Kandidat Grindel:Suche nach neuem DFB-Präsidenten: "Wir fühlen uns brüskiert"

Reinhard Grindel

Reinhard Grindel: Noch Schatzmeister, bald Präsident?

(Foto: AP)
  • Noch immer diskutiert der deutsche Fußball über einen Nachfolger von Wolfgang Niersbach.
  • Vor der DFB-Präsidiumssitzung an diesem Freitag wächst der Unmut der Profis über die Entscheidung der Amateure, CDU-Mann Reinhard Grindel als neuen Präsidenten vorzuschlagen.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Normalerweise kommt das Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in etwas größeren Abständen zusammen, aber derzeit ist halt nichts mehr normal im deutschen Fußball. An diesem Freitag trifft sich das Gremium bereits zum dritten Mal innerhalb eines Monats. In der ersten Runde nahm es den Beginn der WM-Affäre zur Kenntnis, in der zweiten trat Wolfgang Niersbachs vom DFB-Chefposten zurück. Und vor der dritten Zusammenkunft sprechen manche schon von einer "Zerreißprobe", die dem Fußball wegen der Suche nach einem neuen Präsidenten bevorstehe. Einer Zerreißprobe zwischen Amateuren und Profis.

Am Dienstag hatten die Amateurvertreter den Schatzmeister und CDU-Bundestagsabgeordneten Reinhard Grindel als Kandidaten für Niersbachs Nachfolge nominiert; die Wahl soll so schnell wie möglich stattfinden. Die Protagonisten des Profibetriebs geben sich seitdem erzürnt: mal hinter vorgehaltener Hand, mal öffentlich, mal in milderen, mal in deutlicheren Worten. Sie wollen erst eine Debatte über die WM-Affäre und veränderte Strukturen im Verband - und dann neues Personal.

Die Kritik spielt sich dabei auf zwei Ebenen ab. Vor allem monieren die Profivertreter das rasche Vorgehen der Amateure. Das "hat uns irritiert", sagte Harald Strutz, Präsident des FSV Mainz und als Vize des Ligaverbandes Mitglied im DFB-Präsidium. Noch klarer äußerte sich Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund. "Wir fühlen uns brüskiert. Für den gesamten Fußball ist das eine sehr unschöne Geschichte", sagte er dem kicker.

Und dann fügte er das an, was viele aus dem Profibetrieb denken: Am Ende des Tages werde "die Musik letztendlich in der Bundesliga" gespielt. Vereinzelt kommt zu der Verärgerung über den Ablauf aber auch Kritik am konkreten Kandidaten. "Ich weiß nicht, ob es richtig ist, auf Teufel komm raus eine Personalie durchzudrücken, die nicht das Vertrauen und die Rückendeckung des gesamten Fußballs hat", sagt zum Beispiel Bayer Leverkusens Verantwortlicher Michael Schade.

Nun ist die Frage, in welcher Form sich dieser Dissens an diesem Freitag auf der Präsidiumssitzung Bahn bricht. 15 Mitglieder hat das Gremium: acht Vertreter aus dem Amateurlager, vier aus der Liga, dazu kommen Generalsekretär Helmut Sandrock, Sportdirektor Hansi Flick sowie Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff. Manche Mitglieder erwarten, dass es zu heftigen Wortwechseln kommt.

Amateure geben sich gelassen

Vorstellbar ist allerdings auch, dass sich das Präsidium zwar umfangreich austauscht, dass es am Ende der Beratungen aber keine konkreten Beschlüsse gibt. Dass das Gremium also weder einen formalen gemeinsamen Vorschlag für einen neuen DFB-Präsidenten formuliert noch einen zeitnahen außerordentlichen Bundestag terminiert.

Im Amateurlager geben sie sich betont gelassen. Ein Gegenkandidat ist von der Liga bisher nicht nominiert worden - und es ist auch nicht zu erwarten, dass es dazu kommt. Alle wissen, dass die Amateure auf einem Bundestag über die Mehrheit verfügen. Dass es am Ende also einen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel gibt, ist trotz der Kritik weiter sehr wahrscheinlich.

Die Frage ist aber, in welche Struktur er eingebettet sein wird. Die Profis drängen auf Reformen, schon diverse Sportorganisationen haben sich für eine Konstruktion aus hauptamtlichem Vorstand und ehrenamtlichem Präsidium mit Aufsichtsfunktion entschieden. Auch die Amateure wollen Strukturfragen diskutieren, wie ihr Frontmann Rainer Koch, Vize- und Interimspräsident des DFB, am Dienstag nach der Nominierung Grindels erklärte.

Allerdings machen die Amateurvertreter die entstandenen Probleme zuvorderst nicht an den Strukturen fest, sondern am Fehlverhalten Einzelner. "Es wäre schon viel geholfen, wenn sich künftig alle an die Satzung halten", hatte der Jurist mit Blick auf die WM-Affäre trocken angemerkt - eine Zeit, als es just die jetzt geforderte Konstellation aus hauptamtlichem Vorstand und gut besetztem Aufsichtsrat gab.

Die Amateure wissen auch, dass eine Strukturreform und die Installierung eines Vorstands zu größeren Diskussionen mit der Basis führen könnten: etwa bei der Frage nach der Bezahlung. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der voriges Jahr eine Strukturreform beschloss, zahlt seinem Vorstandschef nach nicht dementierten Berichten mindestens 350 000 Euro.

Im Fußball mit seinen extremen Gehältern für Profis - aber auch für Trainer und Manager - dürfte es im Zweifelsfall deutlich mehr sein. Dabei ist der Posten von der finanziellen Seite her schon jetzt kaum mehr als klassisches Ehrenamt darzustellen. Gemäß der bisherigen Praxis steht dem DFB-Chef eine Aufwandsentschädigung von 70 000 bis 80 000 Euro jährlich zu, dazu kommt der übliche "Verdienstausfall", wie Koch zuletzt betonte.

Im Falle von Reinhard Grindel würde das bedeuten, dass der Noch-Parlamentarier, der sein Bundestagsmandat im Fall seiner Wahl zum DFB-Präsidenten abgeben möchte, auf rund 150 000 Euro kommen könnte.

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