Millionen-Transfer:Nicht mit jeder Faser

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Und wieder geht's ums Geld: Nach dem Wechsel von Julian Draxler vom VfL Wolfsburg nach Paris zieht nicht nur Liverpools Trainer Jürgen Klopp den Wettkampfcharakter des deutschen Nationalspielers in Zweifel.

Die Tinte unter seinem neuen Vertrag mit Paris St. Germain war kaum getrocknet, da dürfte Julian Draxler sein Imageproblem klar geworden sein. Während der Weltmeister erleichtert über das Ende seines großen Missverständnisses beim VfL Wolfsburg bereits mit einem PSG-Trikot für die Fotografen posierte, erwies sich Jürgen Klopp, Trainer des FC Liverpool, als krittelnder Lehrmeister. Offenbar auch enttäuscht darüber, dass Draxler, 23, nicht nach England wechselt, stichelte Klopp leidenschaftlich gegen den Profi.

"Wir glauben, wenn jemand nur von Geld motiviert ist und an einem gewissen Punkt Charakter zeigen soll, dann wird er es nicht tun", wird Klopp in der französischen Sport-Zeitung L'Équipe zitiert. Laut mehreren Medienberichten soll auch Liverpool im Poker um Draxler mitgewirkt haben. Klopp: "Die Spieler wissen, dass sie auch hier eine Menge Geld verdienen können, aber wir werden in Liverpool keine Dummheiten begehen. Wir wollen die Spieler mit dem besonderen Charakter unseres Klubs überzeugen und nicht nur mit Geld."

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(Foto: imago)

Seine schönste Auswechslung: Julian Draxler, hier mit VfL-Coach Valérien Ismaël, wollte schon im Sommer weg aus Wolfsburg - jetzt darf er gehen. Bloß: Wohin, das hat wohl wieder mal der Meistbietende entschieden (Paris, 42 Millionen Euro).

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(Foto: Darren Staples/Reuters)

Dass Draxler für diesen Preis nicht in die Premier League gewechselt ist, erstaunt angesichts der jüngsten Rekordtransfers nach England: Kevin de Bruyne (oben, ManCity, 75 Millionen Euro).

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(Foto: Michael Regan/Getty Images)

Ex-Bundesliga gegen Ex-Bundesliga: Leroy Sané (l., ManCity, 48 Millionen Euro) gegen Granit Xhaka (Arsenal, 45 Millionen Euro).

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(Foto: Richard Heathcote/Getty Images)

Henrikh Mkhitaryan, ehemals Borussia Dortmund, kickt mittlerweile für Manchester United (42 Millionen Euro).

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(Foto: Clive Brunskill/Getty Images)

Der ehemalige Hoffenheimer Firmino zaubert seit anderthalb Jahren in Liverpool (r., 41 Millionen Euro).

Bis zu 47 Millionen Euro inklusive Bonuszahlungen erhält Wolfsburg für den in den vergangenen anderthalb Jahren sportlich stagnierenden Draxler. Für den Nationalspieler hatte der VfL Wolfsburg 2015 rund 36 Millionen Euro an Schalke 04 bezahlt. Draxler ist nach Leroy Sané (Manchester City) der bislang zweitteuerste deutsche Spieler, der die Bundesliga ins Ausland verlässt. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass sich kaum Draxler selbst seinen künftigen Klub ausgesucht hat, sondern der VfL darauf bedacht war, mit demjenigen zu verhandeln, der das meiste Geld bot.

Draxlers Auftreten in den vergangenen anderthalb Jahren auf und neben dem Platz ist mit unglücklich noch zurückhaltend beschrieben. Ob der 23-Jährige dabei immer gut beraten war, ist eine andere Frage. In den sozialen Netzwerken wurden an Weihnachten wieder Fotos von im Nachhinein verunglückten PR-Aktionen mit Draxler transportiert.

2013 hatte der FC Schalke Leinwände mit Draxlers Konterfei und der Aufschrift "Julian Draxler: Mit Stolz und Leidenschaft bis 2018" anlässlich von dessen Vertragsverlängerung durchs Ruhrgebiet fahren lassen. Im Sommer 2015 wollte Draxler dann unbedingt weg und landete beim VfL. Wohl fühlte er sich dort nie.

Als Nachfolger des überragenden Belgiers Kevin De Bruyne geholt, erfüllte Draxler die Erwartungen nie und wollte nach nur einem Jahr seinen erneuten Wechsel durch ein nicht mit dem VfL abgestimmtes Interview erzwingen. Die suggerierte Identifikation mit dem VfL war ad absurdem geführt: "Wolfsburger. Mit jeder Faser" hatte kurz zuvor noch auf Plakaten mit Draxlers Bild gestanden - Werbung für das Heimtrikot der Saison 2016/2017.

Draxler musste in Wolfsburg bleiben, die sportliche Gegenleistung tendierte jedoch gen null. Nun wurde das Problem mit Verspätung gelöst. "Natürlich bedauere ich einerseits den Weggang von Julian, denn er ist ein herausragender Fußballer. Andererseits denke ich, dass dieser Schritt für alle Seiten der richtige ist", sagte VfL-Coach Valérien Ismaël zum Wechsel nach Paris. "Wer nicht hier sein will, soll gehen. Es hätte schon im Sommer passieren sollen", sagte Mario Gomez. Neben dem VfL, der kaum mit einer derart hohen Ablöse rechnen durfte, partizipiert nun auch Schalke und erhält rund vier Millionen Euro. Für beide Klubs bestritt Draxler insgesamt 153 Bundesliga-Spiele (119 für Schalke, 34 für Wolfsburg; 23 Liga-Tore).

Der Wechsel könnte Auftakt einer turbulenten Transferperiode in Wolfsburg werden. Dem Vernehmen nach könnten auch Luiz Gustavo, Ricardo Rodriguez, Vieirinha oder Carlos Ascues den sportlich abgestürzten VfL alsbald verlassen. Zudem besteht für den Abstiegskampf in der Rückrunde noch Bedarf an Verstärkungen. Vor allem die vom inzwischen beurlaubten Sportchef Klaus Allofs zusammengestellte Defensive steht nicht stabil.

© SZ vom 27.12.2016 / dpa, sid - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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