Atlanta United:Aus der Regionalliga Bayern zum US-Champ

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"Ich glaube, dass ich damals nicht so weit gewesen bin": Julian Gressel (li.), früher Regionalligaspieler und College-Fußballer, im MLS-Finale. (Foto: Mark J. Rebilas/USA TODAY Sports)
  • Bei der Meisterfeier des US-Fußballklubs Atlanta United ist auch ein Deutscher dabei.
  • Julian Gressel ist der erste deutsche Sieger der MLS - er ist einen erstaunlichen Weg aus der Regionalliga gegangen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die Akteure der amerikanischen Fußball-Franchise Atlanta United waren dann doch ein bisschen verblüfft über den Laufweg ihres deutschen Kollegen Julian Gressel. Sie standen den taktischen Vorgaben der Profiliga MLS gemäß in einer geschlossenen Formation auf dem Spielfeld in der derzeit wohl prächtigsten Sportarena der Welt, doch Gressel, dieser Schlingel, stibitze den Pokal für die Meisterschaft und schlich sich einfach davon. Er flitzte über den Rasen seines Heimstadions, ganz allein, zu den Fans des erst vor zwei Jahren gegründeten Vereins, dann stellte er diese Trophäe ab, als Geschenk für Leute dieser Stadt, die seit mehr als 20 Jahren auf einen Titel in einer bedeutsamen Sportart warten mussten.

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Gressel, 24, ist der erste Deutsche, der diesen Titel gewinnen konnte. Es haben sich schon andere versucht, Lothar Matthäus bei den New York MetroStars, die mittlerweile Red Bulls heißen, Torsten Frings (Toronto FC), Arne Friedrich (Chicago Fire), Frank Rost (Red Bulls). Bastian Schweinsteiger wird es in der kommenden Spielzeit noch einmal mit Chicago probieren. Klangvolle Namen, die in der Nationalelf gespielt und in Europa Titel gewonnen haben - und dann gewinnt da einer den MLS Cup, dessen höchste Spielklasse in Deutschland die Regionalliga Bayern gewesen ist? Vielleicht musste es so kommen.

Vor 15 Jahren haben sie einen deutschen Fußballer noch milde belächelt, wenn er an eine amerikanische Uni gewechselt ist. Klar, gibt ein Stipendium, vielleicht sogar an einer Elite-Uni, kann man schon machen - aber fußballerisch wurde das Abenteuer als fragwürdig angesehen. "Ich wollte schon Profi werden, aber ich glaube, dass ich damals nicht so weit gewesen bin", sagt Gressel. Er stammt aus Neustadt an der Aisch, hat den Nachwuchs der SpVgg Greuther Fürth durchlaufen und danach beim FC Bamberg und TSV Neustadt/Aisch gespielt. Vor fünf Jahren ging er in die USA, an das Providence College: "Ich wusste, dass ich dort drei oder vier Jahre sein würde. Das hat den Druck ein bisschen genommen, ich bin schließlich schon immer ein Spätzünder gewesen."

"Ich glaube, dass ich damals nicht so weit gewesen bin": Julian Gressel (li.), früher Regionalligaspieler und College-Fußballer, im MLS-Finale. (Foto: Mark J. Rebilas/USA TODAY Sports)

Um zu verstehen, warum das nun bedeutsam ist, dass Gressel der erste deutsche Fußballer mit dem MLS-Pokal im Arm ist, sollte man die Geschichte dieser Fußballfranchise in Atlanta kennen. Nur der Baseballverein Braves (1914, 1957, 1995) hat bislang Titel gewonnen, in den Sportarten Eishockey (Thrashers, bis 2001) und Basketball (Hawks) hat es bislang noch nicht einmal für eine Finalteilnahme gereicht, die Falcons (Football) verloren den Super Bowl vor zwei Jahren auf dramatische Weise nach Verlängerung gegen die New England Patriots.

Falcons-Besitzer Arthur Blank wollte gerne zwei Franchises im neuen Stadion sehen, also bewarb er sich im Jahr 2013 um eine MLS-Lizenz, die ihm für die vergangenen Spielzeit genehmigt wurde. Seitdem bricht der Klub Zuschauerrekorde. Im Schnitt kommen mehr als 50 000 - mehr, zum Beispiel, als zum FC Liverpool oder Borussia Mönchengladbach.

Der Milliardär Blank, Gründer der Baumarktkette The Home Depot, gilt als zurückhaltender Vereinsbesitzer, dem allzu viel Stargehabe von Sportlern zuwider ist. Er wollte keinen Fußballzirkus haben und keine alternden Stars aus Europa wie etwa Zlatan Ibrahimovic (Los Angeles Galaxy), David Villa (New York City FC) oder Wayne Rooney (D.C. United) verpflichten, sondern lieber junge, hungrige Akteure, die sich für einen Vertrag in einer europäischen Liga empfehlen wollen. Die Wahl in der ersten Runde des Drafts 2017: Julian Gressel. Nachwuchsspieler des Jahres in der ersten Spielzeit von Atlanta United: Julian Gressel. Einer der Leistungsträger bei der Meisterschaft in diesem Jahr: Julian Gressel.

Es gibt bei Atlanta keinen, der mehr verdient als Mittelfeldspieler Miguel Almiron (1,9 Millionen Dollar), Gressel erreichte in dieser Saison gerade so einen sechsstelligen Betrag. Das dürfte sich nun womöglich ändern, sein Nachwuchs-Vertrag läuft zwar noch, er darf aber über einen neuen Kontrakt verhandeln. Die Gehaltsstruktur und der Verzicht auf Zugpferde aus Übersee verdeutlicht die Strategie des Vereins, die stilprägend sein sollte für die MLS, die noch immer als Alterswohnsitz der Stars belächelt wird.

Warum also, das ist der Ansatz von Atlanta United, nicht Ausbildungszentrum für die ganz großen Ligen sein, und quasi nebenbei den Titel in der MLS gewinnen? Der Paraguayer Almiron (Gressel: "Der Beste, mit dem ich jemals gespielt habe.") wird mit Vereinen in der spanischen Liga in Verbindung gebracht, der venezolanische Stürmer Josef Martinez, der beim 2:0 im Finale gegen die Portland Timbers einen Treffer erzielte und einen vorbereitete, hat angekündigt, trotz lukrativer Angebote lieber in der MLS bleiben zu wollen: "So lange Atlanta mich will, werde ich hier spielen."

Und genau das sollte ja das Ziel der MLS sein: Junge Spieler selbst ausbilden, und so attraktiv werden, dass die Besten bleiben wollen. Atlanta hat noch einen zweiten Deutschen im Kader: Kevin Kratz, 31, der bei Alemannia Aachen, Braunschweig und Sandhausen gespielt hat und nun beim Finale auf der Bank saß. Und Gressel? "Ich bin in Deutschland und mit der Bundesliga aufgewachsen - beim richtigen Angebot würde ich das schon gerne probieren", sagt er: "Man weiß nie, was in so einer Fußballkarriere alles passieren kann." Er selbst ist das beste Beispiel dafür.

© SZ vom 10.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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