Miroslav Klose:"Das Schlimmste waren diese Lügengeschichten"

Nationalstürmer Miroslav Klose über seine Torflaute, eine angebliche Familienkrise und den möglichen Wechsel zum FC Bayern München.

Philipp Selldorf und Ralf Wiegand

SZ: Herr Klose, haben Sie seit Samstag Elfmeter trainiert?

Miroslav Klose

Trotz sportlicher Krise in der Nationalmannschaft gesetzt: Miroslav Klose.

(Foto: Foto: AP)

Klose: Nein, wieso?

SZ: Weil Sie Ihren Verzicht auf ein mögliches Elfmetertor gegen San Marino, das Ihrer zuletzt mageren Bilanz ja gut getan hätte, damit begründeten, Sie könnten gar keine Elfmeter schießen.

Klose: Ich habe das nur gesagt, weil ich ja sowieso eine schlechte Elfmeterquote habe, fünf von zehn oder so. Man kann entweder vom Punkt schießen oder nicht. Deswegen war das so abgemacht: entweder Schnicks oder Lutscher (Schneider oder Frings, d. Red.).

SZ: Man stellt sich das so leicht vor bei einem Stürmer in der Krise: Zur Not ist mit einem Elfmetertor alles wieder gut.

Klose: Sogar wenn ich zwei Tore geschossen hätte, hätte es geheißen: Klar, ist ja nur San Marino. Für mich war wichtig, wieder einmal 90 Minuten zu brummen, mal wieder verletzungsfrei zu spielen und nicht nur bei Klaus Eder (Physiotherapeut, d. Red.) auf der Massagebank zu liegen mit den ganzen Wehwehchen, die ich hatte. Mir war es wichtig, dass ich wieder in einem körperlich guten Zustand bin und wieder laufen kann. Ein Tor hätte mir gut getan, klar - aber jetzt werde ich eben versuchen, mir am Mittwoch mein Erfolgserlebnis zu holen.

SZ: Scheint so, als wären Sie pünktlich zum Saisonende wieder fit.

Klose: Genauso sieht es aus. Mit der bakteriellen Infektion, die ich hatte - so etwas habe ich noch nie erlebt. Zuhause konnte ich vier Treppen hochgehen, dann musste ich mich setzen und war fix und fertig. Beim Spielen mit meinen Kindern konnte ich zwei Spielzeugautos aufheben und war fertig. So weit körperlich am Ende, so etwas gibt es doch gar nicht! Ich habe zwar jetzt auch schon zwei Jahre ohne Pause durchgespielt, aber in diesem halben Jahr nach der Winterpause habe ich mich absolut nicht in dem körperlichen Zustand befunden, den ich für mein Spiel brauche.

SZ: Sie hätten es vielleicht langsamer angehen lassen müssen nach der WM.

Klose: Es war für mich aber wichtig, nach der WM gleich wieder in Fahrt zu kommen. Deswegen gab es im Urlaub vielleicht vier Tage, an denen ich nichts gemacht habe. Das ist die Erfahrung von 2002: Ich weiß, wenn ich mich hängen lasse, laufe ich von Anfang an dem Zug hinterher. Und deswegen habe ich gesagt: Du darfst dich nicht hängen lassen.

SZ: Woher kam die Infektion? Man hat darüber kaum etwas erfahren.

Klose: Weiß ich bis heute nicht. Nach jedem Spiel hatte ich auf einmal hohes Fieber, Schüttelfrost, und zwei Tage später war es wieder weg. Letztlich ist es von alleine weggegangen.

SZ: In der aktuellen Diskussion um Ihr Leistungstief spielt das kaum eine Rolle.

Klose: Das ist jetzt ja auch schon länger her, Mitte der Rückrunde.

SZ: Aber so etwas schüttelt man ja nicht einfach ab. In der vorletzten Saison hatten Sie, weil Sie beim Confed-Cup gefehlt hatten, eine lange Pause, eine Topvorbereitung, blieben gesund und schossen 25 Tore in der Liga und fünf bei der WM. Nun dieses Kontrastprogramm. Hätten Sie nicht eine Pause verlangen sollen in ihrem Verein Werder Bremen?

Klose: Also erstens habe ich alles versucht, um wieder gesund zu werden. Wir haben alle Maßnahmen getroffen, kleines Blutbild, großes Blutbild. Ich bin so ein Typ, der gesagt hat: Ich stehe dazu und versuche der Mannschaft zu helfen, ob Nationalmannschaft oder in der Bundesliga. Der Trainer wollte auch immer, dass sich spiele. Ich habe gesagt: Kein Thema, aber ich bin nicht auf Top-Niveau. Das weiß er ja, das hat er auch gesehen. Aber er weiß auch, dass die Mannschaften sich schon fürchten, wenn ich nur auf dem Platz stehe. Aber letztlich habe ich absolut nicht die Leistung gebracht, die ich mir vorstelle und bin dem Zug bis heute hinterher gelaufen.

"Das Schlimmste waren diese Lügengeschichten"

SZ: Und Thomas Schaaf, Ihr Trainer bei Werder, ist das Risiko eingegangen.

Kevin Kuranyi Miroslav Klose

Kevin Kuranyi traf gegen San Marino und versuchte nach dem Spiel, Klose aufzubauen.

(Foto: Foto: AP)

Klose: Absolut.

SZ: Gab es von Ihnen kein Signal, sich lieber mal auszukurieren?

Klose: Es hat ja auch was Gutes, dass der Trainer immer hinter mir stand und mich hat spielen lassen. Die Zeit, als ich so lange nicht getroffen habe, das war ja genau diese Phase. Jetzt würde ich sagen: Trainer, ich fühle mich nicht gut, lass' mich einfach raus. Ich mach' mal drei, vier Wochen Pause, um mich zu erholen.

SZ: Ist es eine Selbstverständlichkeit für Sie, dass Bundestrainer Joachim Löw sich so früh auf Ihren Einsatz gegen die Slowakei festgelegt hat?

Klose: Eine Selbstverständlichkeit nicht. Wir haben viele Gespräche geführt, er weiß genau, was ich kann und steht hinter mir. Aber ich weiß auch, was ich kann. Wenn ich fit auf dem Platz stehe, weiß ich: Egal, welcher Verein es auf der Welt ist, ich spiele immer. Das ist nun mal Fakt.

SZ: Damals, 2002, als Sie nach der WM einen kleinen Absturz hinlegten, hatten Sie diese Sicherheit noch nicht?

Klose: Damals war es eher so, dass ich dachte, ich bin der Allergrößte. Ich hab' mich einfach hängen lassen, im Stuhl zurückgelehnt, den Urlaub genossen. Dann fährt der Zug ganz schnell ohne einen ab. Jetzt habe ich oft genug bewiesen, was ich kann. Ob man Völler, Klinsmann, Bierhoff oder andere Topstürmer nimmt, die hatten alle so eine Zeit. Letztlich sind alle wieder aus dem Loch herausgekommen - mit einem Erfolgserlebnis. Natürlich gilt das für mich auch.

SZ: Was braucht Miroslav Klose, damit er sich wirklich wohl fühlt und die beste Leistung bringen kann?

Klose: Selbstvertrauen. Jeder Stürmer braucht Selbstvertrauen, und je länger er nicht trifft, um soweniger hat er.

SZ: Das ist das Grundsätzliche, klar, aber was brauchen Sie im Besonderen?

Klose: Ich muss mich körperlich wohlfühlen. Wenn der Rücken zwickt oder die Adduktoren, wenn ich nicht mit dem Schwung schießen kann, wie ich mir das wünsche, dann ist das schlecht für mich. Aber ich suche nicht nach Ausreden. Ich habe in dieser Saison nur wenige Spiele im besten körperlichen Zustand gespielt, aber als Stürmer hat man sowieso immer was.

SZ: Über Ihre Beschwerden haben Sie selten gesprochen. Wäre es nicht besser gewesen, die Öffentlichkeit und Ihre Mitspieler darüber mehr zu informieren?

Klose: Ach, die Virusgeschichte liegt ja eine ganze Weile zurück. Jetzt fühle ich mich ja schon viel besser, die Phase mit dem Schüttelfrost ist vorbei. Meine Mitspieler wissen, was ich kann und was ich geleistet habe. Der Trainer und die Mannschaft, die stehen voll hinter mir, und das ist ein schönes Gefühl.

"Das Schlimmste waren diese Lügengeschichten"

Miroslav Klose

Kein Durchkommen: viermal San Marino, einmal Klose.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Aus den Äußerungen Ihrer Sturmkollegen Kuranyi und Gomez klingt in der Tat eine Menge Respekt. Aber die Kritik, die Torsten Frings vor dem San-Marino-Spiel an Ihren Kontakten zum FC Bayern geübt hat, ging deutlich über das hinaus, was man üblicherweise über seinen Vereinskollegen erzählt, bis hin zu der Bemerkung: ,,Ich habe nicht das Gefühl, dass er bei Werder bleiben will. Wenn das so ist, dann soll er halt gehen.'' Wie haben Sie das empfunden?

Klose: Ich habe es einfach so gesehen, dass jeder frei seine Meinung äußern kann. Das kann ich nicht verhindern. Für mich war es so, dass ich zu seiner ganzen Juventus-Turin-Geschichte nichts gesagt habe. Weil ich der Meinung war: Es ist nun mal sein Ding. Dazu brauche ich mich nicht zu äußern - weil es seine Entscheidung ist, ob er geht oder bleibt. Was er über mich sagt, das kann ich nicht steuern, und wenn ich ehrlich bin: Es ist mir auch total egal.

SZ: Sie haben sich nicht zusammengesetzt und die Sache beredet?

Klose: Wer Torsten kennt, der weiß: Wenn der Wind aus dieser Richtung kommt, dann äußert er sich so, und wenn er von der anderen Richtung kommt, dann ist es genau das Gegenteil. Das kann sich täglich und stündlich ändern. Ich kenn ja Torsten lang genug.

SZ: Per Mertesacker, ein anderer Mitspieler in Bremen, hat gesagt: ,,Sollte Miro noch ein Jahr bleiben, dann wird er sicher extrem beäugt werden.'' Ist Ihnen das auch bewusst?

Klose: Natürlich.

SZ: Wie gehen Sie damit um, mit dieser Aussicht?

Klose: Habe ich überhaupt kein Problem mit. Mein Vertrag läuft bis 2008. Was letztlendlich passiert, das weiß man im Fußball nie.

SZ: Wie waren die letzten Wochen in Bremen für Sie? Aus der Ferne betrachtet, sah es nicht gut aus, und die Reaktionen in der Werder- Anhängerschaft hörten sich nach viel Wut und Ärger an. Haben Sie das im Alltag auch so erfahren?

Klose: Ja.

SZ: Gibt es da Beispiele?

Klose: Gibt's genügend, Beschimpfungen und alles mögliche sonst. Aber die Rivalität der Fans von Bayern und Werder ist halt auch groß. Es sind nun mal zwei Vereine, die Erster sein wollen. Das war schon sehr unangenehm, aber letzten Endes bin ich Profi und muss da durch.

SZ: Können Sie ausschließen, dass die Reaktion des Publikums Ihre Leistung am Saisonende negativ beeinflusst hat?

Klose: Ja, das kann ich ausschließen.

SZ: Davon kann man sich freimachen?

Klose: Kann ich. Wenn die Kritiken in der Presse positiv sind, dann freue ich mich natürlich, aber ich lasse das nicht so nah an mich ran. Genauso ist es umgekehrt. Ich weiß: Wenn ich nach Hause komme, die Tür hinter mir zufällt, dann bin ich wieder ganz allein der Familienvater. Das ist für mich das Entscheidende.

"Das Schlimmste waren diese Lügengeschichten"

Miroslav Klose

Zum Verzweifeln. An San Marinos Torhüter Aldo Simoncini war für Miroslav Klose am Samstag kein Vorbeikommen.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Die Pressekritiken sind für einen Profi sicher nicht so wichtig. Aber der Liebesentzug des Publikums muss einem Fußballer doch wehtun?

Klose: Das Schlimmste waren die Lügengeschichten, die über mich und mein Privatleben in die Welt gesetzt wurden, diese Schmutzkampagne. Was da auf mich, meine Familie und mein Umfeld eingeprasselt ist: das Gerede darüber, dass meine Frau schwanger wäre von einem Mitspieler und all das Zeug. Ich stehe über diesen Dingen. Aber ich will das auch mal betonen: Ich bin mit meiner Familie sehr, sehr glücklich. Ich liebe meine Frau und meine Kinder über alles, ich bin ein glücklicher Vater.

SZ: Wissen Sie, wie es zu den Gerüchten gekommen ist?

Klose: Ich glaube zu wissen, wer mir einen Seitenhieb verpassen will. Dazu werde ich zur gegebenen Zeit noch die passende Retourkutsche setzen.

SZ: In den letzten Wochen hätte allerdings auch von Ihrer Seite manches besser laufen können. Jeder weiß, dass da mit dem FC Bayern nach wie vor etwas im Gange ist, aber Sie können oder wollen die Sache nicht aufklären. Dafür sprechen alle anderen über Sie. Es sind viele Menschen von Ihnen enttäuscht.

Klose: Sie müssen verstehen: Mir ist es nicht wichtig, was über mich gesprochen wird oder was öffentlich passiert. Solche Dinge regelt man intern, das habe ich gemacht. Ich bin rein ins Büro, habe Klaus Allofs (Bremens Manager, d. Red.) und allen Verantwortlichen meine Vorstellungen unterbreitet. Es ist mir wichtig, dass die Leute, die es betrifft, Bescheid wissen. Ich habe mich nicht verändert, auch nicht vom Charakter her. Ich bin ehrlich, sage meine Meinung. Was ich versäumt habe, ist die Bremer vorab von dem Treffen mit den Bayern zu informieren.

SZ: Klaus Allofs weiß also Bescheid, Thomas Schaaf auch?

Klose: Die wichtigen Leute wissen Bescheid - aber glauben Sie mir, nicht alle Spieler, das bestimmt nicht.

SZ: Wäre es nicht einfacher, jetzt klar zu sagen: Dieses letzte Jahr hilft weder Werder noch mir, lasst uns den Wechsel zu Bayern München jetzt machen?

Klose: Ich kann nicht mehr sagen, als dass ich bis 2008 Vertrag habe. Fakt ist, dass ich im letzten halben Jahr nicht umgesetzt habe, was ich kann. Ich bin nicht zufrieden, genauso ist es der Verein nicht. Wir haben die Ziele, die wir uns gesteckt haben, nicht erreicht, und ich habe dazu meinen Teil beigetragen.

SZ: Dann trennt man sich, so lange man noch gut miteinander umgeht.

Klose: Ich kann jetzt nicht sagen, dass unser Verhältnis gestört ist.

SZ: Aber wenn Sie blieben, wären das wirklich optimale Bedingungen?

Klose: Das ist noch so weit weg. Gehe ich und es läuft gut, sagt man, es hat sich gelohnt. Bleibe ich und schieße im ersten Spiel zwei Tore, ist es auch gut.

SZ: Klingt alles in allem, als wäre die Situation so: Meine Dinge habe ich geregelt, es liegt an den Vereinen.

Klose: Absolut.

SZ: Ist die Offenheit auch im Verein so angekommen?

Klose: Ich habe mich so geäußert, wie es meiner Gefühlswelt entsprach.

SZ: Und Sie fühlen sich gut beraten?

Klose: Was meinen Berater angeht: Wir arbeiten seit fünf Jahren erfolgreich und vertrauensvoll zusammen. Und das werden wir auch weiterhin tun. Er berät mich, aber ich habe meine eigene Meinung. Ich entscheide.

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