Mick Schumacher bei Ferrari:Kommt das alles zu früh? Oder genau rechtzeitig?

Mick Schumacher

Formel-2-Pilot Mick Schumacher darf vorerst nur als Testfahrer ins Formel-1-Cockpit.

(Foto: Kamran Jebreili/dpa)
  • Mick Schumacher darf erstmals für Testfahrten ins Ferrari-Auto steigen.
  • Über allem schwebt die Frage: Wie viel Talent des Vaters steckt im Sohn?
  • Lob gibt es bereits von Sebastian Vettel.

Von Philipp Schneider

Angst? Ach was, sagt Michael Schumacher, Angst doch nicht. Das sei das falsche Wort. Respekt, klar, den habe er schon gespürt, als er zum ersten Mal in einem Formel-1-Cockpit gesessen hat. "Aber wer Angst hat und sich in so ein Auto setzt, der kann ja nicht schnell fahren." Und weil - das klingt da mit - es im Leben darum geht, schnell zu fahren, kann man ja gar keine Angst haben. Ist doch logisch.

Ein Fernsehstudio Anfang der Neunziger. Das Studio sieht aus, wie Studios heute nicht mehr aussehen. Ähnliches gilt für den Moderator. Im Studio haben sie einen riesigen Pappaufsteller mit der Aufschrift "Hockenheimring" errichtet, der im Bildhintergrund in Endlosschleife blinkt wie Weihnachtsbeleuchtung an den Häusern einer amerikanischen Vorstadt. Der Moderator trägt eine hellbraune Cordhose, dazu einen dunkelbraunen Pullover und eine Brille mit Gläsern so groß wie Tischtennisschläger. Er tastet sich vorsichtig ran an den jungen Rennfahrer, der erst sechs Rennen in der Formel 1 gefahren ist. Der da vor ihm sitzt und sich so ungewöhnlich präzise artikuliert. Und dem es sich ja nun nicht an seinen schmalen Schultern ansehen lässt, dass er mal der erfolgreichste Fahrer der Formel-1-Geschichte werden, dass er sieben Weltmeisterschaften gewinnen wird.

"Wie macht man das überhaupt? Dass man gleich mitfahren kann mit den Sennas und Prosts und Alesis und Mansells?" Och, sagt Schumacher. "Ich muss überraschenderweise sagen, ich war sehr ruhig, sehr relaxt zu dem Zeitpunkt. Ich war deshalb so ruhig, weil mir die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt das richtige Auto zur Verfügung gestellt haben."

Die richtigen Leute. Das richtige Auto. Der richtige Zeitpunkt. Darum geht es in der Formel 1. Darum ging es 1991 bei Michael Schumacher. Und darum geht es auch bei dessen Sohn Mick Schumacher, 28 Jahre danach.

Schumacher sammelt Daten für Vettel

Der Vater fuhr seine ersten Runden 1991 in Silverstone und ziemlich bald sein erstes Rennen in Spa-Francorchamps. Die Gelegenheit ergab sich halb zufällig, halb forcierte sie Schumachers schlauer Manager Willi Weber, und das ging so: Der Jordan-Pilot Bertrand Gachot saß plötzlich im Gefängnis. Angeblich hatte er einen Taxifahrer mit Reizgas attackiert. Die Fahrerkollegen in der Formel 1 ließen sich T-Shirts bedrucken mit dem Aufdruck "Lasst Gachot frei" und trugen sie auch, aber es half ja nichts. Eddie Jordan brauchte Ersatz. Er fand Schumacher. Nachdem er sich bei Weber erkundigt hatte, ob der damals 22-jährige Fahrer überhaupt schon mal auf der anspruchsvollen Strecke in Belgien gerollt sei.

Aber sicher, sagte Weber. Schumacher komme ja aus Kerpen, er wohne nicht weit entfernt von den Ardennen, schon hundertmal sei er in Spa gefahren. Das war eine Lüge. Noch nie war Schumacher in Spa gefahren. Aber der Zeitpunkt war gut. Dachte Weber. Und bewies dann Schumacher.

Sein Sohn testet nun auf der Wüstenpiste in Bahrain. Am kommenden Dienstag, zwei Tage nachdem ihn Sebastian Vettel nach der Zieldurchfahrt des Großen Preises abgestellt haben wird, darf Mick Schumacher zum ersten Mal in seinem jungen Leben in einem Ferrari kreisen. Er wird für Vettel und die Ingenieure Daten sammeln. Und am Tag danach testet er noch einmal, in einem Alfa Romeo, einem der Kundenteams von Ferrari. Kommt das alles ein bisschen zu früh? Oder genau rechtzeitig?

20 Jahre alt ist Mick Schumacher. Zwei Jahre jünger als damals sein Vater. Ein Jahr jünger als Vettels neuer Teamkollege Charles Leclerc. In Bahrain ist Mick Schumacher hauptsächlich, weil er am Wochenende in seine erste Saison in der Nachwuchsserie Formel 2 startet. Im vergangenen Jahr erst hat er die Formel-3-Europameisterschaft gewonnen. Danach ist er aufgestiegen in die nächsthöhere Klasse. Und er ist gleich aufgenommen worden in die Akademie der Scuderia Ferrari.

Schumacher hilft Vettel beim Fertigträumen

Am Donnerstag sitzt er vor der Garage seines Teams Prema in Bahrain auf einem schwarzen Plastikstuhl. Journalisten drängen sich, es ist heiß, Schumacher reicht Wasserflaschen. Die Journalisten sind nicht nur gekommen, um einen Fahrer der Formel 2 zu interviewen. Sie sind gekommen, um den Sohn von Michael Schumacher zu sprechen, der seit seinem schweren Skiunfall im Dezember 2013 nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten ist. Und um sich an die Antwort auf eine Frage heranzutasten, die seit einiger Zeit über allem steht, sie lautet: Wie viel Talent des Vaters steckt in dem Sohn? Die Frage stellt sich auch Mattia Binotto, der neue Chef bei Ferrari. Er weiß um die Wirkungsmacht der Symbiose, die Ferrari einst mit einem Schumacher eingegangen ist. 72 seiner 91 Rennsiege gelangen Michael Schumacher im Ferrari, fünf seiner sieben WM-Titel. Es gab eine Zeit, da war die Truppe aus Maranello dominant, erschien unbesiegbar. Wie in der Gegenwart Mercedes. Lässt sich das wiederholen? Oder kommt das nie wieder? Seit zwölf Jahren warten Binotto und Ferrari auf einen neuen Weltmeister. Wer wird das werden? Vettel? Leclerc? Oder doch jemand anders?

Mick Schumacher will über die Formel 1 nicht reden, nur über die Formel 2. Ob er mit dem Medienwirbel um seine Person umgehen könne? "Ja", sagt Schumacher. "Das war immer ein Teil von mir, ich hatte daher die Zeit hineinzuwachsen." Er wolle sich jetzt zunächst verbessern, "so viel lernen wie möglich", erzählt er in Bahrain. Es seien sehr viele erfahrene Fahrer im Feld, "auch sehr talentierte Rookies. Es wird eine spannende Saison", sagt Schumacher.

Er muss sich jetzt umstellen auf die anspruchsvolleren Autos in der Formel 2. Der Motor hat acht Zylinder anstelle der vier in der Formel 3. 620 PS und nicht nur 240. Das Auto ist schwerer und schneller. Und wenn er sich gerade umgestellt hat auf Formel 2, dann steigt er schon wieder um. Die Rennwagen der Formel 1 sind noch mächtiger, mehr als 900 PS leistet der Antrieb eines Ferraris. Es ist nur ein Test, klar, aber ein doppelter. Schumacher testet ein Auto. Ferrari testet einen Fahrer. "Wenn du in der Formel 1 landen willst, musst du beweisen, dass du die Geschwindigkeit hat", sagt Vettel. "Bisher macht er seine Sache gut."

Vettel läuft seinem Traum hinterher

Weniger gut machen bisher Ferrari und Vettel ihre Sache. Zwei Wochen nach dem Debakel beim Auftaktrennen in Melbourne, bei dem es Vettel als Vierter nicht einmal aufs Podium geschafft hat, glauben sie bei der Scuderia, inzwischen etwas schlauer zu sein. "Die vergangenen Wochen waren sehr intensiv", sagt Vettel. In Australien hatte er das Tempo der Mercedes nicht halten können, auch nicht das von Max Verstappen im Red Bull. Seine Reifen hatten nicht genug Grip erzeugt. Der Ferrari lag im ersten Rennen auf der Straße wie eine Fehlkonstruktion. "Es ist kein Geheimnis, dass das ein Rückschlag für uns war", sagt Vettel. Aber es sei auch so: "Wir haben ein paar Sachen entdeckt, die dazu führen sollten, dass wir besser und stärker sind."

Danach sieht es tatsächlich aus. Am Freitag in Bahrain war Ferrari wieder konkurrenzfähig, Vettel fuhr die Bestzeit. Doch sollte auch das zweite Rennen mit einer Enttäuschung enden, dann müssen sie bei der Scuderia weitermachen, noch ein paar mehr Sachen am Auto entdecken. Bei den Tests, bei denen auch der Fahrer Mick Schumacher im Auto sitzen wird.

Im fünften Jahr läuft Sebastian Vettel einem Traum hinterher. Viermal Weltmeister war er schon, aber er will, nein, er muss endlich Weltmeister werden im Ferrari. So wie Michael Schumacher, sein Idol. "Mein Traum ist nicht fertig", hat Vettel im Vorjahr gesagt. Und in einem der wunderbarsten Drehbücher der Rennsportgeschichte steht nun geschrieben, dass ein junger Fahrer geschickt wurde, um Vettel ein kleines bisschen zur Seite zu stehen. Das zu erreichen, was vor ihm der einzigartige Vater geschafft hat. Mick Schumacher hilft Sebastian Vettel beim Fertigträumen.

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