Süddeutsche Zeitung

Mönchengladbach:Sehenswert ungehorsam

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Die Borussia spielt schöner als gefordert - Trainer Rose spricht einen Appell aus.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Warum sich seine Mannschaft nicht an seine Vorgaben gehalten habe, wurde Marco Rose nach dem 3:0- Sieg gefragt. Auf derlei Provokationen reagieren Trainer oft unwirsch. Unterstellungen, sie hätten ihre Fußballer nicht im Griff, können sie nicht leiden. Rose aber lächelte. Er hatte seiner Elf für das wegweisende Spiel gegen Wolfsburg Kampfbereitschaft verordnet, er hatte sie vom Anspruch des Schönspielens befreit. Doch Mönchengladbach zeigte eines seiner ansehnlichsten Rückrundenspiele.

Bereits in der Vorbereitung der frühen 1:0-Führung (10.) dribbelte Breel Embolo leichtfüßig durchs Mittelfeld, narrte seinen Gegenspieler per Übersteiger und schob den Ball mit dem Außenrist lässig und brillant in die Tiefe zu Jonas Hofmann, der aus vollem Lauf einschoss - ein Tor zum Zungeschnalzen. Auch die weiteren Treffer durch Hofmann (30.) und Lars Stindl (65.) gerieten hübsch. "Tja", antwortete Rose auf die provokante Frage gespielt hilflos: "Manchmal kann man Qualität nicht verhindern, nicht mal als Trainer."

In Gladbach wird also wieder gewitzelt. Das ist ein gutes Zeichen, auch wenn Humor über das Erreichen der lukrativen Champions League nicht entscheidet. Nur eines der jüngsten fünf Spiele hatte die Borussia gewonnen. Sie fühlte sich bereits schmerzlich erinnert an die vergangene Saison, als man unter Trainer Dieter Hecking die halbwegs sicher geglaubte Champions-League-Qualifikation am letzten Saisontag verspielte. Dieses bittere Szenario droht sich nun im neuerlichen Platz-vier-Duell mit Leverkusen zu wiederholen, zumal sich neben dem systemrelevanten Mittelfeldmann Denis Zakaria auch die beiden besten Torschützen, Marcus Thuram und Alassane Pléa (je zehn Treffer) verletzt haben. Für Thuram ist die Saison zu Ende, für Pléa womöglich auch.

In dieser Phase des Zweifelns und Zauderns hatte Rose einen Appell an die Leidenschaft formuliert: "Wir müssen noch mal eine andere Mentalität entwickeln, es geht jetzt möglicherweise nicht mehr ums Schönspielen, sondern ums Zusammenhalten." Gegen Wolfsburg hielten die Gladbacher zusammen - und spielten auch noch schön. Weitere sechs Punkte könnten allerdings erforderlich sein, in Paderborn und gegen die Hertha, um Leverkusen diesmal hinter sich zu lassen. "Sollten wir am Ende nur Fünfter sein", sagt Rose, "werden wir uns darüber ärgern, eine große Chance vergeben zu haben."

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SZ vom 18.06.2020
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