Mönchengladbach:"Es funktioniert so nicht mehr"

Fortuna Duesseldorf v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Erst Minute zwölf, doch schon das zweite Rheinderby-Tor der entfesselten Fortuna: Kevin Stöger überlistet Torwart Yann Sommer.

(Foto: Alex Grimm/Getty)

0:3 nach 16 Minuten, 1:3 am Ende - die Abwärtsspirale der Borussia erreicht in Düsseldorf einen Tiefpunkt.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Als der Reporter vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit vorgehaltenem Mikrofon wissen wollte, wie "die persönliche Frustbewältigung" des Sportdirektors Max Eberl aussehe, drohte ihm dieser fröhlich Prügel an. Das war aber wirklich nur ein rustikaler Scherz unter zweien, die sich schon lange kennen. Eberl ist meistens ein freundlicher Mensch mit durchaus humanistischen Werten, doch auf die Frage nach der Frustbewältigung antwortete er lieber nicht ernsthaft. Zu nahe ging ihm das 1:3 seiner Mönchengladbacher Borussia bei Fortuna Düsseldorf, eine Niederlage von historischer Bedeutung: Nie zuvor hatte Gladbach in den ersten 16 Minuten drei Gegentore bekommen. Man kann sich also vorstellen, wie Eberl und seinen Champions-League-Anwärtern zumute war. Nachdem sich der Manager beim Radiomann grinsend rückversichert hatte, dass man nicht live auf Sendung sei, sagte Eberl brüsk: "Nach 16 Minuten hätten wir alle kotzen können."

Es ging also rhetorisch hart zur Sache im Gladbacher Lager - fußballerisch war zuvor das Gegenteil der Fall gewesen. Kapitän Lars Stindl wurde im Kabinengang nach Gründen fürs Versagen gefragt, und man merkte, dass es in ihm brodelte. Als er seine üblichen Floskeln bereits zweimal durchgekaut hatte, wand er sich, schien etwas loswerden zu wollen, bremste sich dann selbst, indem er sagte: "Ich muss aufpassen jetzt so aus der Emotion heraus." Gladbach spielt zurzeit einen derart unbefriedigenden Fußball, dass die Harmonie im Kader in Gefahr zu sein scheint. Aber noch reißen sich alle zusammen.

Die Gladbacher, Anfang Februar noch Tabellenzweite vor dem FC Bayern, haben seither aus sieben Spielen nur fünf Punkte geholt und erwecken den Eindruck von rostenden Robotern im Dauerregen. Dabei lief in der Hinrunde noch alles wie geschmiert. Der zunehmend grassierenden Grundsatzfrage, ob sich das zu Saisonbeginn eingeführte und zunächst funktionierende 4-3-3-System schon wieder abgenutzt hat, weichen die meisten aus. Das Eingeständnis, dass die Software nicht mehr funktioniert, käme in dieser entscheidenden Saisonphase einer fußballerischen Bankrotterklärung gleich. Stindl relativierte: "Wir müssen uns gar nicht groß über Systeme unterhalten, wenn wir nicht die Grundtugenden auf den Platz bringen." Doch der Innenverteidiger Matthias Ginter sagte mit entwaffnender Offenheit: "Was wir in der Hinrunde gemacht haben, funktioniert so nicht mehr - wir müssen uns neue Lösungen überlegen." Damit hat er den Trainer Dieter Hecking ganz schön unter Druck gesetzt.

Allerdings hätte Hecking eh nicht weitermachen können wie bisher. Mit der Niederlage in Düsseldorf ist in der Gladbacher Abwärtsspirale ein vorläufiger Tiefpunkt erreicht. "So ein Spiel kann ich nicht hinnehmen", sagte Hecking. Es gibt massiven Gesprächsbedarf im Borussia-Park. "Ich muss fragen, was jetzt los ist, ich will wissen, wer in der Lage ist, der momentanen Situation standzuhalten." Aber nicht nur sein Verhältnis zu den Fußballern muss der Trainer ausloten. Er will sich auch mit Sportchef Eberl verständigen, und der Vizepräsident Rainer Bonhof wird gewiss auch seine Meinung sagen wollen. "Wir müssen jetzt auch hinterfragen, ob wir noch richtig mit den Jungs umgehen", sagte Hecking.

Einen ersten Hinweis auf einen Wechsel der Tonart gab der Trainer bereits, als er seinen Flügelstürmer Thorgan Hazard in der 41. Minute auswechselte. Diese Auswechslung war eine metaphorische Ohrfeige für den Belgier. Hazard grübelt seit Wochen über seine Zukunft und darüber, ob er Gladbach im Sommer verlassen oder seinen Vertrag dort verlängern soll. In all dieser Zeit spielte er keinen guten Fußball mehr. "Am Samstag hätte ich ihn auch schon nach zehn Minuten auswechseln können", sagte Hecking. Die 41 Minuten waren also bereits eine Gnadenfrist. Bei der Auswechslung würdigten sich die beiden keines Blickes.

Aus den Worten der Verantwortlichen klingt zunehmend die Furcht, dass ihnen die Kontrolle entgleitet. Eine Champions-League-Qualifikation brächte mindestens 30 Millionen Euro Mehreinnahmen in der kommenden Saison, Geld, das man bräuchte, um mit Dortmund, München und Leipzig halbwegs Schritt zu halten. Die Europacup-Teilnahme aber schon in der zweiten Saison nacheinander durch eine miserable Rückrunde zu verspielen, wäre schmerzlich für diesen Verein, der in seinem Borussia-Park die Infrastruktur massiv ausbaut. Ausgerechnet jener Mannschaft, auf die das alles zugeschnitten ist, versagen aber schon wieder die Nerven. Sportchef Eberl ist auf Wachstum aus. Über den bröckelnden Fußball sagt er: "Ich will nicht alles in Schutt und Asche reden." Dafür wäre notfalls auch in der Sommerpause noch Zeit. Mal wieder.

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