Transfers von Stöger und Kleindienst:Wie Gladbach den Abschwung stoppen will

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Trio für mehr Leidenschaft: Philipp Sander (von links), Kevin Stöger und Tim Kleindienst sind neu bei der Borussia. (Foto: Kirchner-Media/Imago)

Mit der Borussia ging es zuletzt stetig bergab. Die Grundidee, junge Talente zu entwickeln und zu verkaufen, war nicht die einzige, die nicht mehr funktionierte. Nun hat der Klub in Erfahrung und Kampfgeist investiert – mit einem klaren Ziel.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Rainer Bonhof hat fast alle EM-Spiele gesehen, daheim, „schön am Grill“. Nach Deutschlands Viertelfinal-Aus schlug sein Herz für die Spanier. Ende der Siebziger spielte er mal zwei Jahre in Valencia. Als der 72-Jährige da so schön am Grill EM schaute, gab es dazu ganz traditionell „Bratwurst und Bier“. Zu diesem Zweck hat er womöglich etwas häufiger als sonst den Getränkehändler seines Vertrauens getroffen und von diesem außer den erforderlichen Getränken auch eine Resonanz darauf erhalten, was man sich in Mönchengladbach von der nächsten Bundesligasaison so erwartet.

„Er meinte so: ‚Ihr habt ja ganz gut zugeschlagen‘“, berichtet Bonhof über die Ansicht des Getränkehändlers zu den bisherigen Gladbacher Transfers: den Mittelstürmer Tim Kleindienst vom 1. FC Heidenheim, den Spielmacher Kevin Stöger vom VfL Bochum und den defensiven Mittelfeldspieler Philipp Sander vom Bundesliga-Aufsteiger Holstein Kiel. Als tiefenentspannter und von Natur aus nie überschwänglicher Präsident von Borussia Mönchengladbach lässt sich Bonhof allerdings nicht mal von Euphorie im Getränkemarkt anstecken. „Unser Ziel ist ein einstelliger Tabellenplatz“, sagt er über die anstehende Saison, „jeder im Stadion soll sehen: Die kämpfen – und dafür sind diese Spieler die richtigen!“

Der Transfermarkt ist durch die EM noch gar nicht so richtig in Gang gekommen. Unklar ist, ob etwa der Innenverteidiger Nico Elvedi oder die Mittelfeldmänner Kouadio Koné und Florian Neuhaus in Gladbach bleiben. Sie gelten als Verkaufskandidaten. „Aber bislang gibt es keine Angebote“, sagt der Sportvorstand Roland Virkus. Eher keine Zukunft trotz noch eines Jahres Vertrag hat der 33 Jahre alte Christoph Kramer, ihm hat der Klub signalisiert, dass seine zuletzt schon geringen Einsatzchancen im Mittelfeld nächste Saison nicht gerade besser werden.

Als Fußballer hat Bonhof in den Siebzigern und Anfang der Achtziger so ziemlich alles gewonnen. Er war Weltmeister, zweimal Europameister, mit Valencia und Gladbach Europapokalsieger, mit Köln und Gladbach DFB-Pokalsieger und fünfmal Meister mit Gladbach. Jetzt ist er Präsident eines Erstligisten, der in den vergangenen drei Spielzeiten keinen einstelligen Tabellenplatz (10., 10., 14.) mehr erreicht und abnehmende 45, 43 und 34 Punkte gesammelt hat. Es geht abwärts mit Gladbach, und das maßgebliche Ziel im zweiten Jahr unter Trainer Gerardo Seoane muss folglich sein, diesen Abschwung zu stoppen.

Im Borussia-Park sollen die Gäste künftig wieder Aua fürchten, hofft Rainer Bonhof. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Das Rezept zur Behandlung dieses nun schon drei Jahre dauernden Schwächeanfalls lautet unverändert: der Borussia-Weg. Dieser Begriff kursiert am Borussia-Park schon seit Jahren. Trotzdem, berichtet Markus Aretz, neben Stephan Schippers und Roland Virkus einer von drei Geschäftsführern, werde er immer wieder gefragt: „Borussia-Weg – wat is’ dat eijentlich?“ Aretz erklärt den Borussia-Weg, wenn erforderlich, in aller Kürze so: „Wir wirtschaften solide und sind bereit, Spieler auch mal zu verkaufen.“ In den vergangenen drei Jahren, gibt Aretz zu, habe das Vorhaben, Spieler ebenso zu Leistungsträgern wie dann auch zu lukrativen Verkäufen zu entwickeln, „nicht mehr so gut geklappt“ – „wegen Corona“ einerseits, aber auch, „weil ein paar nicht so gute Entscheidungen getroffen worden sind und wir Spieler behalten haben, als wir sie hätten verkaufen können“. Aus diesem Grund musste man so werthaltige Profis wie Marcus Thuram, Ramy Bensebaini und Matthias Ginter letztlich ablösefrei abgeben. Diese Einnahmen fehlten dann zusätzlich zu den coronabedingten Einbußen, um wieder junge Spieler mit großem Potenzial verpflichten zu können.

Es fehlte an Kampfgeist, Körpersprache und „Leadership“, findet der Sportvorstand

Wer bei der Borussia in diesem Sommer nun die Verpflichtung von jungen Spielern mit großem Potenzial erwartet, der könnte zu Recht das Alter des Trios Stöger, 30, Kleindienst, 28, und Sander, 26, monieren. Doch diese Verpflichtungen folgen einem anderen Kalkül, nämlich dem Bedarf am zuletzt oft fehlenden Kampfgeist, der mangelnden Körpersprache und dem defizitären „Leadership“, wie es Sportvorstand Virkus nennt. Wenn die Mannschaft während eines Spiels in ein Loch fiel, gab es keine Spieler, die sie dort wieder herausgeholt hätten. Diese Schlüsselqualifikationen erhofft man sich neben den fußballerischen Fertigkeiten von den Neuen.

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„Wir haben drei erfahrene Spieler geholt, weil du solche Spieler brauchst, damit sich junge Spieler wie Rocco Reitz, Luca Netz oder Joe Scally entwickeln können“, erklärt Virkus. Reitz, 22, Netz, 21, und Scally, 21, haben sich in der vergangenen Saison schon recht gut entwickelt, aber noch nicht genug im Gesamtkontext einer vor allem mental immer wieder schwächelnden Mannschaft. In dem Wissen, dass die psychologische Komponente im vierten Jahr mit dem vierten Trainer (Marco Rose, Adi Hütter, Daniel Farke, Gerardo Seoane) die größte Herausforderung war, hatte man vor einem Jahr im jungen Manager Nils Schmadtke, 35, einen Sportdirektor hinzugeholt, der vor allem vereinen und zwischenmenschlich agieren sollte – aber das klappte nicht wie erhofft. „Es hat nicht gepasst“, sagt der Geschäftsführer Aretz. Die Wege trennten sich. Als Ersatz kam vom FC Luzern der Schweizer David Zibung, 40, aber der firmiert erst mal nur als Koordinator Lizenzfußball, und so wird vor allem Virkus wieder mehr in die Verantwortung gezogen. Er kehrt während der Spiele zurück auf die Bank und sagt: „Ich muss wieder näher an der Mannschaft sein.“

Auf den fünften Trainer im fünften Jahr hat man verzichtet

Nicht zur Verantwortung gezogen hat man den Trainer Seoane und damit auf einen fünften Trainer im fünften Jahr nacheinander verzichtet. Für den Borussia-Weg erachtet man den 45-jährigen Schweizer weiterhin als geeignet, obwohl die vergangene Spielzeit eine schwere Enttäuschung darstellte. „Wir wollen in der neuen Saison zeigen, dass wir besser sind, wir wollen weniger Gegentore und mehr Siege“, sagt Virkus. „Wir wollen in die obere Tabellenhälfte“, sagt Aretz, und Bonhof sagt: „Wir wollen wieder dahin kommen, dass Mannschaften nicht gern zu uns fahren, weil der Borussia-Park wieder eine Hausnummer ist und weil alle wissen, dass man da Aua kriegen kann.“

Aua gekriegt haben in den vergangenen Jahren im Borussia-Park vor allem die eigenen Fans, von den 17 Heimspielen gewann Gladbach vergangene Saison gerade mal fünf. Trotzdem sind die auf 30 000 Stück limitierten Dauerkarten alle bereits wieder weg. Etwa 200 Dauerkarten sind freigeworden, die Warteliste liegt laut Geschäftsführer Aretz aber bei etwa 10 000 – trotz der mauen Leistungen. Alle hoffen auf die Trendwende. Unerschütterliche Zuversicht herrscht in Mönchengladbach nicht nur bei Rainer Bonhofs Getränkehändler.

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