Mönchengladbach:Schock nach 30 Sekunden

Hannover 96 v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Sofort ins Krankenhaus: Lars Stindl wird lange pausieren müssen nach seinem am Samstag früh erlittenen Schienbeinbruch.

(Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Die Borussia kann wieder Druck auf die Champions-League-Plätze entfalten, betrauert aber in Hannover die schlimme Verletzung von Lars Stindl.

Von Carsten Scheele, Hannover

Die Stadt Hannover verfügt in Zentrumsnähe über eine stattliche Dichte an Krankenhäusern. Die medizinische Abteilung von Borussia Mönchengladbach hatte sogar eine gewisse Auswahl für die Behandlung von Lars Stindl; die Wahl fiel auf eine "renommierte Klinik", wie der Klub am Sonntag bekannt gab, in der Stindl am frühen Samstagabend operiert wurde. Stindl verzichtete allerdings auf die branchenüblichen Statusmeldungen vom Krankenbett, auf ein Bild des eingegipsten Beins, auf kämpferische Tweets über die sozialen Medien. Als müsse der Stürmer erst mal klarkommen damit, dass für ihn die nächste monatelange Pause ansteht.

Gladbachs Sportdirektor Max Eberl hatte schon am späten Samstagabend die schlimmsten Befürchtungen für den Kapitän bestätigt: Schienbeinbruch, mehrere Monate Pause. Das Schienbein sei fixiert worden; es ist Stindls nächste schwere Blessur im Bewegungsapparat. Auch wenn er im Sommer erst 31 Jahre alt wird, scheint klar: Viele Verletzungen dieser Schwere kann er sich nicht mehr leisten. Vor fast genau einem Jahr war der Gladbacher beim Spiel auf Schalke umgeknickt und hatte sich eine schwere Kapsel- und Bandverletzung mit Verletzung der Syndesmose im Sprunggelenk zugezogen. Ein halbes Jahr musste Stindl pausieren, er verpasste die WM in Russland, für die er wohl nominiert worden wäre.

Nun der nächste Unfall, in jenem Stadion, in dem Stindl von 2010 bis 2015 selbst gespielt hatte und in dem der frühere 96-Kapitän immer noch große Wertschätzung genießt. Es war der erste ernste Zweikampf des Tages, der die Arena am Maschsee in einen Zustand der Beklemmung versetzte: Zeitgleich mit Hannovers Matthias Ostrzolek war Stindl nach gerade 30 Sekunden Richtung Ball gegrätscht, beide trafen auf Höhe der Mittellinie mit den Schienbeinen aufeinander. Es waren schlimme Bilder, wie Stindls Unterschenkel unter der Wucht des Aufpralls nach hinten klappte; wie der Gladbacher schrie, liegen blieb und auf sein rechtes Bein zeigte. Hannovers Trainer Thomas Doll, der freie Sicht auf die Szene hatte, sagte, er habe sich "instinktiv umgedreht, das hat sich nicht gut angehört". Gestützt von Mannschaftsarzt Ralf Doyscher und Physiotherapeut Hendrik Schreibe verließ Stindl den Rasen, das Bein schlackerte in der Luft.

"Das trifft mich hart. Der Junge ist für uns viel zu wichtig", klagte Gladbachs Trainer Dieter Hecking, obwohl Stindl bei ihm zuletzt nicht immer zur ersten Wahl gehört hatte. Auch ohne Stindl konnte die Borussia beim Tabellenletzten die ersten drei Punkte nach zuvor drei sieglosen Partien holen: Der Brasilianer Raffael, früh eingewechselt, traf mit einer leicht abgefälschten Bogenlampe in der zweiten Halbzeit zum 1:0-Auswärtssieg (53.), der höher hätte ausfallen können, hätte Thorgan Hazard nicht zahlreiche Chancen ausgelassen. Gladbach kann wieder etwas Druck auf den Champions-League-Platz vier entfachen, den aktuell Eintracht Frankfurt inne hat; die Stimmung war aber trübe. "Es ist ein Sieg, den wir bitter bezahlt haben", urteilte Christoph Kramer, in Gedanken ebenfalls bei Stindl. Er habe bei seinem Mitspieler "die ein oder andere Träne" gesehen.

Der Kapitän wird vermutlich noch nicht fit sein, wenn Marco Rose zum Start der neuen Saison das Traineramt in Gladbach übernehmen wird. Wohin es Hecking, der den Klub verlassen muss, dann zieht, darüber wurde am Wochenende viel spekuliert. Gemutmaßt wurde, dass der Coach nach Hannover zurückkehren könnte, um dort als Sportchef den Neustart in der zweiten Liga anzuleiten - dies schien sogar einigermaßen logisch, zumal Heckings Familie ein paar Kilometer vor Hannover in Bad Nenndorf lebt. Als Spieler hatte er schon für 96 gespielt, von 1996 bis 1999, später die Mannschaft drei Jahre als Trainer geführt. "Natürlich wohne ich hier vor Ort", erklärte Hecking zwar, "was mir nicht gefallen hat, dass man gleich zum Spekulationsobjekt wird." Es habe keine Kontaktaufnahme von Hannovers Geschäftsführer Martin Kind gegeben: "Ich kann hier auch heute sagen, dass ich nicht als Sportdirektor nach Hannover komme."

Er wolle Trainer bleiben und in der nächsten Saison wieder "irgendwo an der Linie stehen". Auch Hecking wird längst signalisiert haben, dass renommierte Bundesligaklubs wie Schalke oder Wolfsburg noch Übungsleiter für die kommende Saison suchen - und Heckings Marktwert nach einer bislang erfolgreichen Gladbacher Saison nicht der schlechteste ist.

Sein Nachfolger Rose wiederum muss auf der Suche nach Verstärkungen nicht mehr auf eine Rückkehr des Bremers Max Kruse hoffen, auch das ist mittlerweile klar. Kruse, der von 2013 bis 2015 bei der Borussia spielte, werde "einen großen Vertrag unterschreiben", sagte Eberl, "aber nicht in Gladbach."

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