Aber am Ende sind wir belohnt worden für einen fantastischen Job gestern." Bald dürfte auch bekannt werden, ob er selbst für seinen guten Job belohnt wird: Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff sagte in Belgien, dass die Entscheidung bereits getroffen sei, wer 2022 mit Hamilton im Silberpfeil sitzt.

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton ist als starke Stimme der Formel 1 bekannt und wurde diesem Ruf am Sonntag erneut gerecht. Dass die Fans - von denen Tausende stundenlang bei kalten Temperaturen und Dauerregen an der Strecke ausharrten - die wahren Helden dieses Grand Prix seien, sagten einige Fahrer. Aber Hamilton übte mit dem Lob auch deutlich Kritik an den Verantwortlichen des Internationalen Weltverbandes Fia. "Heute war eine Farce", schrieb er bei Instagram und hatte zuvor auf der Pressekonferenz gesagt: "Als sie uns am Ende rausgeschickt haben, wussten sie, dass die Strecke nicht besser war. Sie haben das nur gemacht, damit wir zwei Runden hinter dem Safety Car fahren konnten, was die Mindestanforderung für ein Rennen ist. Ich hoffe wirklich, dass die Fans heute ihr Geld zurück bekommen."

Die Fans so lange hinzuhalten, das gefiel dem siebenmaligen Weltmeister nicht. "Wir wurden rausgeschickt aus einem Grund und einem Grund allein", schriebHamilton: "Ich denke einfach nicht, dass wir das wollen. Wir haben bessere Werte als ein Sport als das." Rein sportlich hat ihm das Hin und Her von Spa nicht geschadet. Er führt die Gesamtwertung noch immer vor Max Verstappen an, wenn auch knapp. Weil nicht über die volle Renndistanz gefahren werden konnte, wurden halbe Punkte vergeben und so steht es nun 202,5 zu 199,5.

Lando Norris

Wie gefährlich die Bedingungen an diesem Wochenende auf dem Kurs in Spa-Francorchamps waren, wurde schon in der Qualifikation zum Großen Preis von Belgien deutlich. Lando Norris, der selbst im Teamfunk noch vor Aquaplaning gewarnt hatte, raste auf der Jagd nach der schnellsten Zeit die Eau-Rouge-Senke hoch - und verlor die Kontrolle. Das Auto wurde beim Aufprall in die Streckenbegrenzung demoliert, Norris blieb unverletzt. Futsch war die Aussicht, das Rennen beim Start tatsächlich von ganz vorne zu starten - was nach bereits drei Podestplätzen in dieser Saison ein weiterer Beweis seines Talents gewesen wäre.

Seine Mechaniker bekamen das Auto für den Renntag hin. Weil das Getriebe des McLaren getauscht werden musste, wurde Norris um fünf Plätze auf Rang 14 nach hinten versetzt. Aber statt die verlorene Plätze aufzuholen, verbrachte der 21-jährige Brite den Sonntag ja dann ohnehin anders. Während der langen Wartezeit erkundigte sich manch ein Fahrer nach dem Wetter, winkte den Fans auf den Tribünen, hörte Musik, unterhielt sich mit dem Team oder blieb in Bewegung. Lando Norris? Legte ein Nickerchen ein.

Mick Schumacher

Dieses Wochenende war ein besonderes für Mick Schumacher. Zum ersten Mal ist er in einem Formel-1-Wagen auf dem Circuit de Spa-Francorchamps gefahren, fast exakt 30 Jahre nach seinem Vater Michael, der hier am 25. August 1991 sein Debüt in der Königsklasse gab - und dann zum siebenmaligen Weltmeister wurde. Die Strecke hat eine besondere Bedeutung für die Familie, der Vater wie der Sohn haben hier Erfolge gefeiert und schätzen den anspruchsvollen Berg- und Tal-Kurs. Der 22-Jährige hatte als Hommage ein Helmdesign gewählt, das jenem seines Vaters stark ähnelte, er beantwortete viele Fragen zu diesem Thema und freute sich auf seine Premiere. Die dürfte Schumacher nun tatsächlich im Gedächtnis bleiben - als kürzestes Rennen in der Formel-1-Geschichte. Schumacher wurde Sechzehnter.

Sergio Perez

Am Freitag war bekannt gegeben worden, dass Sergio Perez die Bewährungsprobe bestanden hat und ein weiteres Jahr einen Rennwagen von Red Bull lenken darf. Da muss die Leistung stimmen - und die Ergebnisse. Im Regen von Spa schaffte es der Mexikaner am Samstag auf Startplatz sieben, Teamkollege Max Verstappen auf die Pole Position. Aber in so einem Rennen kann ja viel passieren, doch Perez war schon raus, noch bevor das Chaos seinen Lauf nahm. Gewissermaßen schuf er ein Sinnbild für das, was noch folgen sollte.

In der Einführungsrunde verlor er auf der nassen Strecke die Kontrolle über seinen RB16B und rutschte in der Les-Combes-Kurve nach rechts über den Rasen in einen Reifenstapel. Dass das beim Arbeitgeber nicht gut ankam, war schon kurz danach zu hören. "Sergio sagt, er hat urplötzlich Aquaplaning bekommen", erzählte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko bei Sky: "Die Bedingungen sind sicher grenzwertig, trotzdem sollte so etwas nicht in der Einführungsrunde passieren." Teamchef Christian Horner war etwas milder gestimmt: "Das zeigt, wie tricky die Bedingungen da draußen sind." Während der langen Warterei bis zum Rennstart schafften es die Mechaniker, das Auto in Stand zu setzen - und Perez fuhr die zwei Runden hinter dem Safety Car noch mit. Punkte gab es dafür freilich keine.

Michael Masi

Am Sonntag gab es zwei, die in der Kritik standen: Das Wetter und die Rennleitung um Michael Masi. Das Wetter, da waren sich alle schnell einig, konnte nichts dafür, dass es so war, wie es ist. Der Australier, seit 2019 in dieser Position beim Automobilweltverband Fia, hingegen hätte andere Entscheidungen treffen können in Belgien. Das kam bereits am Samstag beim Unfall von Lando Norris zur Sprache. Masi hätte die Qualifikation früher unter- bzw. abbrechen können. Am Sonntag dann fragte sich manch einer, was die ganze Warterei sollte, wenn es doch keine Aussicht auf Trockenheit in den Ardennen und ein reguläres Rennen gab.

"Ich finde es nicht gut, dass man das Publikum so lange hingehalten hat. Da sollten sie sich für die Zukunft was besseres einfallen lassen", sagte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko bei Sky. Verschieben zum Beispiel, überlegte er, aber ob das mit den TV-Verträgen so einfach sei, wusste er dann auch nicht. Einer hatte ohnehin schon ausgemacht, worum es mal wieder ging: Geld. Kritik, dass es bei dem Hinhalten um Geld gegangen sei, wies Masi zurück. "Wir haben auf ein Fenster abgezielt, von dem wir dachten, dass es da wäre", sagte er am Sonntag: "Leider hat sich der Wetterradar wieder so schnell geändert, dass es nicht ging."

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