Mönchengladbach:Hummersud im Sternelokal

Borussia Moenchengladbach v Bayer 04 Leverkusen - Bundesliga

Stimmungsaufheller: Gladbachs Spieler feiern mit ihrem zuletzt sehr kritischen Anhang den Auftaktsieg gegen Bayer Leverkusen.

(Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Die Borussia fällt gleich beim erfolgreichen Bundesligastart gegen Leverkusen mit einer qualitativen Breite im Kader auf - auch dem angezählten Trainer Dieter Hecking tut das 2:0 gut.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Der Gladbacher Sud ist keine rheinische Suppenspezialität. Er ist ein lapidarer Ausdruck vermeintlich unterentwickelter Ambitionen im Fußballklub Borussia Mönchengladbach. "Wir schmoren hier nicht in einem mittelmäßigen Sud", hatte der mit seinen Fußballern oft ein bisschen nachgiebig erscheinende Manager Max Eberl vor dem Saisonstart gewettert und lakonisch eingeräumt, er würde selbstverständlich nur zu gern deutscher Meister werden. Das war zwar nicht ernsthaft als Kampfansage gemeint, trotzdem stehen die Chancen dazu plötzlich blendend, wenn man auch berücksichtigen sollte, dass erst einer von 34 Spieltagen absolviert ist. Dieses frühe Stadium relativiert die Gladbacher Euphorie nach dem 2:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen. Immerhin gedeihen Hoffnungen auf eine bessere als die maue vergangene Saison. Hummersud statt Gemüsefonds, sozusagen.

Während Eberl kulinarische Metaphern goutiert, benutzt Trainer Dieter Hecking Allegorien aus der Abfallentsorgung. Mit besseren Leistungen würde er gern "den Müll" loswerden, der sich in der vergangenen Spielzeit im Borussia-Park angesammelt habe, sagte er. Damit meint Hecking eine stinkige Stimmung im Publikum, die sich je nach Form der Fußballer in Raunen, Pfiffen oder gar leeren Rängen äußerte. 23 Millionen Euro haben sie auch zum Zwecke der atmosphärischen Aufbesserung in die Hand genommen, indem sie mit Alassane Pléa aus Nizza den teuersten Spieler der Vereinsgeschichte verpflichtet haben.

"Wir waren richtig eklig für die Leverkusener", schwärmte Torwart Yann Sommer

Allerdings wagte Hecking gegen Leverkusen doch glatt, den sündteuren Erlöser auf die Bank zu verbannen. Das lag daran, dass der Trainer in seinem neuen 4-3-3-System nur eine einzige Spitze aufbieten kann und sich zum Auftakt für den etablierten und trotz vorgerückten Alters in geradezu juveniler Verfassung befindlichen Raffael, 33, entschied. Überraschender als diese Personalie war die Neuordnung im Mittelfeld, wo nicht etwa die Vorjahresstammkräfte Christoph Kramer und Denis Zakaria aufliefen, sondern Tobias Strobl, Jonas Hofmann und Florian Neuhaus. Letzterer war in der vergangenen Saison noch an den Zweitliga-Meister Fortuna Düsseldorf ausgeliehen. In seinem Bundesligadebüt erwirkte er versiert jenen Elfmeter, den Hofmann zum 1:0 verwandelte. Das 2:0 schoss Fabian Johnson, der lange nicht mehr von sich reden gemacht hatte.

Und so besaß diese couragierte Leistung gegen die von verletzungsbedingten Abwehrproblemen gebeutelten Leverkusener eine reinigende Wirkung, als würden üble Küchengerüche saubergefiltert. "Unser Gegenpressing war sehr aggressiv, wir waren richtig eklig für die Leverkusener und haben mit Power, Mut und Kreativität gespielt", schwärmte Torwart Yann Sommer im Rausch des gegentorlosen Adrenalins. Dass er in der ersten Hälfte einen Kopfball des Leverkusener Stürmers Leon Bailey mit scheinbar telepathischen Fähigkeiten gegen die Latte gelenkt hatte, machte seinen Arbeitstag perfekt. Einen nur Zentimeter vor dem Vollzug befindlichen Treffer durch Bayer-Stürmer Kevin Volland verhinderte überdies der 18-jährige Rechtsverteidiger Louis Jordan Beyer, indem er auf der Torlinie seine Brust extrem hinausstreckte. Eine symbolische Pose für die neue Gladbacher Selbstwahrnehmung.

"Und das ist ja der Wahnsinn", schwärmte der zum Innenverteidiger umfunktionierte Tony Jantschke, wenn man sehe, was da trotz der Ausfälle von Michael Lang, Nico Elvedi, Lars Stindl und Ibrahima Traoré noch alles auf der Gladbacher Ersatzbank gesessen habe: Kramer, Zakaria und Pléa sowie Flügelflitzer Patrick Herrmann und Mittelfeldtalent Michael Cuisance. Mit diesem Backup-Team und den zu erwartenden Rückkehrern wähnt sich der vom Gladbacher Sud gelangweilte Traditionsklub plötzlich wie der Hausmannsverkoster im Sternelokal.

Das tut auch dem angezählten Trainer Hecking gut, nachdem man ihm jüngst die erwartete Verlängerung seines 2019 endenden Vertrags verweigert hatte. Vor diesem Hintergrund, angesichts einer als ultimative Prüfung angelegten Saison, war es nicht unmutig, etablierte Kräfte und den neuen Millionenstürmer auf die Bank zu setzen und mit einer Formation zu spielen, die mancher eher als B-Lösung erachtete.

Doch noch ist es den Gladbachern zu früh fürs Ausrufen einer Trendwende, genauso wie es dem Leverkusener Manager Rudi Völler viel zu früh war, jetzt schon einzugestehen, dass sein wechselhaftes Team nicht viel weiter ist als in der vergangenen Saison. "Nach einem Spiel wäre ich mit solchen Erkenntnissen vorsichtig", sagte er auf eine entsprechende Vorhaltung. Auch ein guter Sud braucht bekanntlich seine Zeit - das ist keine Frage von Minuten, sondern von vielen, vielen Stunden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: