Motorsport:Die neue Qualifikation der Formel 1 wird zur Farce

Motorsport: Die üblichen Drei: Nico Rosberg, Lewis Hamilton, Sebastian Vettel (von links).

Die üblichen Drei: Nico Rosberg, Lewis Hamilton, Sebastian Vettel (von links).

(Foto: Rob Griffith/AP)

Von René Hofmann, Melbourne

Die Qualifikation dauerte noch rund dreieinhalb Minuten, als die Fans scharenweise die Haupttribüne verließen. Es gab nichts mehr zu sehen. Mit einem neuen Qualifikationsformat wollte die Formel 1 für mehr Spannung und Abwechslung sorgen. Das Ergebnis war das exakte Gegenteil: In den finalen Minuten der Zeitenjagd, die über die Startaufstellung entscheidet, geschah vor dem ersten Rennen der Saison, das an diesem Sonntag in Melbourne gestartet wird (6 Uhr deutscher Zeit/RTL und Sky): gar nichts.

Die Reihenfolge, die sich ergeben hatte, war auch nicht wirklich eine Überraschung: Titelverteidiger Lewis Hamilton eroberte in seinem Mercedes zum 50. Mal in seiner Karriere die Pole Position (1:23,837 Minuten). Neben ihm parkt sein Teamkollege Nico Rosberg (1:24.197 Min.). Am nächsten kam den beiden erneut Sebastian Vettel (1:24.675 Min.). Vierter wurde Kimi Räikkönen im zweiten Ferrari (1:25.033 Min.). Die Scuderia brach die Jagd auf die beiden Mercedes bereits sechs Minute vor dem Ende ab. Sie wollte Reifen sparen.

"Der dritte Platz war das Maximum", sagte Vettel

"Gratulation an Lewis! Meine Runde war nicht schnell genug", gab Nico Rosberg sich geschlagen. "Der dritte Platz war heute das Maximum", zeigte Sebastian Vettel sich weitgehend zufrieden. Was ihm sichtbar weniger gefiel: das neue Format, in dem die Qualifikation ausgetragen wurde. "Alles in allem war es ein bisschen komisch", meinte der viermalige Weltmeister, "am Ende nicht zu attackieren, wenn die Strecke besser wird."

Der Grund für die geänderte Herangehensweise: In jedem der drei Qualifikationsdurchgänge scheidet nach einigen Minuten Einfahrzeit im 90-Sekunden-Takt der jeweils Langsamste aus. Dies führt dazu, dass zum Auftakt der Qualifikation alle Fahrer so schnell wie möglich eine gute Zeit setzen wollen. Vor der Ampel am Ende der Boxengasse baut sich deshalb eine Schlange auf "wie vor der Kasse am Supermarkt", wie Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene spöttisch bemerkte. Wem ein Fehler unterläuft, der muss sich anschließend beeilen, seine Zeit mit einem zweiten Versuch zu verbessern.

Nach der ersten Aufführung ist die Aufregung groß

In der Theorie sollte das dazu führen, dass die Autos häufiger kreisen und es in der Eliminierungsphase zu mehr direkten Duellen kommt. In der Praxis aber ist das nicht der Fall. Weil die Reifen limitiert sind, rechnen die Teams früh hoch, welche Positionen für jeden Fahrer maximal zu erreichen sind. Es wird nicht mehr gefahren. Und wenn jeder ahnt, dass er sich nicht mehr verbessern kann, schläft das Geschehen ein.

Verabredet worden war die Änderung erst wenige Wochen vor dem Saisonauftakt. Auf den Weg gebracht hatte das neue Qualifikations-System die Formel-1-Kommission, in der alle Teams sitzen. Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone hatte sich noch radikalere Änderungen gewünscht. Sein Vorschlag: Nach den Platzierungen bei den Rennen zuvor gibt es Zeitaufschläge auf die Qualifikationszeit. Gemessen daran sahen die meisten in dem Ausscheidungsfahren das geringere Übel. Nach dessen erster Aufführung aber ist die Aufregung nun aber groß.

"Einen ziemlichen Müll"

"Einen ziemlichen Müll" nannte Mercedes-Teamchef Toto Wolff die neue Idee unmittelbar nach der Uraufführung. Der ehemalige Formel-1-Fahrer Johnny Herbert, der nun dem britischen Fernsehen als Experte dient, sprach von einem "Ärgernis". Red-Bull-Teamchef Christian Horner meinte, die Formel 1 müsse sich bei allen Fans "entschuldigen" und forderte: "Wir müssen daraus lernen!" Gut möglich also, dass die Rennserie bald schon wieder zu ihrem alten Qualifikations-Format zurückkehrt. 2005 gab es das schon einmal. Damals wurde die Startaufstellung zunächst in einem zweigeteilten Einzelzeitfahren am Samstag und am Sonntagvormittag bestimmt. Nach sechs Rennen war damit wieder Schluss.

Die Protagonisten zeigten sich von den Ereignissen am Samstag im Albert Park allerdings wenig überrascht. "Die Formel 1 hat etwas versucht. Aber das ist der falsche Weg", sagte Nico Rosberg. "Alle Ingenieure haben prophezeit, dass es genau so kommen würde", verriet sein Teamkollege Lewis Hamilton: "Auch wir Fahrer haben davor gewarnt." Sebastian Vettel forderte: "Man kann nicht einfach irgendwas versuchen. Man muss das Richtige versuchen."

Die logische Konsequenz: Am Sonntag beschlossen die Teamchefs bei einem kurzfristig einberufenen Treffen, den Versuch mit sofortiger Wirkung abzubrechen. Beim Bahrain-Rennen Anfang April kehrt die Rennserie zu alten Qualifying-Modus zurück.

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