Süddeutsche Zeitung

Mönchengladbach:Sie singen von der Meisterschaft

"Jetzt dürfen wir uns auch mal freuen": Borussia gewinnt 3:1 gegen Bremen und baut den Vorsprung in der Tabelle aus.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Indian Summer am Niederrhein: Ganz im Westen der Republik welken momentan sogar die Blätter in idyllischem Gelb und Rot, während Borussia Mönchengladbach weiter aufblüht. Nach dem 3:1 (2:0)-Sieg gegen Werder Bremen an einem strahlenden Herbstsonntag beträgt Gladbachs Vorsprung an der Tabellenspitze jetzt schon vier Punkte. Der Doppeltorschütze Patrick Herrmann fuhr nach dem Spiel ins Krankenhaus, um die Frau und das Neugeborene heimzuholen. "Jetzt dürfen wir uns auch mal freuen", sagte Herrmann lächelnd, aber auch mit Trotz in der Stimme, so als sei es verpönt, auf etwas am elften Spieltag Erreichtes auch mal stolz zu sein. Die Gladbacher sind es mit Vergnügen. "Ich ziehe den Hut vor meinen Jungs", sagte der Trainer Marco Rose, "und wir sagen auch nicht, dass das schon das Ende vom Lied ist."

Beim fünften Heimsieg nacheinander, inklusive des Erfolgs in der Europa League gegen AS Rom, profitierten die Borussen aber auch davon, dass den Bremern in der ersten Halbzeit ein Treffer aberkannt wurde und dass sie in der zweiten einen Foulelfmeter verschossen. Die Gladbacher verloren derweil ihre Mittelfeldspieler Christoph Kramer und Laszlo Benes durch Verletzungen sowie den Torschützen Ramy Bensebaini durch eine gelb-rote Karte. Die Bremer verloren nach sechs Spielen ohne Niederlage erstmals wieder und verbleiben in der Nähe der Abstiegszone. "Bei uns besteht trotzdem nullkommanull Verunsicherung", sagte der Trainer Florian Kohfeldt trotzig, "und ich weiß auch gar nicht, ob heute die bessere Mannschaft gewonnen hat - oder nur die effektivere."

Was gleich nach dem Anpfiff auffiel, war das ausgeprägte Selbstbewusstsein der Gladbacher. Drei Tage nach dem 2:1 gegen Rom standen sie so weit in der Bremer Hälfte, dass ihrem Torwart Yann Sommer akute Einsamkeit drohte. Dieses Selbstvertrauen zog sich durch die ganze Mannschaft, wie sonst wäre zu erklären, dass der aufgerückte Linksverteidiger Bensebaini nach einer Freistoßflanke von Laszlo Benes in der 20. Minute per Kopf sein erstes Pflichtspieltor für die Borussia erzielte. Der Algerier war im Sommer für geschätzte acht Millionen Euro vom französischen Erstligisten Stade Rennes aus der Bretagne an den Niederrhein gewechselt. Hinten links ersetzt der 24-Jährige immer häufiger den alten Schweden Oscar Wendt, 34. Drei Franzosen und drei Schweizer standen in der Gladbacher Startelf, weshalb sich Patrick Herrmann in der 22. Minute dachte, man könne ja vielleicht auch mal als heimischer Ur-Borusse auf sich aufmerksam machen. Der Flügelstürmer profitierte bei seinem Tor allerdings von einem Foul, das Bremens Torwart Jiri Pavlenka am Franzosen Marcus Thuram beging. Er riss ihn im Strafraum um, doch bevor der Schiedsrichter Tobias Stieler Elfmeter geben konnte, schoss Herrmann den freien Ball schon zum 2:0 ein. "Wir werden deutscher Meister", sangen die Gladbacher Fans. Ihren aktuellen Hit durften sie auch munter weitersingen, weil der 1:2-Anschlusstreffer durch Yuya Osako in der 27. Minute zurückgenommen wurde, nachdem der Bremer Milot Rashica den Gladbacher Denis Zakaria gefoult hatte.

In der zweiten Halbzeit musste man sich um die Einsamkeit des Gladbacher Torwarts nicht mehr sorgen, denn die Bremer erhöhten ihre Mühe um den Anschlusstreffer und provozierten Sommer zur einen oder anderen Parade. In der 53. Minute parierte er sogar einen Elfmeter von Davy Klaassen, den der Schiedsrichter Stieler per Videobeweis verordnet hatte. Bensebaini hatte Osako gefoult.

Das nicht gegebene Tor und der verschossene Elfmeter gaben den Bremern den Rest. Sie störten Herrmann nicht mehr allzu sehr dabei, in der 59. Minute auf 3:0 zu erhöhen. Die Gladbacher ließen einen höheren Sieg liegen und gestatteten Leonardo Bittencourt in der Nachspielzeit den Ehrentreffer. "Man mag über mich lachen, aber dieses Tor war ganz wichtig", schloss Kohfeldt, "und ich weiß, wie schnell sich Dinge in der Bundesliga wieder ändern können."

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Quelle:
SZ vom 11.11.2019
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