Süddeutsche Zeitung

Missbrauchvorwürfe in Österreich:Kahr zieht Klage gegen die Süddeutsche Zeitung zurück

  • Die österreichische Trainer-Ikone Karl "Charly" Kahr verzichtet auf ein Gerichtsverfahren gegen die Süddeutsche Zeitung. Das gab sein Anwalt am Samstagabend bekannt.
  • Die SZ hatte im Februar 2018 über Missbrauchsvorwürfe gegen Kahr berichtet. Kahr bestreitet jedes Fehlverhalten.
  • Am Wochenende verlor Kahr einen Prozess gegen eine Ex-Skirennläuferin und deren Mann. Kahr hatte beide wegen übler Nachrede angeklagt.

Von Claudio Catuogno

Nach den Freisprüchen für eine Vorarlberger Ex-Skirennläuferin und deren Ehemann, die gegen Österreichs Trainer-Ikone Karl "Charly" Kahr, 86, in privaten Whatsapp-Nachrichten Missbrauchsvorwürfe erhoben hatten und deshalb von ihm wegen übler Nachrede verklagt worden waren, hat Kahr eine weitere von ihm angestrengte Klage zurückgenommen. Das Verfahren gegen die Süddeutsche Zeitung will er nicht weiter verfolgen; eigentlich hätte dieses am 24. Januar in Wien fortgesetzt werden sollen.

Die SZ hatte im Februar 2018 erstmals über das Thema berichtet und sich dabei auf zwei ehemalige Weltcup-Skirennläuferinnen berufen: Eine hatte Kahr vorgeworfen, sie 16-jährig vergewaltigt zu haben, eine weitere hatte von zwei Missbrauchsversuchen berichtet. Kahr bestritt jedes Fehlverhalten - und klagte. Nun will Kahrs Anwalt Manfred Ainedter die Klage zurückziehen, gab er am Samstagabend bekannt.

"Nachdem sämtliche strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn von der Staatsanwaltschaft Leoben rechtskräftig eingestellt worden sind, verzichtet Charly Kahr mit Rücksicht auf seine Familie, sein hohes Alter und seine angeschlagene Gesundheit unter Aufrechterhaltung seines Rechtsstandpunktes auf die Weiterführung des Verfahrens gegen die Süddeutsche, erläuterte Ainedter.

Zuvor hatte Kahr am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Bludenz eine Schlappe erlitten. Die Vorarlberger Ex-Skirennläuferin wurde freigesprochen, weil ihre Whatsapp-Nachricht an die Olympiasiegerin Annemarie Moser-Pröll, in der sie Kahr deren "Entjungferer" genannt hatte, nach Ansicht des Gerichts nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Damit sei es gar nicht möglich, dass Kahrs Ansehen bei Moser-Pröll durch die Mitteilung herabgesetzt wurde - denn Moser-Pröll, Österreichs "Jahrhundertsportlerin", wisse ja selbst ganz genau, ob sie einst von Kahr entjungfert worden sei oder nicht. Sowohl Kahr als auch Moser-Pröll bestritten das entschieden. Der Ehemann der Ex-Sportlerin hatte Moser-Pröll auch eine Whatsapp-Nachricht zukommen lassen mit dem Vorwurf, Kahr hätte zusammen mit Toni Sailer, einer weiteren Ski-Ikone des Landes, "viele Mädchen missbraucht und gebrochen". Ihm wurde vom Gericht zugebilligt, diese gutgläubig abgeschickt zu haben. Mehrere Zeugen hatten im Prozess von einem Klima sexualisierter Gewalt im Skisport der 1960er- und 1970er-Jahre berichtet.

"Es ist schade, dass es nicht möglich war, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen", bedauerte Kahr in einer Stellungnahme. Das Bludenzer Gericht habe Beweisanträge seines Verteidigers Ainedter abgewiesen, die geeignet gewesen wären, die gegen ihn erhobene Anschuldigung zu widerlegen. Ainedter kündigte Berufung an. Das in Bludenz ergangene Urteil ist damit noch nicht rechtskräftig.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4286018
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.01.2019/schm
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.