Motorenkrise:Expresserische Methoden in der Zweckgemeinschaft

Gehen der Formel 1 die Motoren aus - und damit auch die Teams? Red Bull droht mit Ausstieg, wenn sie nicht mit Spitzentriebwerken beliefert werden.

Von Elmar Brümmer, Singapur

Der Formel 1 drohen die Motoren - und damit die Teams auszugehen. Eine etwas merkwürdige Feststellung ist das für eine Disziplin, die Motor-Sport heißt. Aber Realität: Hersteller Renault zögert ebenso weiterzumachen wie die Rennställe Red Bull und Toro Rosso. Und beim Großen Preis von Singapur spitzt sich das komplizierte Kräftemessen neben der Strecke nun weiter zu. Mit acht Teams und 16 Autos am Start würde die Weltmeisterschaft 2016 zur Farce.

Sympathieweltmeister waren sie nie, weil sie aus Sicht der Konkurrenz die Preise verdorben haben. Es hat lange gedauert, bis sich Red Bull Racing den Respekt in der Formel 1 erarbeitet hat. Nach vier überaus erfolgreichen Jahren zu Beginn des Jahrzehnts mit dem Titelgewinn jeweils in der Fahrer- und der Konstrukteurs-WM fährt das Ensemble aus der britischen Retortenstadt Milton Keynes den eigenen Erwartungen hinterher. Und es zeigt ein anderes Gesicht als das der fröhlichen Party-Gemeinschaft. Schon die kalte Schulter für Sebastian Vettel im Vorjahr hat verwundert. Und jetzt, im Jahr zwei der Misere, droht der österreichische Getränkehändler unverhohlen mit dem Ausstieg.

Mit der Hybridtechnik kommt nur Mercedes klar

Nachdem man die Schuld für den rapiden Abstieg öffentlich allein dem Motorenhersteller Renault in die Schuhe geschoben hat, ist das Verhältnis zerrüttet - und inzwischen gekündigt. Das ist ein ziemliches Risiko, denn schnellen Ersatz könnten derzeit nur per Leasingabkommen Mercedes und Ferrari liefern. Doch die beiden Top-Teams können sich Besseres vorstellen, als einen ernstzunehmenden Rivalen mit Schnäppchen-Motoren auszurüsten. Helmut Marko, der PS-Berater von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz, provoziert weiter: "So wollen und werden wir nicht weitermachen."

Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung hatte es Carlos Ghosn, der Chef des Renault-Konzerns, satt, ständig von Red Bull für die - in der Tat unzuverlässigen - französischen Rennmotoren öffentlich diskreditiert zu werden: "Es ist vorbei. Immer, wenn es ein Problem im Team gibt, wird als erstes mit dem Finger auf uns gezeigt", ereifert sich der Spanier. Die vier WM-Titel in Serie von Sebastian Vettel dagegen seien nie mit Renaults Leistung in Verbindung verbracht worden seien. Da ist viel verletzter Stolz, aber auch einiges an Wahrheit dabei. Seit die Formel 1 auf die so komplexe wie komplizierte Hybridtechnik setzt, kommt nur Mercedes richtig klar - und hat prompt einen Riesenvorsprung. Spätzünder Honda fährt hinterher, Ferrari unternimmt eine aufwändige Aufholjagd. Aber Autokonzerne sind nun mal schlechte Verlierer. "Ich glaube, das wäre ein schwerer Schlag für die Formel 1" sagt Sebastian Vettel über Renaults Ausstiegsdrohung, "es war eine sehr, sehr erfolgreiche Zusammenarbeit in der Vergangenheit. In den letzten anderthalb, zwei Jahren ist es aber sehr gekippt, man neigt daher dazu zu vergessen, was vorher war." Man, das sind wohl Marko und Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

Deshalb gibt es von vielen Seiten mehr oder weniger Druck, manches erscheint beinahe erpresserisch. Jeder ist von jedem abhängig in dieser Zweckgemeinschaft, die einen Jahresumsatz von gut zwei Milliarden Dollar macht. Red Bull und sein erfolgsverwöhnter Boss Dietrich Mateschitz pokern hoch, bislang gibt es weder von Ferrari und Mercedes Zusagen über mögliche Leasingverträge. Vor allem nicht darüber, ob es sich dann um aktuelle Varianten handeln würde oder welche mit einem älteren Leistungsstand. Denn die beiden Top-Teams werden 2016 einen ungleich härteren Zweikampf um den Titel führen, da bleibt weder Kapazität noch Wille, auch noch einen möglichen Konkurrenten heranzuzüchten.

Doch damit kokettiert Red Bull: Erst wenn man mit ähnlichen Motoren ausgerüstet werde, heißt es, zeige sich doch erst der Wert und die Qualität der Werksrennställe. Außerdem verbietet das Reglement bisher eine Zwei-Klassengesellschaft mit neuen und alten Motoren. Aber wer glaubt im Ernst, dass die Werksteams alles Wissen an die Konkurrenz weitergeben? Mercedes hat Red Bull bereits eine mündliche Absage erteilt.

Nur noch zwei Marken: Droht ein Szenario wie in der DTM?

Allerdings besitzen die Hersteller die Ausrüstungspflicht. Ferrari würde sechs Rennställe versorgen, Mercedes vier - es sei denn, dass Renault doch wie eigentlich geplant aus Lotus ein exklusives eigenes Werksensemble macht. Dann würde Mercedes den Italienern wohl den Hinterbänkler Manor abnehmen. Daimler-Boss Dieter Zetsche, ein Renn-Fan, bietet Renault sogar Nachhilfe bei der Hybrid-Technik an, um die Franzosen bei der Stange zu halten - und wie eigentlich geplant eine Art Nationalteam mit Ikone Alain Prost als Teamchef an den Start zu schicken. Eine starke Wettbewerbsbühne ist wichtig für den Branchenführer. BMW hat der Formel 1 eine klare Absage erteilt, Porsche und Audi auch, selbst wenn immer wieder über Gespräche mit VW-Chef Martin Winterkorn berichtet wird. Aktuell hatte die BBC über eine mögliche Übernahme von Red Bull durch den Volkswagen-Konzern berichtet. VW schweigt dazu: "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns an solchen Spekulationen nicht beteiligen möchten", teilte ein Sprecher des Konzerns am Samstag in Wolfsburg mit.

Abgesehen davon betrüge die Vorlaufzeit mindestens zwei Jahre. Im schlimmsten Fall droht damit ein ähnliches Schicksal wie in der Deutschen Tourenwagen-Masters, das sich jahrelang mit zwei Marken über Wasser halten musste - mit entsprechenden Zugeständnissen. Dann könnte man, wie bei den Reifen, auch gleich mit einem Einheitsmotor fahren.

Eine Viertelmilliarde Euro Konventionalstrafe

Damit sind die Verhandlungen hinter den Kulissen momentan spannender als manches Rennen, geht es doch darum, wer wem seine Bedingungen aufzwingt. Und für Kompromisse ist in der Ego-Disziplin keiner der Beteiligten bekannt. Bernie Ecclestone verhält sich bislang ungewohnt still bei der Vermittlung. Es geht - für Red Bull wie Renault - um eine Übergangslösung. Mateschitz hat "positive und vielversprechende Gespräche" mit Ferrari bestätigt. Das Scheitern einer Vereinbarung mit Mercedes lastet er Dieter Zetsche an. Aber die beiden Konzerne waren sich auch noch nie grün.

Würden die Österreicher Ernst machen, müssten sie wohl eine Konventionalstrafe von einer Viertelmilliarde Euro bezahlen, und im Preisgeldtopf für die anderen bliebe auch eine dreistellige Millionensumme mehr übrig. Ein hoher Preis, aber auch für die Formel 1 - denn der Wettbewerb würde empfindlich leiden. Vielleicht war die Hybrid-Technologie, unabhängig von der leidigen Sound-Diskussion, tatsächlich ein zu großer Schritt.

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