Lukas Podolski saß vor ein paar Tagen in einem cremefarbenen Ledersessel bei Markus Lanz, doch ganz so schlimm wie sich das anhört, war es noch nicht gekommen. In der Regel beantworten die Fußballfragen des ZDF-Talkmasters ja die Größen von einst, Mario Basler ist ein Stammgast in der spätabendlichen Plauderrunde, auch Stefan Effenberg war schon da, Paul Breitner natürlich.
Aber Podolski spielt noch Fußball, man konnte das in den vergangenen Monaten schon mal vergessen. Bei seinem Arbeitgeber FC Arsenal in der englischen Premier League wurde er ja nur noch sporadisch eingesetzt. Am Sonntag saß er wieder 90 Minuten lang auf der Bank, als seine Mannschaft mit 2:1 bei West Ham United gewann.
Auf seinem Platz bei Lanz, direkt neben Theo Waigel, wirkte es noch komisch, die Rolle passte noch nicht so recht: Lukas Podolski, Ersatzspieler. Er erzählte dann allerdings jene Geschichte zu den hübschen Bildern aus der Nacht von Rio, nachdem er mit der Nationalmannschaft Weltmeister geworden war. Die Bilder zeigten ihn mit seinem Sohn, die beiden kickten auf dem Rasen des Maracanã, als wäre es der Bolzplatz in Bergheim, auf dem Podolski einst das Fußballspielen lernte. Vorlage Lukas, 29, mit dem Außenrist, Abschluss Louis, 7, volley in die rechte Ecke.
Sein Sohn habe ihn in der Kabine gefragt, ob er mit ihm Fußball spielen wollte, erzählte Podolski: "Ich habe gesagt: Ja klar, und dann sind wir raus." Was man halt so macht, wenn ein Ball da ist, ein bisschen Platz und ein Tor.
Nun, ein paar Tage nach Weihnachten, darf auch Papa Lukas vermutlich demnächst wieder raus - und spielen. Er wird den FC Arsenal verlassen, davon ist auszugehen. Die italienische Sporttageszeitung Corriere dello Sport berichtet, dass ein Leihgeschäft mit dem italienischen Erstligisten Inter Mailand vor dem Abschluss steht. Die Ablösesumme soll zwei Millionen Euro betragen, für sechs Monate.
Im Sommer 2012 war Podolski vom 1. FC Köln, seiner großen Liebe, für 12,0 Millionen Euro nach London gewechselt. Und zunächst hatte es ausgesehen, als würde dort etwas zusammenwachsen, was zusammengehört. Der schnelle, nicht immer erfolgreiche, aber niemals biedere Fußball des FC Arsenal, und Podolski, sein Instinkt, sein linker Vollspann: Bumm, klatsch, Tor! 33 Spiele absolvierte Podolski für die Gunners in seiner ersten Saison, nur acht davon als Einwechselspieler, er traf elf mal. Die Fans liebten ihn, sie lieben ihn seitdem.
Doch die Beziehung zwischen Podolski und Trainer Arsène Wenger war nie einfach. Der Franzose sah in dem Stürmer zwar einen Spieler, der an guten Tagen seine Mannschaft bereicherte, der allerdings in seinen Fähigkeiten begrenzt sei. Unkonstant zum einen, aber vor allem eindimensional, und damit unmodern. Er hätte gerne mal auf einer anderen Position gespielt, hat Podolski jüngst erzählt. Doch für Wenger war er immer der Mann mit dem linken Fuß, der nach links an die Außenlinie gehörte. Seit im Sommer Danny Wellbeck und Alexis Sánchez zu Arsenal wechselten, spielt Podolski keine Rolle mehr.
Nur in der Champions League durfte der Stürmer noch manchmal zeigen, was ihn auszeichnet. Drei Tore hat er in dieser Saison geschossen, die letzten beiden beim 4:1 bei Galatasaray Istanbul. Drei Minuten waren gespielt im Ali-Sami-Yen-Stadion, da passte Aaron Ramsey den Ball an die Strafraumkante zu Podolski. Der wartete nicht, schaute nicht nach rechts oder links, er haute einfach drauf. Was Podolski halt macht, wenn ein Ball da ist, ein bisschen Platz und ein Tor. Der Ball flog in den Winkel. Es war ein Kunstwerk.
Am liebsten würde Podolski solche Tore wohl wieder für den FC schießen. Zuletzt war er so oft in Köln, dass auch die Zweifler noch einmal bei Sportdirektor Jörg Schmadtke nachfragten. Podolski ist in Köln in Musikvideos von Karnevalsbands zu sehen, zuletzt stellte er in der Domstadt seine WM-Medaille aus, um Geld für seine Stiftung zu sammeln und Bolzplätze zu bauen. Er schaut regelmäßig Eishockey bei den Haien, unterstützt einen Basketballklub und den FC Bergheim. Doch der FC ist ein seriöser Bundesligist geworden, er hat kein Geld für Podolski. Keine Chance.
Also wird es nun Inter Mailand? "Bislang sind das alles nur Gerüchte", sagte Podolski dem TV-Sender Sky am Montag. Der Champions-League-Sieger von 2010 ist ins Mittelmaß der Serie A abgestürzt und momentan nur noch Elfter. Im November ist Trainer Roberto Mancini zurückgekehrt und mit ihm ein wenig Glanz des vergangenen Jahrzehnts, von 2006 bis 2008 gewann er mit Inter drei Meistertitel in Serie. Doch noch ist er mit der Mannschaft nicht wieder zusammengewachsen, zuletzt experimentierte er mit Systemen mit einem, zwei oder drei Stürmern. Am ehesten wäre Podolski wohl auch in Mailand auf der linken Außenbahn vorgesehen.
Es wird ein wichtiges Halbjahr für ihn, sein Vertrag in London läuft noch bis 2016, und er muss Trainer und Scouts in Europa wieder davon überzeugen, dass er regelmäßig auf hohem Niveau seine Leistung abrufen kann. Dass er im Herbst seiner Karriere nicht nur noch jener Spieler ist, den die Fans lieben, der mal eingewechselt wird und hinterher grinsend den Daumen nach oben reckt. Nicht nur der Gute-Laune-Poldi, der er derzeit in der Nationalelf ist: denn seine Rolle als erster offensiver Einwechselspieler hat seit der WM André Schürrle übernommen. Sondern mehr.
Lukas Podolski muss beweisen, dass es noch ein paar Jahre dauert, bis er regelmäßig in Talkshows zu Gast sein wird - und nur noch von der Vergangenheit erzählt.