Es war das letzte Spiel der Saison. Ein sonniger Frühlingstag, der 20. Mai 2000, die 20. Spielminute im Sportpark Unterhaching. Über dem Stadion schwebten noch einige der roten und blauen Luftballons, die man zum Spielbeginn hatte steigen lassen zur Feier des Tages: eine Meisterschaftsentscheidung in Unterhaching, ausgerechnet hier, in der Fußballprovinz!
Danny Schwarz, Mittelfeldspieler der SpVgg Unterhaching, trat den Ball in jener schicksalhaften Minute von rechts in den Strafraum, genau in den Lauf seines Stürmers Altin Rraklli. Eine schöne Flanke mit Drall weg vom Tor, aber eigentlich aussichtslos. Denn dazwischen ging Adam Matysek. Der Torhüter von Bayer Leverkusen lief aus dem Tor. Ein Kinderspiel scheinbar, die Parade.
Danny Schwarz. Altin Rraklli. Adam Matysek. Flüchtige Namen der Bundesligageschichte. Was wohl passiert wäre, wenn man die Drei hätte gewähren lassen? Die vorhersehbare Flanke von Schwarz, der vergebliche Spurt von Rraklli, die routinierte Parade von Matysek. Vielleicht wäre alldem ein schneller Abwurf erfolgt, ein verheißungsvoller Konter von Bayer Leverkusen, das 1:0 für die Gäste.
Michael Ballack im Duell mit Hachings Altin Rraklli
(Foto: imago sportfotodienst)Bayer Leverkusen hätte wohl den ersten Bundesligatitel seiner Geschichte gewonnen, wäre "Milleniums"-Meister geworden, wie die Leverkusener Fans auf Pappe geschrieben hatten. Trainer Christoph Daum wäre vergöttert worden als Mann, der den FC Bayern in die Schranken weist. Und Michael Ballack?
Endstand 2:0 für Unterhaching
Er wäre vielleicht ein anderer Fußballspieler geworden, wenn er in jener 20. Spielminute nicht dazwischengegrätscht wäre. Aus Nervosität, aus Übereifer - vielleicht auch in einem Anflug von Panik, weil er fürchtete, seinen Einsatz zu verpassen in diesem Spiel der Spiele.
So grätschte er hinein in diese Flanke und schlug den Ball ins eigene Tor. Altin Rraklli nahm später für sich in Anspruch, er habe Ballack "unter Druck gesetzt" und Ballack habe gar nicht anders gekonnt, als dieses Eigentor zu schießen. Doch ein abgeklärter Spieler hätte gespürt, dass sein Torwart die Lage unter Kontrolle hatte.
Schwarz und Rraklli jubelten, als der Ball im Tor lag, Torhüter Matysek stand versteinert. Und Ballack barg sein Gesicht in beiden Händen, untröstlich. Er ahnte wohl, dass er und sein Team sich nicht mehr erholen würden von diesem Schock.
Carsten Ramelow (li.) und Torben Hoffmann (re.) trösten Michael Ballack nach dem verpatzten Saisonfinale.
(Foto: imago images / Horstmüller)Als das Trauerspiel vorüber war, Endstand 2:0 für Unterhaching, saß Michael Ballack heulend auf der Ersatzbank in Unterhaching, während einige Kilometer weiter nördlich im Oympiastadion der Bayern-Kapitän Stefan Effenberg die Meisterschale stemmte. Die Unterhachinger jubelten, als wären sie selbst Meister geworden. In der folgenden Saison stiegen sie ab und kehrten niemals wieder.
Michael Ballack, erst 23 Jahre alt damals und zwei Jahre zuvor schon Meister mit dem 1. FC Kaiserslautern, hat trotz der Niederlage in Unterhaching eine große Karriere gemacht. Doch dieser 20. Mai 2000, diese Niederlage gegen Stefan Effenbergs FC Bayern, hat ihn sein ganzes Fußballerleben lang verfolgt. Das Trauma des Scheiterns als Anführer im entscheidenden Moment festigte sich zwei Jahre später, als Ballack mit Bayer binnen weniger Tage die Meisterschaft als Zweiter beendete, das Pokalfinale verlor und auch das Champions-League-Endspiel gegen Real Madrid.