Milan verpflichtet Mario Balotelli:Edles Wahlversprechen des Presidentissimo

Kürzlich verglich Silvio Berlusconi den streitbaren EM-Helden Mario Balotelli noch mit einem "faulen Apfel". Seitdem wurde der Spieler 17 Millionen Euro billiger, Wahlen stehen an - und schon greift der Präsident des AC Mailand zu. Mit der Rückkehr des Stürmers gelingt dem Klub ein Coup, wie ihn die Serie A länger nicht mehr zustande gebracht hat.

Von Birgit Schönau, Rom

Es ist Wahlkampf in Italien, und der AC Mailand kauft einen prominenten Spieler. Vor fünf Jahren hatte Milan-Besitzer Silvio Berlusconi den Tifosi kurz vor den Wahlen Ronaldinho verheißen, und der Brasilianer war schließlich das einzige Wahlversprechen, das er hielt. Ronaldinho habe ihm bei den Wahlen mindestens zwei Prozent gebracht, glaubt Berlusconi.

Jetzt kommt Mario Balotelli. 20 Millionen Euro zahlt Berlusconi für den 22-Jährigen, der Deutschland im EM-Halbfinale zwei Tore verpasste. In Italien ist Balotelli seitdem ein Held. Für Berlusconi, der seine Polit-Kampagne gegen die angebliche deutsche Dominanz in Europa führt, war der Stürmer bis vor Kurzem nur ein fauler Apfel.

"Bei Milan zählt der Charakter", hatte der Klub-Patron geschworen, "wenn du einen faulen Apfel ins Team bringst, kann der alle anderen anstecken. Ich habe mir mein Bild über Balotellis Persönlichkeit gemacht." Aber sein Geschwätz von gestern hat Berlusconi noch nie gekümmert. Er entschuldigte sich einfach bei Balotelli, nichts für ungut, war nicht so gemeint.

Eigentlich war es ja auch nicht der faule Apfel, der zu hoch hing, es waren die sauren Trauben: Vor Weihnachten war Balotelli schlicht noch zu teuer. Vor zwei Wochen wollte Manchester City für ihn noch 37 Millionen Euro. Genau soviel muss Berlusconi im Jahr an Unterhalt für seine Ex-Frau zahlen. Adriano Galliani, der Vikar beim AC Mailand, bekam Weisung, wenigstens den Spieler herunterzuhandeln. Das sollte ja nicht so schwer sein, nach dessen Dauergerangel mit City-Trainer Roberto Mancini, der dem Spieler den zweideutigen Satz "Mario war für mich wie eines meiner Kinder" hinterher schickte.

Und hatte Balotelli nicht schon in seiner Zeit beim Lokalrivalen Inter Sympathien für Milan geäußert? Galliani feilschte mit City-Scheich Mansour wie auf dem Basar. Und siehe da: Aus 37 Millionen wurden 28, dann 25, schließlich 20. Und zwar just in jenem Moment, da die Konkurrenz von Juventus Turin auf den Plan trat, um auch noch mitzubieten.

Bei Milan trifft Balotelli seinen neuen Offensivpartner aus der Nationalelf, den Italo-Ägypter Stephan El Shaarawy, 20. Der sieht mit seinem rasanten Haarschnitt ähnlich gefährlich aus wie "Balo", ist aber gänzlich ohne Allüren. "Von menschlicher Klasse", wie ihn der Presidentissimo lobt - und Berlusconi kennt sich da bekanntlich aus. El Shaarawy sei "schon jetzt ein Milan-Symbol wie Baresi oder Maldini".

Balotelli wollte zu Milan

Apropos Baresi und Maldini: Eigentlich hätte der AC Mailand nach dem Verkauf von Thiago Silva einen Abwehrspieler nötiger gehabt. Aber wie soll man mit einem Verteidiger Wahlkampf machen? Zumal, wenn man, wie Berlusconi, in allen Umfragen auf den hinteren Plätzen steht? Nein, für die Aufholjagd muss ein Stürmer her.

Zwölf Punkte Abstand auf Juventus Turin soll Balotelli jetzt aufholen und neun Punkte Abstand zwischen Berlusconi und dem hochfavorisierten Kandidaten der Sozialdemokraten. Schon am Sonntag, im Heimspiel gegen Udinese Calcio, wird der Star im Meazza-Stadion den ersten Einsatz haben. In der Champions League wird Balotelli aber nicht spielen dürfen, weil er schon für Manchester City aufgetreten ist.

Vier Millionen Euro soll der Stürmer im Jahr bekommen, sein Vertrag gilt bis 2017. Das ist weniger, als er in England bekam. Dass Balotelli das akzeptierte, deutet an, wie sehr es ihn nach Italien zurückzog. "Milan war der Klub, den Mario wollte", sagt Italiens Nationaltrainer Cesare Prandelli, "ein Klub, der sich auf die Arbeit mit jungen Spielern versteht. Jetzt kann er zeigen, was in ihm steckt." Bisher war das Balotelli vor allem in der Squadra Azzurra gelungen, unter Prandellis Anleitung.

Der wird ihn wohl auch am 6. Februar zum Test gegen die Niederlande berufen - sofern Balotelli nicht zickt. Denn wer sich schlecht benimmt, wird von Prandelli nicht aufgestellt. Bei den Azzurri zählt der Charakter, das unterscheidet Prandelli von Berlusconi. Und nicht nur das: Im Wahlkampf unterstützt der Nationaltrainer offen die Linke.

Alles kann sich Berlusconi schon länger nicht mehr kaufen. Mit der Rückkehr von Balotelli ist ihm aber ein Coup gelungen, wie ihn die Serie A länger nicht mehr zustande gebracht hatte. Schließlich hat Konkurrent Inter gerade seinen einzigen Star Wesley Sneijder nach Istanbul verkauft, während der SSC Neapel die Bewerber um Edinson Cavani abwehrt. Noch.

Milans Trainer Massimiliano Allegri könnte Balotelli allerdings ebenso viele Probleme bereiten wie Mancini - Allegri duldet keine Diven. Doch seine Tage in Mailand sind gezählt. Ob Allegri Milan auch in der nächsten Saison trainieren würde, wurde Berlusconi kürzlich gefragt. "Ein Präsident soll immer die Wahrheit sagen", entgegnete der Patron, "also bitte die nächste Frage!"

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