Montagsspiel:Ein einziger Protest

Eintracht Frankfurt - RB Leipzig

Fußball-Torwart Peter Gulacsi sammelt Tennis-Bälle auf.

(Foto: Fabian Sommer/dpa)

Von Tobias Schächter, Frankfurt

Die Stimme von Bob Geldof ertönt normalerweise nie vor den Heimspielen der Frankfurter Eintracht. Am Montagabend aber war alles ganz anders beim Duell gegen RB Leipzig in der Arena im Stadtwald. Die "Boomtown Rats" spielten, und Geldof sang "I Don't Like Mondays". Der Song aus dem Jahr 1979 orchestrierte quasi den Protest gegen das erste Montagsspiel der Bundesliga-Saison, das die Eintracht verdient mit 2:1 (2:1) gewann.

Fast 55 Jahre ist die Liga ohne Spiele am Montag ausgekommen, zumindest fast (ein paar Ausnahmen gab es, meist wurden Spiele verlegt). In dieser Saison aber werden Montagsspiele erstmals institutionalisiert, vier weitere Spiele wird es noch geben. Und die Kritik der Fans von Eintracht Frankfurt gegen die weitere Zersplitterung der Spieltage im Besonderen und die Kommerzialisierung im Allgemeinen fiel - wie angekündigt - massiv aus.

Im ganzen Stadion hingen Banner mit Parolen gegen Bundesligaspiele am Montag. "Fußball ist für Fans, nicht für Sesselfurzer" war zu lesen, oder: "Fankultur muss leiden, Einschaltquoten steigen". Vor der Fankurve der Eintracht stand zu lesen: "Wir pfeifen auf die Montagsspiele - Hier bestimmen wir den Ton." Das war dann im wahrsten Sinne des Wortes so zu verstehen. Bei jedem Ballkontakt der Leipziger ertönte ein Pfeifkonzert aus Tausenden Trillerpfeifen, die die Eintracht-Fans verteilt hatten - RB kam übrigens auf 53 Prozent Ballbesitz. Wenn die Frankfurter den Ball hatten, verstummten die Pfeifen, aber Anfeuerung, wie man sie gewohnt ist, gab es dann auch nicht, die Eintracht-Fans sangen während des Spiels nie. Es war eben ein ganz anderer Fußballabend am Montag in Frankfurt, nach dem Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl nicht nur wegen der Niederlage seiner Elf sagte: "Ich glaube nicht, dass das der Rahmen der Zukunft ist."

Beim Anpfiff stehen mehrere Hundert Ultras der Eintracht im Innenraum

Das Spiel begann mit sechs Minuten Verspätung, weil die Ultras der Eintracht in den Innenraum gelassen wurden und auch auf der Gegengerade und hinter dem Tor vor ihrer Kurve riesige Transparente aufhängten. Auf einem stand: "Die Straße holt sich den Fußball zurück, Eintracht gegen Montagsspiele". Ein Spiel - ein einziger Protest. Schiedsrichter Felix Zwayer pfiff die Partie an, da standen noch mehrere Hundert Ultras der Eintracht im Innenraum hinter dem Tor. Normalerweise ein Schreckensszenario für alle, die mit Sicherheit im Stadion betraut sind. Am Montag aber beschwichtigte eine Stimme via Stadionregie die rund 45 000 Zuschauer: "Kein Grund zur Beunruhigung". Erst vier Minuten nach dem Anpfiff gingen die Ultras wieder in ihren Block und zogen den Protest bis zum Abpfiff durch.

"Ein bisschen störend" fand Siegtorschütze Kevin-Prince Boateng die seltsame Atmosphäre, und Eintracht-Verteidiger David Abraham stellte fest: "Die Stimmung war ein bisschen komisch." Nur die rund 300 RB-Fans skandierten Lieder wie an jedem anderen Tag, an dem Bundesligaspiele normalerweise so stattfinden. Die Eintracht inszenierte den Protest ihrer Fans, nach den Toren war zum Beispiel auf der Videoleinwand ein Fan zu sehen, der den Montag als Fußballspieltag verhöhnte.

Das Spiel war zwar wegen der ungewöhnlichen Begleitumstände Nebensache, aber ziemlich unterhaltsam. Die Leipziger, die vergangenen Donnerstag noch in der Europa-League in Neapel 3:1 gewonnen hatten und nun einen Tag länger Erholung hatten als gewohnt (Hasenhüttl: "Deswegen gibt es ja unter anderem die Montagsspiele"), gingen nach einer herrlichen Kombination durch Jean-Kevin Augustin in Führung (13.). Doch die Eintracht drehte durch Tore von Timothy Chandler (22.) und Boateng (26.) das Ergebnis schnell zu ihren Gunsten.

Wer sich nicht zu sehr von der ungewöhnlichen Atmosphäre ablenken ließ, sah maximal leidenschaftliche Frankfurter, die rannten und grätschten bis zum Krampf. Die Eintracht steht nun auf Champions-League-Rang drei in der Tabelle und zeigte gegen Leipzig, warum sie sich das nach Spieltag 23 "verdient" habe, wie Siegtorschütze Boateng bemerkte. Trainer Niko Kovac aber kündigte an: "Wir werden bescheiden bleiben und nicht alles rosarot sehen."

Was Frankfurts Verantwortliche dem Vorwurf des Populismus entgegnen

Kovac sagte wie Eintracht-Vorstand Axel Hellmann, informiert über die Aktionen der Fans gewesen zu sein. Auch über jene vor dem Anpfiff der zweiten Halbzeit, als aus der Nordwestkurve drei Mal Unmengen von Tennisbällen auf den Platz flogen, um den Anpfiff zu verzögern - Ordner sammelten die Bälle wieder ein. Die Spieler standen währenddessen etwas verloren rum, nach zehn Minuten Tennisbälle werfen und wieder einsammeln, ging es dann weiter: "Gewaltfrei", wie Hellmann betonte. Die "Strategie der Deeskalation mit einem gewissen Augenzwinkern und der Ansatz, den Fan-Protest zu tolerieren", sei aufgegangen, erklärte Hellmann. Der Klub habe alle Beteiligten, die Polizei, die Sicherheitskräfte und RB Leipzig über den geplanten Ablauf des Spiels vorher informiert.

Dem Vorwurf des Populismus entgegnete Hellmann, die Eintracht sei durch die Tolerierung des Protests ihrer Verantwortung für die Sicherheit gerecht geworden. Der Vorwurf kam auf, weil schließlich alle 18 Bundesligisten diesem TV-Vertrag zugestimmt hatten, der ja insgesamt fünf Montagsspiele pro Saison bis 2021 vorsieht - auch die Eintracht. Daran erinnerte auch RB-Trainer Hasenhüttl, der aber konstatierte: "Das ganze Drumherum war nicht entscheidend für unsere Niederlage." Seine Mannschaft habe nur bis zum 1:2 mithalten können, sagte Hasenhüttl.

Spätestens nachdem Schiedsrichter Felix Zwayer nach einer halben Stunde Spielzeit eine Elfmeter-Entscheidung für Leipzig nach Befragung des Videoassistenten zurücknehmen musste (dem Foul von Rebic an Sabitzer ging eine Abseitsposition der Leipziger voraus), beschlich Hasenhüttl das Gefühl, dass bei seiner Elf der Glaube an den Sieg verloren gegangen sei. In der zweiten Halbzeit wechselte der Österreicher die Offensivkräfte Yussuf Poulsen (46.), Emil Forsberg (61.) und Timo Werner (76.) ein: Es blieb aber beim 2:1 für die Eintracht.

Nach dem Abpfiff war dann doch alles wie immer: Die Eintracht-Fans feierten die Mannschaft mit Sprechchören, die sie zuvor zurückgehalten hatten wie einen Schatz. Man darf gespannt sein, was im nächsten Montagsspiel in Dortmund (gegen Augsburg) los sein wird. Ein Bündnis von BVB-Fans will die Begegnung boykottieren.

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