Süddeutsche Zeitung

Möglicher Bayern-Zugang Benatia:In Rom ist es zu eng

Der FC Bayern scheint in Italiens Serie A Verstärkung gefunden zu haben: Kommen soll Mehdi Benatia, ein torgefährlicher Innenverteidiger. Dass für ihn eine satte Millionensumme fällig ist, liegt aber nicht nur an seiner Qualität.

Von Birgit Schönau, Rom

Mehdi Benatia will weg aus Rom. Je früher, desto besser, am liebsten nach München. Seit Tagen schon gibt es Gerüchte um den angeblichen Transfer des marokkanischen Nationalspielers und Innenverteidigers vom AS Rom zum FC Bayern, wo Verstärkung in der Abwehr spätestens nach dem Kreuzbandriss von Javier Martínez dringend gesucht wird. Am Wochenende meldeten italienische Medien bereits, allen voran die Gazzetta dello Sport, der Wechsel sei perfekt.

Die Bayern seien bereit, 30 Millionen Euro für den Spieler zu zahlen, Benatia, 27, müsse also nur noch die Koffer packen. Auf nichts anderes scheint der Marokkaner zu warten, schließlich hat er vor wenigen Tagen das Angebot des AS Rom, sein Jahresgehalt auf 2,5 Millionen Euro netto zu verdoppeln, rundheraus abgelehnt.

An den letzten Testspielen vor Saisonbeginn in Istanbul und Athen beteiligte sich Benatia auch nicht mehr, angeblich hatte die Klubleitung sogar Mühe, ihn zum Sommerfest mit den Fans überhaupt noch einmal ins römische Olympiastadion zu bewegen.

Der ewige Roma-Kapitän Totti schwärmt

Mit der Roma erreichte Benatia in der vergangenen Saison Platz zwei, ab September könnte er in der Champions League spielen. Keine schlechten Aussichten für einen, der erst im Vorjahr für 13,5 Millionen Euro vom Provinzklub Udinese (Jahressalär dort: 600 000 Euro) in die Hauptstadt umgezogen war.

Schnell eroberte Benatia seinen französischen Trainer Rudi Garcia und das römische Publikum. Der hünenhafte Verteidiger (191 cm, 88 kg) sicherte souverän die zuvor so fragile Abwehr, die unter seiner Federführung acht Spieltage lang kein Gegentor kassierte.

Die Konkurrenz rieb sich die Augen: Wie hatte man diesen Mann nur so lange übersehen können? Zweikampfstark, kopfballsicher, dazu ein perfekter Taktgeber für die alsbald gefürchteten römischen Konter. Fünf Treffer erzielte Benatia selbst für die Römer. Dass er jedes Tor feierte, indem er ausgiebig eine Maschinenpistolen-Salve in die Gegend streute, übersahen die Fans, auch Trainer Garcia sah keine Veranlassung, ihm das abzugewöhnen: Lasst ihn doch spielen ...

Mehdi Benatia wurde in Rom, wovon er einst als Einwanderer-Kind in Frankreich geträumt hatte - ein Star, gefeiert und umjubelt. Endlich konnte er sein Talent voll entfalten, die Teamkollegen schwärmten von ihm, allen voran der ewige Roma-Kapitän Francesco Totti, dessen Wort im Verein nicht nur deshalb Gesetz ist, weil der fast 38-jährige Spieler auch ein nicht unerhebliches Aktienpaket vom Klub besitzt. Alles schien also perfekt zu sein, doch als der Frühling kam, wollte Mehdi Benatia schon wieder weiter. Angeblich war ihm Rom zu eng geworden.

Eilfertig verbreiteten die römischen Hofgazetten die Kunde, aus dem Publikumsliebling sei eine undankbare Diva geworden. Denn die Roma tue alles, um Benatia zu halten, der Verein erklärt, der Spieler sei eigentlich bis 2018 absolut unverkäuflich. Doch dem Marokkaner sei der schönste Klub der Welt vollkommen schnuppe, er wolle partout nach London, zum FC Chelsea, hieß es. Rechtzeitig vor der WM hatte die Klubleitung also ihr Juwel für den Transfermarkt ins Schaufenster gestellt.

35 Millionen verlangte der AS Rom nun für einen nahezu unbekannten Verteidiger, der noch nie einen Titel gewonnen hat. Doch die Versteigerung kam nie richtig ins Rollen. Noch vor wenigen Tagen, als die Bayern ihr Interesse bekundeten, reiste Sportdirektor Walter Sabatini flugs nach England, um den Preis hoch zu treiben. Laut italienischen Medienberichten ohne Erfolg.

Würde aus dem Geschäft mit den Münchnern jetzt allen Andeutungen zum Trotz doch nichts werden, würde der AS Rom also schön in der Klemme stecken. Wie gut, dass man sich auf den FC Bayern eigentlich verlassen kann: Zuletzt hatten die Kollegen aus der nördlichsten Stadt Italiens den Römern 2010 die stürmende Leihgabe Luca Toni übergeben und freundlicherweise ein Großteil von Tonis exorbitantem Gehalt weiter gezahlt.

Am Sonntag war Mehdi Benatia zumindest für die italienische Ausgabe des Internet-Lexikons "Wikipedia" bereits in Luca Tonis Fußstapfen getreten. Benatia sei "un difensore del Bayern Monaco", ein Verteidiger des FC Bayern, hieß es bei Wikipedia Italia. Man wird ja bald sehen, ob und wohin Benatia auch in den übrigen 23 Wikipedia-Sprachversionen wechselt.

Der AS Rom machte übrigens ohne seinen Verteidiger beim Test in Griechenland keine gute Figur. Zwar besiegten die Römer am Samstag AEK Athen mit 2:1. Die Abwehr aber wurde bei dieser Vorstellung allgemein als "ballerina" eingestuft. In der Fußballersprache heißt das nicht tänzelnd, sondern zittrig.

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SZ vom 25.08.2014/jbe
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