MLB:Baseballer Lutz meistert die Kraft der Geduld

Donald Lutz

Sehnsucht nach Cincinnati: Donald Lutz (hier 2014 als Hospitant) will zurück zu den Reds.

(Foto: Paul Sancya/AP)
  • Donald Lutz weiß, wie das Geschäft im amerikanischen Baseball läuft. Er war der erste in Deutschland aufgewachsene Spieler, der sich in der besten Liga der Welt durchsetzte.
  • Seit er seine erste schwere Verletzung auskuriert hat, versucht der 27-Jährige, sich wieder für die oberste Spielklasse zu empfehlen.
  • Dass seine Mannschaft, die Cincinnati Reds, gerade einen Umbruch vollziehen, könnte zu seinem großen Vorteil werden.

Von Johannes Knuth

In seiner neuen Unterkunft hat sich der Baseballspieler Donald Lutz noch nicht vollständig eingerichtet. Erst vor Kurzem hatte er erfahren, dass ihn die Cincinnati Reds in die dritthöchste Profiliga versetzen, nach Pensacola/Florida, zu einem ihrer Ausbildungsteams. Lutz fuhr also nach Florida, telefonierte, suchte, fand aber nichts. Die Baseballspieler der unteren Ligen vereinbaren oft Mietverträge nur für einen Monat, denn die Klubs können sie fast jederzeit in die nächsthöhere (oder tiefere) Klasse schieben.

Mit einmonatigen Verträgen hatten die Vermieter in Pensacola aber so ihre Probleme. Lutz kam bei einem Teamkollegen unter, der bei einer Familie wohnt, die ein Gasthaus betreibt, "so richtig geregelt ist das alles noch nicht", sagt Lutz und lacht. Es ist sein neuntes Jahr im Unterbau seines Sports, er ist Experte für volatile Mietverhältnisse geworden. Und allzu lange will Lutz in seiner neuen Unterkunft ohnehin nicht bleiben.

Seit ein paar Tagen läuft in Amerika die neue Baseball-Spielzeit, in der Donald Lutz, 27, wieder umziehen könnte - irgendwann vielleicht auch zu den Reds nach Cincinnati, in die Major League Baseball, der besten Liga der Welt. Lutz hat schon einmal bei den Reds hospitiert, er absolvierte 62 Spiele zwischen 2013 und 2014. Er war der erste in Deutschland aufgewachsene Spieler, der sich in der MLB vorstellte, das war damals eine ziemlich große Sache.

Erst mit 14 Jahren widmet sich Lutz dem Baseball

Zum einen, weil der Weg in die MLB über Jahre durch stark besetzte Nachwuchsligen führt, selbst Hochbegabte verzweifeln oft an den Hindernissen. An Verletzungen. An Teamkollegen, die hoffen, dass ihre Mitspieler versagen, damit sie selbst der MLB näherkommen. Oder an nur rund 1000 Dollar Salär im Monat.

Zum anderen war Lutz' Bewerbung in den USA beachtlich, weil er sich erst mit 14 dem Baseball versprochen hatte, viel zu spät in diesem komplexen Sport. Er schaffte es dann trotzdem in die MLB (wo Max Kepler aus Berlin seit ein paar Tagen wieder bei den Minnesota Twins aushilft). Und wer einmal oben war, will natürlich wieder zurück, wieder "Gas geben", wie Lutz sagt. Was gar nicht so einfach ist, nachdem sein Sportlerleben so lange still stand.

Im vergangenen Mai riss bei Lutz eine Sehne im Ellenbogen. Es war seine erste schwere Verletzung. "Du siehst oft, dass Leute in der Reha irgendwann kein Gas mehr geben", erinnert er sich, weil sich in ihrer Karriere, in der es zuvor immer voranging, von einem auf den anderen Tag fast nichts mehr bewegt. Lutz hielt durch, auch weil sich drei Freunde zeitgleich verletzt hatten, "wir haben uns jeden Tag gepusht".

Lutz könnte vom "Rebuilding" profitieren

Doch als er sich erholt hatte, war die Saison in Amerika zu Ende. Also zog er nach Australien weiter, spielte für Deutschland bei der (missglückten) WM-Qualifikation in Mexiko und handelte zwischendurch einen neuen Vertrag bei den Reds aus. Lutz bezieht jetzt immerhin ein niedriges fünfstelliges Monatsgehalt, das ist viel für ihn und wenig für die Reds, die zuletzt gute Spieler gegen jüngere, billigere Kräfte tauschten.

"Rebuilding", heißt das im amerikanischen Sportsprech, frei übersetzt: absichtlich schlecht sein, um in ein paar Jahren wieder zu gewinnen. Lutz hätte sich besseren Teams anschließen können, er entschied sich bewusst fürs Mittelmaß. "Bei den Reds werden viele Leute eine Chance kriegen", sagt er.

Lutz wird sich erneut gegen besser eingestufte Talente behaupten müssen, aber er hat das stets mit Lerneifer wettgemacht. Vor jedem Spiel nimmt er sich bis heute vor, jene Leute im Stadion zu beeindrucken, die ihn zum ersten Mal sehen, ob Zuschauer oder Späher. Man spürt das bei jeder Aktion, wichtig oder unwichtig, er verliert nie die Körperspannung. Wobei er sein Repertoire zuletzt auch um die Kraft der Geduld erweitert hat.

Lutz lernt es, geduldig zu spielen

Schlagmänner wie Lutz müssen bis zu 160 km/h schnelle Bälle mit einem dünnen Holzschläger treffen. Alle Bewegungen des Schwungs müssen exakt ineinander fließen, wie bei einer Maschine, die man jahrelang entwickelt hat und doch ständig warten muss, damit sie präzise läuft. Früher hatte er auf alles geschwungen, auch auf Bälle, die gar nicht die Zone erreicht hätten. "Ich bin jetzt viel geduldiger und kann auf einen bestimmten Wurf warten, bei dem ich die beste Trefferchance habe", sagt Lutz. Seine Trainer hatten ihm das schon oft geraten. "Manchmal dauert es einfach, bis man selbst davon überzeugt ist", sagt Lutz. "Ich fühle mich jetzt richtig wohl im Spiel."

Die Chancen, wieder in der MLB anzudocken, stehen gar nicht schlecht. Sollten ihn die Reds wieder befördern, wollen sie ihn regelmäßig einsetzen, das haben sie ihm vor der Saison zugesichert. Lutz' erste Spiele in Pensacola waren zäh, er bewahrte die Ruhe, am Dienstag beschaffte er zwei Punkte zum 4:3-Erfolg. "Umso langsamer und bewusster du alles machst, desto einfacher wird es", sagt er. Er vertraut darauf, dass ihn diesmal die Langsamkeit nach oben spült. An einen möglichst festen Arbeitsplatz. Und dann wohl auch zu einer festen Bleibe.

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