Mohamed Salah:"König Mo", der Torjäger für alle

Manchester City v Liverpool - UEFA Champions League Quarter Final Second Leg

Die Ägypter verehren Mohamed Salah nicht nur für den Fußball, den er spielt, sondern auch für seinen Charakter.

(Foto: Getty Images,)

Mohamed Salah vom FC Liverpool ist in Ägypten ein Nationalheld für jedermann - unabhängig von Religion, Herkunft oder politischer Einstellung. Beliebt machen ihn nicht nur seine Taten auf dem Rasen.

Von Paul-Anton Krüger

Es war ungewöhnlich still am Dienstagabend in Kairo, jenem 25-Millionen-Moloch, der sonst brummt und summt, hupt und lärmt. Es lag nicht am regnerischen Wetter, die ganze Stadt klebte am Fernseher oder am Radio. Und wer nicht, der bekam es mit, wenn Mohamed "Mo" Salah plötzlich traf. Der Stürmer des FC Liverpool erzielte spektakulär das 1:0, clever das 2:0, er legte im Halbfinal-Hinspiel der Champions League den Grundstein für das 5:2 des FC Liverpool gegen den AS Rom - jenen Klub, für den Salah bis zum Sommer 2017 stürmte.

Fußballfans sind plötzlich alle Ägypter. Salah, 25, ist ein Nationalheld für jedermann, egal ob Muslim oder Christ, ob einer Anhänger von Präsident Abdelfattah al-Sisi ist oder dessen erbitterter Gegner, ob er in Abu Simbel an der südlichen Grenze zu Sudan oder in den Küstenstädten im Norden am Mittelmeer wohnt. Auch in anderen Ländern der arabischen Welt und bis weit nach Afrika hinein wird der quirlige Lockenkopf bewundert.

In Saudi-Arabien wird ihm auf allen sozialen Plattformen gehuldigt, die dort wie in vielen anderen Ländern der Region meist der einzige Kanal sind, über den sich die Menschen öffentlich äußern können. Die Stadtverwaltung von Mekka ließ mitteilen, Salah werde ein Stück Land in der heiligen Stadt erhalten. Man würdige damit seine Auszeichnung zum Fußballer des Jahres in England, die "ein historischer Moment des Stolzes für Ägypten und alle Araber" sei - wie auch seine Vorbildfunktion für die junge Generation.

Jedes Kind in Ägypten kennt die Geschichte von "König Mo"

Auch wenn Afrika schon viele Stars hervorgebracht hat, bislang wurde keiner in einem Atemzug mit Messi, Ronaldo oder Neymar erwähnt. Salah aber hat mehr Tore in einer Champions-League-Saison geschossen als je ein Afrikaner zuvor (zehn), momentan steht er bei 43 Pflichtspieltreffern in 47 Spielen. Und natürlich knüpft Ägypten plötzlich alle Hoffnung auf eine erfolgreiche WM im Sommer in Russland an Salahs flinke Füße. Durch sein Tor in der fünften Minute der Nachspielzeit im Qualifikationsspiel gegen Kongo steht das Land der Pharaonen erstmals seit 1990 wieder in der WM-Endrunde.

Doch "König Mo", wie er genannt wird, genießt die Sympathie seiner 95 Millionen Landsleute nicht nur wegen seiner Taten auf dem Rasen, sondern auch für den Weg, den er bewältigt hat, und für die Tatsache, dass er bescheiden blieb. Jedes Kind in Ägypten kennt die Geschichte, wie er fünfmal die Woche im Bus aus seinem Heimatort Nagrig nach Kairo rumpelte, zum Klub des Baukonzerns Arab Contractors. Fünf Stunden über die Schlaglochpiste, zwei Stunden Training, wieder zurück. Für die Mitspieler war er der belächelte Junge vom Dorf, für Millionen junge Ägypter, Araber, Afrikaner ist er heute der Beweis dafür, dass jeder es schaffen kann, mit eisernem Willen und Disziplin bis zur Selbstaufgabe.

Salah ist Idol einer Region, die von Jugendarbeitslosigkeit geplagt ist, in der es den Menschen unter 30 (schon jetzt zwei Drittel der Bevölkerung) an Perspektive fehlt. Und der dennoch seine Wurzeln nicht vergessen hat. Nach erledigter WM-Qualifikation versprach ihm Mortada Mansur, Präsident des Kairoer Klubs Zamalek, eine Villa. Salah bat darum, das Geld seinem Heimatdorf zu spenden.

Viele sehen ihn auch als positiven Boten des Islam. Salah dankt Allah für jedes Tor. Und wenn in Liverpool die bierselige Tribüne singt, "wenn er noch ein paar Tore schießt, werde auch ich Muslim sein", wird das nicht nur als Beleg dafür gesehen, dass man im Westen Erfolg haben kann, ohne den Glauben zu verleugnen. Sondern auch dafür, dass es möglich ist, die Ablehnung, ja Feindschaft zu durchbrechen, die der Islam vielerorts in Europa erlebt - was viele Muslime als zutiefst verletzend und rassistisch empfinden.

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