Mick Schumacher in der Formel 1:Ein Haufen Schrott

Der kapitale Crash von Mick Schumacher in Monte Carlo verläuft glimpflicher als befürchtet. Nun geraten die teuren Fehler des Deutschen in den Fokus - er strapaziert bereits die Geduld seines Chefs Günther Steiner.

Von Anna Dreher, Monte Carlo

War das jetzt wirklich passiert? Mick Schumacher stand auf dem Circuit de Monaco und blickte auf ein Wrack, das mal sein Formel-1-Auto gewesen war. Links von ihm lag das herausgerissene Hinterteil mit Getriebe und Hinterachse, bei dem lediglich der Heckflügel halbwegs unversehrt aussah. Rechts von ihm war der Rest des Wagens, ohne Frontflügel, an der Bruchstelle völlig zerfetzt mit Einblick ins Innenleben. Um ihn herum überall kleinere und größere Trümmerteile.

Auf Rang 17 liegend, hatte er die Kontrolle über seinen Haas verloren, der sich mit hoher Geschwindigkeit mehrmals quer über die Strecke drehte und in die Barriere der Schwimmbad-Passage krachte. Ein heftiger Aufprall, der Schlimmeres befürchten ließ, bis der 23-Jährige aus seinem Cockpit kletterte, äußerlich unverletzt. Der Grand Prix war nach nur 27 Runden vorbei für ihn. Ein Streckenposten führte ihn von der Unfallstelle, ein Arzt kam dazu, und nach einem Gesundheitscheck konnte Schumacher zu seinem Team.

Wenig später gab er eine erste Einschätzung im Sender Sky, ganz der Racer. "Das ist sehr ärgerlich. Wir hatten die Geschwindigkeit, um weiter nach vorne zu kommen", sagte er und versuchte, optimistisch zu bleiben: "Die Saison ist noch lang, das Blatt kann sich sehr schnell wenden. Das habe ich schon früher gezeigt, ich bin sicher, dass wir das auch dieses Jahr zeigen werden." Schumacher wirkt trotz eines mäßigen Saisonstarts zuversichtlich, dass er schon noch in die Erfolgsspur finden wird.

So wie ihn das die Vergangenheit gelehrt hat. In den Nachwuchsserien, der Formel 3 und der Formel 2, hat er je ein Eingewöhnungsjahr gebraucht, ehe er den Titel gewann. Aber diese Reihenfolge ist schwieriger umzusetzen in der Königsklasse mit ihrer hohen Leistungsdichte inklusive ausgebufften Routiniers, mehr Hightech und mehr Geschwindigkeit.

Alle Punkte für das Haas-Team hat der Kollege Magnussen geholt

2021 lenkte Schumacher ein unterlegenes und schwer zu fahrendes Auto. Sein Teamkollege war ebenfalls ein Neuling, Nikita Masepin, dessen Vater mit seinem Konzern Hauptsponsor bei Haas war. Der Russe war Schumachers eigentlicher Gegner. Gegen ihn musste er sich durchsetzen, was er tat und in den Duellen am Ende des Feldes überzeugte - er wurde jedoch auch kritisiert für Dreher und Crashs. 2022 ist die Situation anders.

Nicht nur weil er nun die Erfahrung einer Saison hat. Sondern auch, weil sich zeigt, dass es sich gelohnt hat, die Energie angesichts der Änderungen des Reglements in die Entwicklung des Haas VF-22 zu stecken. Masepin-Nachfolger Kevin Magnussen wurde beim Saisonauftakt in Bahrain Fünfter und zeigt, was möglich ist: Alle 15 Haas-Punkte hat der Däne geholt, während Schumacher und Williams-Pilot Nicholas Latifi als einzige noch ohne Beute sind. Magnussen ist in der WM-Wertung Zehnter, Schumacher unter den Stammfahrern Vorletzter. Sein bestes Rennergebnis bisher war Rang elf in Bahrain.

Mick Schumacher in der Formel 1: Diese Autoteile gehörten mal zusammen: Mick Schumacher steigt kurz danach erstaunlicherweise unverletzt aus dem Boliden.

Diese Autoteile gehörten mal zusammen: Mick Schumacher steigt kurz danach erstaunlicherweise unverletzt aus dem Boliden.

(Foto: Christian Bruna/AP)

Natürlich kann dieses zweite Jahr auch als seine erste richtige Rookie-Saison gesehen werden, mit einem Auto, das zum Start als "weißer Ferrari" betitelt wurde, und einem Kollegen, von dem Schumacher lernen kann. Magnussen ist sechs Jahre älter und absolviert bereits seine achte Formel-1-Saison. Aber die Schonfrist für den deutschen Fahrer ist langsam vorbei in dieser ganz eigenen Welt, die ihn mit Begeisterung und Erwartungen empfangen hat als Sohn des siebenmaligen Weltmeisters Michael Schumacher.

Teamchef Günther Steiner wirkte in Monaco jedenfalls angesichts des nächsten Patzers seines Piloten angespannt. Den US-Rennstall, der ohnehin sehr aufs Geld schauen muss, treffen die hohen Kosten der Unfälle stärker als die meisten Konkurrenten. "Es ist nicht sehr befriedigend, wieder einen großen Crash zu haben", sagte der Südtiroler: "Wir müssen sehen, wie wir von hier aus vorankommen." Das lässt Spielraum für Interpretationen, auch wenn die Gesamtlage gemeint sein dürfte.

"Unser Problem ist nicht die Budgetobergrenze", sagt Teamchef Steiner. "Unser Problem ist das Budget."

Im Fürstentum wurde über eine Erhöhung der Budgetobergrenze debattiert, die vor allem Ferrari, Red Bull und Mercedes fordern angesichts der durch die Inflation gestiegenen Kosten. Die Position von Haas ist klar: "Unser Problem ist nicht die Budgetobergrenze. Unser Problem ist das Budget", sagte Steiner am Donnerstag - also bevor er wusste, dass sein Team aus Monte Carlo mit einem Haufen Schrott abreisen würde. Seine Einschätzung zu Schumacher lautete da noch: "Ich befürchte eher, dass er aus Verzweiflung zu viel aus dem Wagen holen will. Er weiß, dass er nah dran ist. Er muss geduldig bleiben. Irgendwann wird es klappen, das Auto ist gut genug."

Schumacher weiß selbst ganz genau, dass er bald unter die besten Zehn fahren muss, um sein Talent unter Beweis zu stellen, Diskussionen über seine Leistung zu beenden und sich seinen Platz zu verdienen. Sein Vertrag endet nach dieser Saison. Unfälle und ausbleibende Punkte helfen nicht beim Sammeln von Selbstvertrauen, sondern erhöhen den Druck. Es gab schon positive Erlebnisse wie vor einer Woche in Barcelona: Schumacher erwischte einen guten Start und war kurz Sechster. Der Crash von Monte Carlo aber ist bereits sein dritter im siebten Saisonrennen. Das prägt seine bisherige Bilanz.

Mick Schumacher in der Formel 1: Vom Kollegen lernen: Mick Schumacher hat ein besseres Auto als 2021 und einen besseren Teamgefährten. Kevin Magnussen (rechts) hat bisher alle Punkte für Haas eingefahren.

Vom Kollegen lernen: Mick Schumacher hat ein besseres Auto als 2021 und einen besseren Teamgefährten. Kevin Magnussen (rechts) hat bisher alle Punkte für Haas eingefahren.

(Foto: Andy Hone/Motorsport Images/Imago)

In Saudi-Arabien krachte er mit mehr als 200 km/h in die Bande. Das Team entschied sich dagegen, das Auto im Eiltempo zu reparieren, Schumacher schaute zu - immerhin unversehrt, was nach dem heftigen Aufprall für Erleichterung sorgte. In Miami fuhr er auf Punktekurs, ehe er zu ungeduldig war beim Kontern eines Angriffs und mit Sebastian Vettel kollidierte. Und nun der Fahrfehler in Monaco, wo sein Vater fünfmal gewann. Die Bedingungen waren an diesem Sonntag zwar schwierig nach strömendem Regen, was zu zwei Rennabbrüchen führte. Aber auch das gehört dazu, manch ein Fahrer vermag ja sogar, auf Wasser besonders zu brillieren.

"Die Autos sind etwas breiter als letztes Jahr, ich habe mich ein bisschen verschätzt", erklärte Schumacher. Häufiger im Mittelfeld zu fahren, wo sich derzeit auch mehrmalige Weltmeister wie Fernando Alonso und Lewis Hamilton tummeln, bringt neue Herausforderungen für ihn mit sich. Daran will er sich messen lassen. Sein Ziel ist es schließlich, irgendwann selbst den Titel zu holen. Am liebsten bei Ferrari, wo er Ersatzfahrer ist. Doch erst recht für einen Aufstieg müssen kontant gute Ergebnisse her. Unabhängig von seiner Leistung hat er dort jedoch vorerst keine guten Aussichten: Die Scuderia sprach Charles Leclerc und Carlos Sainz Jr. ihr Vertrauen mit bis zum Saisonende 2024 datierten Verträgen aus. Für Mick Schumacher geht es aber ohnehin erst einmal um die Gegenwart.

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