Moral im iranischen Fußball:Ein Po-Kniff, der die Karriere kostet

Religiösen Hardlinern in Iran missfällt der Fußball, weil er einer der wenigen legalen Freizeitgenüsse im Land ist. Jetzt setzen sie ein Zeichen: Wegen eines angeblich unislamischen Jubels sind zwei populäre Profis für viele Monate gesperrt worden. Deren deutscher Berater bei Persepolis Teheran, Ralf Zumdick, zeigt dafür Verständnis.

Johannes Aumüller

Mohammed Nosrati zählt durchaus zu den bekannteren Fußballern Irans. Zwar spielte der 30-Jährige anders als etwa Ali Daei oder Ali Karimi nie für einen europäischen Klub, aber immerhin bestritt er 80 Partien für die Nationalmannschaft und so verpflichtete ihn der Teheraner Traditionsklub Persepolis im Sommer als neuen Abwehrchef. Doch der weltweiten Fußball-Gemeinde dürfte er aufgrund einer kuriosen Episode in Erinnerung bleiben: als derjenige, der falsch jubelte und der nun gemeinsam mit einem Teamkollegen wegen "unmoralischen Verhaltens auf dem Fußballfeld" für längere Zeit gesperrt wurde.

Im Meisterschaftsspiel bei Damasch Gilan Ende Oktober hatte Nosrati einen Treffer mit einer Geste bejubelt, die im islamischen Staat Iran manche als Verstoß gegen die guten Sitten werten - einem eindeutigen und längeren Griff ans Hinterteil seines Mitspielers Shey Rezaei. Zwar sagte Nosrati, dass das ganze unabsichtlich passiert sei und er keine Ahnung gehabt habe, "wo meine Hand hinfasste".

Doch wer sich das Video, das bei Youtube mittlerweile mehr als 600.000 Mal angeklickt wurde, ansieht, kann auch zu einem anderen Schluss kommen. "Wenn das nur ein Klaps auf den Po gewesen wäre, wäre die Aufregung vielleicht geringer gewesen, aber das war ja schon eine etwas stärkere Szene", sagt der frühere Bochumer Ralf Zumdick, der seit August bei Nosratis Klub Persepolis als technischer Berater arbeitet. "So etwas würde bei uns in Deutschland ja auch für Schlagzeilen sorgen."

Nun, in Deutschland wäre das aber trotz allem eine Nichtigkeit. Für islamische Hardliner war die Szene jedoch ein Graus. Intimer Kontakt zwischen Männern ist für sie unmoralisch - und Nosratis Po-Griff hatte für sie die Grenze des Tolerierbaren überschritten. Zudem bekämpfen sie die generelle Rolle des Sports.

In dem 70-Millionen-Einwohner-Land, in dem Dinge wie beispielsweise Diskos und alkoholische Getränke formal verboten und nur im privaten Kreis möglich sind, gehört der Fußball zu den wenigen legalen Genüssen - was den Hardlinern missfällt. Ausländische Spiele laufen leicht zeitverzögert, damit die Fernsehmacher im Notfall Szenen, die wie das Trikotausziehen nach einem Torjubel als unislamisch gelten, herausschneiden können. Frauen dürfen nicht ins Stadion. Und der nationale Fußballverband FFI versucht seit Jahren, "soziale Werte" ins Stadion zu bringen.

"Hier waren die Reaktionen unterschiedlich. Es gab kontroverse Diskussionen und Spieler mit Auslandserfahrung haben versucht, das ganze etwas runterzuspielen", sagt Zumdick zu Nosratis Jubel. "Ich glaube, allen wäre es lieber gewesen, wenn die Szene unbemerkt geblieben wäre." Doch als sie wieder und wieder in Zeitlupe im Fernsehen kam, entschlossen sich die Verantwortlichen, hart durchzugreifen - es solle ja niemand die Möglichkeit haben, ihnen im Kampf gegen den Sittenverfall zu große Nachgiebigkeit nachzuweisen.

"Ein sozialer und ethischer Tabubruch"

Entsprechend heftig fielen die Sanktionen aus. Zunächst suspendierte man sie unmittelbar nach der Partie auf unbestimmte Frist, dann war von einer Sperre über mehrere Jahre die Rede. An diesem Wochenende nun kam die Entscheidung, Nosrati sowohl für die Liga als auch für die Nationalmannschaft für zehn Monate zu sperren, den gekniffenen Rezaei sogar für 20 Monate - Letzteren aber nicht nur wegen des Tor-Jubels. Er war den Funktionären schon des Öfteren negativ aufgefallen.

Moral im iranischen Fußball: Nie wieder Nationalmannschaft? Mohammed Nosrati (re.) freute sich im Januar noch über ein 2:1 gegen den Irak beim Asiencup. Jetzt ist er wegen seines umstrittenen Jubels suspendiert.

Nie wieder Nationalmannschaft? Mohammed Nosrati (re.) freute sich im Januar noch über ein 2:1 gegen den Irak beim Asiencup. Jetzt ist er wegen seines umstrittenen Jubels suspendiert.

(Foto: imago sportfotodienst)

Eng mit dem Ministerium verbandelt

Pech hatten die beiden Sportler zudem, dass sie ausgerechnet bei Persepolis unter Vertrag stehen. Zwar gelten "die Roten" aufgrund ihrer erfolgreichen Vergangenheit als "FC Bayern Irans" und sind angeblich der Klub mit den meisten Anhängern aller asiatischen Fußballvereine. Doch zugleich ist Persepolis eng mit dem Sportministerium verbandelt. Und dieses wiederrum ernennt beispielsweise den Präsidenten des Vereins.

Da verwunderte es nicht, dass Nosrati und Rezaei noch eine Geldstrafe zahlen mussten und die Nachrichtenagentur Isna einen Klubsprecher so zitierte: "Nosrati hat elf Jahre zur Nationalmannschaft gehört, aber das zählt für uns nicht, wenn es zu einem Bruch sozialer und ethischer Tabus in solch hässlicher Art und Weise kommt." Es half auch nichts, dass Zumdick den Ausfall seines Abwehrspielers als herbe Schwächung der Mannschaft empfindet - und die Klubbosse gemeinhin für den sportlichen Erfolg auch mal über die eine oder andere Verfehlung hinwegsehen.

So Nosrati nicht ins Ausland wechselt, dürfte seine aktive Zeit als Fußballer bald vorbei sein. Doch immerhin bleibt ihm die Hoffnung, dass von seiner Karriere nicht nur dieser Jubel in Erinnerung bleibt - sondern auch jenes Kopfballtor zum 1:0-Sieg gegen Bahrain, mit dem sich Iran die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland sicherte.

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