Süddeutsche Zeitung

Bundesliga-Start in Gladbach:Wertsteigerung im Quartett

Borussia Mönchengladbach beginnt die Spielzeit mit überzeugendem Fußball. Insbesondere vier Wechselkandidaten zeigen sich in Prachtform.

Von Ulrich Hartmann

Wenn Marcus Thuram sein Trikot mit der Nummer 10 über eine Eckfahne zieht und diese Fahne schwenkend über den Rasen tanzt, dann ist die Welt von Borussia Mönchengladbach in Ordnung. Am Samstag ist der französische Fußballer 25 Jahre alt geworden und hat für Gladbach in der 71. Minute das wegweisende zweite Tor geschossen zum 3:1-Sieg gegen die TSG Hoffenheim. Manch skeptischer Fan hatte vielleicht schon gar nicht mehr unbedingt damit gerechnet, dass Thuram überhaupt noch für die Borussia spielen würde, denn sein Vertrag läuft am Ende dieser Saison aus, und dadurch ist er einer von vier akuten Verkaufskandidaten.

Alle vier - Thuram, Torwart Yann Sommer, Angreifer Jonas Hofmann und Linksverteidiger Ramy Bensebaini - haben gegen Hoffenheim ein richtig gutes Spiel gemacht. Man weiß jetzt nur noch nicht, ob das für Gladbach gut oder schlecht ist, ob das nämlich ein Ausdruck von Treue und Hingabe war oder eher vier Mal eine offene Bewerbung in die Branche hinein.

Im Fall Thuram, sagte hinterher der neue Trainer Daniel Farke, befürchte er eigentlich keinen Weggang, denn: "Marcus ist mit dem Kopf und dem Herzen bei uns." Alles weitere müsse jetzt der Sportdirektor Roland Virkus erledigen, er muss Thuram ein überzeugendes Angebot für eine Vertragsverlängerung machen. Farke sagt: "Gladbach ist finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet, aber Kompliment dafür, dass Roland Virkus mit Alassane Plea bereits verlängern konnte - hoffentlich folgen weitere."

In gut drei Wochen schließt das Transferfenster. Es könnten noch 23 Tage der Ungewissheit werden für die Borussia. Im vermutlich schlimmsten Fall passiert gar nichts. Werden die Spieler weder verkauft noch ihre Verträge verlängert, dann droht Gladbach sie im kommenden Sommer ablösefrei zu verlieren. Das wäre schlecht für den Kader und noch schlechter die Buchhaltung.

Nun ergab sich interessanterweise zum Saisonauftakt, dass alle Wackelkandidaten ihren Wert mit großer Spielfreude demonstriert haben. Der Linksverteidiger Bensebaini beispielsweise stand defensiv solide, zeigte zugleich gewohnte Offensivqualitäten und erzielte den 1:1-Ausgleich in der 42. Minute mit einem Fallrückzieher, der ziemlich sicher zum Borussia-Tor des Monats gewählt wird. An Bensebaini soll es europaweit Interesse geben. Die erwartete internationale Kettenreaktion auf der Linksverteidiger-Position hat allerdings noch nicht richtig Fahrt aufgenommen, wie man auch am Leipziger Linksverteidiger Angeliño sieht. Das kann aber jederzeit passieren.

Thuram und Bensebaini blühen unter Farke nach eineinhalb schwierigen Jahren wieder auf

Die Rheinische Post hat soeben ihre Leser befragt, über wessen Vertragsverlängerung sie sich am meisten freuen würden. Sommer und Hofmann vereinten nahezu sämtliche Stimmen auf sich. Thuram und Bensebaini landeten nur im einstelligen Prozentbereich, vielleicht auch deshalb, weil sie in einer kritischen Gladbacher Phase in den vergangenen eineinhalb Jahren spielerisch ein bisschen abgetaucht waren. Unter Farke scheinen sie nun aber wieder aufzublühen. Mit Engagement, Toren und guter Laune gewinnt man Sympathien bei den Fans auch schnell wieder zurück.

Zum Beispiel Plea. Auch dieser Franzose galt als Wechselkandidat. Sein Vertrag war ebenfalls nur noch für diese Saison gültig, doch in der vergangenen Woche verlängerte er bis 2025. Gegen Hoffenheim zeigte er prompt ein hervorragendes Spiel, legte Thuram das Tor zum 2:1 sowie Nico Elvedi in der 78. Minute das Tor zum 3:1 auf und erzielte bloß deshalb keinen eigenen Treffer, weil Hoffenheims Torwart Oliver Baumann alle seine Schüsse meisterlich parierte.

Bei ihrem überlegenen Spiel profitierten die Gladbacher davon, dass Hoffenheims Stefan Posch schon in der 19. Minute nach zwei groben Fouls per gelb-roter Karte des Feldes verwiesen worden war. Zwar schoss Robert Skov die Hoffenheimer in der 25. Minute trotzdem noch mit 1:0 in Führung, doch Bensebainis Fallrückzieher kurz vor der Pause leitete die Wende ein. So wurde es kein guter Saisonauftakt für den neuen Hoffenheimer Trainer André Breitenreiter, der im Frühjahr mit dem FC Zürich überraschend Meister in der Schweiz geworden war.

Gladbachs neuer Trainer Farke scheint dagegen bereits einen positiven Einfluss auf die Mannschaft zu haben. Davon könnte der Sportchef Virkus profitieren, wenn er den Spielern neue Verträge hinlegt. Der Vizepräsident Rainer Bonhof sagt: "Die Gespräche verlaufen sehr gut, wir hoffen, dass wir sie überzeugen können, und ich würde begrüßen, wenn der eine oder andere unterschreibt."

Aus dem Munde des Weltmeisters (1974) und zweimaligen Europameisters (1972 und 1980) hat die freundliche Einladung zur Unterschrift einen gewissen Beiklang. Einem so verdienten Mann sollte man keinen Wunsch abschlagen.

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