Mitchell Weiser bei Hertha BSC:Pep-Verehrer mit Ambitionen

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Hat nur Komplimente für Pep Guardiola übrig, obwohl er beim FC Bayern unter dem Katalanen kaum zum Einsatz kam: Mitchell Weiser. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Wenn Hertha BSC Spieler wie Mitchell Weiser halten möchte, muss der Klub dauerhaft an europäischen Wettbewerben teilnehmen.
  • Weiser hat zwar bisher noch kein A-Länderspiel bestritten, doch Rechtsverteidiger sind rare Ware und Made in Germany ist auch im Fußball ein Qualitätslabel.
  • Seit Weiser sich vor einem Jahr zwei Muskelfaserrisse hintereinander zuzog, lebt er vegan und ist seitdem weder krank noch verletzt.

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Es ist sehr wahrscheinlich, dass Mitchell Weiser am Donnerstagabend in Bilbao wieder vor dieser Entscheidung steht. Dass er rechts hinten den Ball bekommt, was ja schon mal passieren kann als Rechtsverteidiger, und dass er dann den Kopf hebt und drüben in der anderen Hälfte den eigenen Rechtsaußen erkennt. Es gibt dann zwei Möglichkeiten: Wenn der eigene Rechtsaußen am Gegenspieler vorbeisprintet, dann kann Weiser ihn anspielen, steil die Linie entlang. Wenn der eigene Rechtsaußen aber im Schatten seines Gegenspielers stehen bleibt, dann kann er lange auf Weisers Pass warten. Den eigenen Mann auf dem Flügel anspielen, in den stehenden Fuß, mit dem Rücken zum Tor?

Nein, dieser Pass wird auf keinen Fall kommen, aus einem einfachen Grund: Pep Guardiola hat ihn verboten. "Wenn man bei der Beobachtung von Spielen mal auf solche Situationen achtet, dann merkt man, wie recht Pep hatte", sagt Weiser. "Nach diesem Pass folgt meistens ein Rückpass oder ein Foul."

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"Vieles von dem, was mich als Fußballer ausmacht, geht auf Pep zurück"

Weiser, 23, wird übrigens seit zweieinhalb Jahren nicht mehr von Guardiola trainiert, aber er kann das bis heute nicht: Dinge tun, die Pep nicht wollte. "Wer unter Pep trainiert hat, hat was fürs Fußballleben mitgenommen", sagt er, "wie er das Spiel sieht, das vergisst man nicht." Weiser sagt, es helfe ihm "bis heute, in jedem Spiel an Dinge zu denken, die Pep uns beigebracht hat". Bis heute, das heißt auch: bis zum Europa-League-Spiel mit Hertha BSC an diesem Donnerstag, auswärts in Bilbao.

Zwei Jahre hat Weiser beim FC Bayern unter Guardiola gespielt, oder eher: nicht gespielt. Erst in der Rückrunde der zweiten Saison hat Guardiola ihn häufiger eingesetzt, es waren die Monate, die Weisers Welt- und Selbstbild bis heute prägen. "Vieles von dem, was mich als Fußballer ausmacht, geht noch auf Pep zurück", sagt er. Und das, was ihn als Fußballer ausmacht, darf er in dieser Saison immerhin wieder da zeigen, wo er sich als Guardiola-Verehrer auf jeden Fall sieht: im internationalen Fußball. Wenn auch einstweilen in der Europa League, dem etwas blässlichen Stiefbruder der Champions League.

Die Hertha ist nicht sehr sexy gerade, Vierter mit nur vier Punkten sind die Berliner in ihrer Vorrundengruppe J, hinter Östersund (7), Luhansk (6) und Bilbao (5). "Fast ein K.-o.-Spiel" sei das, sagt Herthas Trainer Pal Dardai vor der Partie in Bilbao, Verlieren sei verboten, "sonst war's das".

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Für Hertha, den Hauptstadtklub, wäre ein Vorrunden-Aus ein kleines Problem. Ein größeres Problem wäre es für Weiser, der im Namen des Pep immer nach dem perfekten Pass strebt. "Das war ja immer mein Ziel: international spielen", sagt er, "und jetzt will ich das immer haben, dieses hohe Pensum, diese große Bühne."

Aus Weisers Sätzen lässt sich heraushören, was für Hertha gerade auf dem Spiel steht: Die ambitionierten jungen Spieler wie Weiser, wie Niklas Stark oder Marvin Plattenhardt würden ihre Talente auf Sicht gesehen gerne in den größeren Theatern ausstellen, sie wollen nicht Vierzehnter der Bundesliga sein. Und sie dürfen darauf vertrauen, dass sich das moderne Scouting längst von den Tagesaktualitäten emanzipiert hat. Mitchell Weiser etwa spielt zurzeit nicht zwingend so, dass man ihn bei einem ehemaligen, aktuellen oder künftigen Guardiola-Klub vermuten müsste, dennoch wird sein Weg von allen deutschen Topklubs ebenso aufmerksam verfolgt wie von Klubs in England oder Italien. Weiser hat sich ja eine praktische Position ausgesucht, um Karriere zu machen: Versierte Rechtsverteidiger sind eine rare Ware.

Wenn Weisers Entwicklung so weitergehe und Hertha nicht "dauerhafter Teilnehmer" in Europa sei, würden sich "die Wege irgendwann wahrscheinlich trennen", hat Herthas Manager Michael Preetz schon vor Wochen gesagt. Man freue sich, "dass Mitch diese Saison noch bleibt, er hätte ja im Sommer schon gehen können". Im Sommer galt eine Ausstiegsklausel von 15 Millionen Euro, das ist für einen Rechtsverteidiger auf diesem irren Markt so billig, dass man es fast nicht annehmen kann.

Jenseits der Hauptstadt und ihres Klubs belegt der Fall Weiser aber auch, welches Ansehen das Label Made in Germany inzwischen genießt. Weiser hat noch kein A-Länderspiel bestritten, und doch geht der Markt wie selbstverständlich davon aus, dass es sich hier um eines dieser exquisit ausgebildeten deutschen Toptalente handelt. Und jener Teil des Marktes, der davon noch nichts mitbekommen hatte, hat diesen Weiser im Sommer mal schnell kennenlernen dürfen, bei der U 21-EM in Polen, die die deutsche Elf selbstverständlich gewann, mit 1:0 im Endspiel gegen Spanien. Finaltorschütze: Mitchell Weiser.

Tatsächlich steht ausgerechnet Weiser inzwischen stellvertretend für die auf dem Markt so geschätzte Wissbegierde und Strebsamkeit der aktuellen DFB-Talente-Generation. Mit enormem Schmunzeln erinnert er sich heute an jenes Tanga-Selfie, das er einst mit dem Kumpel David Alaba ins Netz stellte, es hat ihm vorübergehend ein kleines Leichtfuß-Image beschert.

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"Als junger Kerl baut man mal Mist", sagt er, aber mit 23 fühlt er sich im Talentboomland mitunter schon wie ein ernsthafter älterer Herr, der anfängt, in seinen Körper hineinzuhören. Vorigen Winter hatte er zwei Muskelfaserrisse hintereinander, er war bei vielen Ärzten, blieb aber anfällig, "ich hatte das Gefühl, nichts hilft wirklich". Er hat dann angefangen, per Selbstdiagnose auf Zucker und Fleisch zu verzichten, inzwischen lebt er vegan. "Ich regeneriere jetzt viel schneller", sagt er, "ich habe seitdem keinen einzigen Krampf mehr bekommen, ich war keinen Tag mehr krank."

Mitchell Weiser kann in der eigenen Familie sehen, wie sich der Fußball modernisiert hat. Sein Vater, der ehemalige Erstligaprofi Patrick Weiser, hat das anfangs nicht verstanden mit dieser komischen Ernährung da, auch im Klub des Genussmenschen Pal Dardai hat er seine Wünsche erst mal durchkämpfen müssen. "Natürlich kriegt man auch mal blöde Kommentare, das nervt anfangs ein bisschen", sagt Weiser, aber inzwischen bekommt er Mandelmilch und Avocados zum Frühstück und nach dem Spiel glutenfreie Pasta. "Im Internet habe ich gerade gelesen, dass viele NBA-Spieler auch vegan leben, und das zeigt mir, dass so etwas auch im Sport künftig mehr akzeptiert werden wird."

Eine gute Idee wäre es in diesem Zusammenhang übrigens, sich mal für die A-Nationalmannschaft nominieren zu lassen. Da sind sie bei solchen Themen ausgesprochen aufgeschlossen.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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