Millionenzahlung:DFB-Affäre: Konkrete Spur zu Bin Hammam

World Cup 2014 - Beckenbauer und Mohamed bin Hammam

Franz Beckenbauer (r.), damals Chef des Bewerbungskomitees für die WM 2006, und Mohamed bin Hammam, Fifa-Exekutivkomitee-Mitglied, im Juli 2000 in Doha.

(Foto: Karim Jaafar/dpa)
  • Horst R. Schmidt kannte das Innenleben des DFB einst wie kaum ein anderer.
  • Nun ist ein Schriftstück mit seiner Handschrift aufgetaucht, in dem Zusatzvereinbarungen mit der Fifa festgehalten sind.
  • Als zuständiger Fifa-Funktionär für dieses Geschäft ist in dem Vermerk Mohamed bin Hammam genannt.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott, Frankfurt

Erst kamen die Anwälte, dann die Staatsanwälte. Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) in Frankfurt werden in diesen Tagen und Wochen alle Akten gefilzt, die Aufschluss geben könnten über die Millionen-Schieberei vor der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Anwälte der Kanzlei Freshfields untersuchen den Fall im Auftrag des DFB, inzwischen kümmern sich auch Frankfurter Staatsanwälte um die wohl größte Affäre in der Geschichte des größten Sportverbandes der Welt.

Die Ermittler haben bereits bemerkenswerte Funde gemacht. Darunter ein Schriftstück aus dem Jahr 2003, das von Horst R. Schmidt stammen soll. Der langjährige DFB-Funktionär, der das Innenleben des Verbandes kannte wie kaum ein anderer, war damals einer der Vizechefs des von Franz Beckenbauer geleiteten Organisationskomitees (OK) der WM.

Bei dem Vermerk handelt es sich um eine handschriftliche Notiz, in der Schmidt offenbar stichpunktartig festhielt, was er im Jahr 2003 bei einem Treffen mit einigen OK-Kollegen im kleinen Kreis besprochen hatte. Neben anderen Details ist darin auch eine Zusatzvereinbarung mit dem Weltverband Fifa aus dem Jahr 2002 erwähnt, in Höhe von zehn Millionen Schweizer Franken (beim ominösen Rücktransfer im Jahr 2005 waren das dann mit Zinsen 6,7 Millionen Euro). Als zuständiger Fifa-Funktionär für dieses Geschäft ist in dem Vermerk Mohamed bin Hammam genannt, ein Unternehmer aus Katar. Er war viele Jahre Mitglied im Fifa-Exekutivkomitee, als ein Vertreter Asiens. 2012 wurde er von der Ethik-Kommission der Fifa für jegliche Tätigkeit im Fußball gesperrt; wegen erdrückender Beweise für Korruption.

Bin Hammam war lange eine Schlüsselfigur im Weltfußball

Bin Hammam also soll sich bei der Fifa um die angebliche Millionengabe der Deutschen gekümmert haben. Um jene zehn Millionen Schweizer Franken, die 2002 laut Beckenbauer, Schmidt und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach vom Weltverband ultimativ gefordert und schließlich auch gezahlt worden seien, als Voraussetzung für einen Zuschuss der Fifa in Höhe von 250 Millionen Franken (170 Millionen Euro) für die WM 2006. Dass Bin Hammam mit der Sache zu tun haben könnte, war schon vor zwei Wochen gemutmaßt worden, kurz nach Beginn der Affäre, die den DFB schwer beschädigt und Präsident Niersbach sein Amt kosten könnte. Doch dann erwiesen sich erste Hinweise auf den einst mächtigen Fifa-Funktionär aus Katar als nicht sonderlich handfest. Viel Gerede, wenig Konkretes. Jetzt gibt es eine neue Spur, die in den Orient führt, zum ersten Mal eine schriftlich dokumentierte Spur: jenen Vermerk von Horst R. Schmidt über die OK-Besprechung im Jahr 2003.

Bin Hammam war als Chef des asiatischen Verbandes AFC und Mitglied der Fifa-Exekutive lange eine Schlüsselfigur im Weltfußball gewesen. Er gehörte zu den Gefolgsleuten von Fifa-Boss Sepp Blatter und half ihm bei mehreren Wahlen, wollte dann aber vor wenigen Jahren selbst Präsident werden. Dabei soll Bin Hammam in der Karibik Stimmen für seine Kandidatur gekauft haben. Er verließ unter Unschuldsbeteuerungen die Fußballbühne, auf der er so lange in vorderster Reihe gestanden hatte. Auch als Mitglied der Fifa-Finanzkommission.

Bin Hammam war enger Vertrauter von Blatter

Die war nach Darstellung des DFB mit im Spiel, als 2002 die heimliche Zahlung der zehn Millionen Schweizer Franken an den Weltverband besprochen worden sei. Vorgestreckt haben soll den Deutschen das Geld der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus, der es später dann laut DFB vom OK zurückbekam. Umgerechnet 6,7 Millionen Euro, transferiert über den Umweg Fifa und getarnt als Zuschuss für das Kulturprogramm der WM. Die ganze Heimlichtuerei hat Spekulationen ausgelöst, die zehn Millionen Franken seien nachträgliches Schmiergeld dafür gewesen, dass Deutschland im Jahr 2000 den Zuschlag für die WM 2006 bekam. Beckenbauer, Niersbach und der DFB streiten das ab.

In DFB-Kreisen wird stattdessen gemutmaßt, mit dem Geld sei bei der Fifa eine schwarze Kasse gefüllt worden, aus der sich dann Fifa-Chef Sepp Blatter und dessen Leute bedient hätten. Beispielsweise, um Blatters Wiederwahl als Präsident des Weltverbandes im Jahr 2002 zu sichern. In dem Jahr also, in dem die zehn Millionen Franken geflossen seien. Zu dieser Theorie passe, heißt es in DFB-Kreisen, dass Bin Hammam dem handschriftlichen Vermerk von Horst R. Schmidt zufolge bei der Fifa für dieses Thema zuständig gewesen sei. Der Mann aus Katar war 2002 noch einer der engsten Vertrauten Blatters. Dass Blatter und die Fifa den ganzen Vorgang und den Eingang der zehn Millionen abstreiten, wird in DFB-Kreisen als logisch bezeichnet. Eine schwarze Kasse könne man ja nicht zugegeben.

Was richtig ist und was falsch, werden vielleicht die Ermittlungen zeigen. Nach Ansicht von Juristen, die den Fall gut kennen, muss die Frankfurter Staatsanwaltschaft alles aufklären; auch den angeblichen Geldfluss im Jahr 2002 von Dreyfus im Auftrag des deutschen WM-OK in irgendwelche Fifa-Kanäle. Notfalls seien Rechtshilfeersuchen ins Ausland nötig. Wenn die DFB-Version stimme und die zehn Millionen Franken in Fifa-Sphären gegangen seien, um 250 Millionen WM-Zuschuss zu sichern, dann wäre juristisch alles okay, glaubt mancher Jurist.

Dann hätte der DFB die Rückzahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro an Dreyfus zwar falsch betitelt, aber zu Recht als Betriebsausgabe beim Fiskus angegeben. Dann läge keine Steuerhinterziehung durch Niersbach, Schmidt und deren früheren OK-Mitstreiter und heutigen Gegner Theo Zwanziger vor. Was von dieser Version zu halten ist, muss sich aber erst noch zeigen.

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