Mexiko beim Confed Cup:"Die möglichen Strafen sind schwerwiegend"

Mexiko beim Confed Cup: Ein - vermutlich friedlicher - mexikanischer Fan vor der Arena in Kasan.

Ein - vermutlich friedlicher - mexikanischer Fan vor der Arena in Kasan.

(Foto: AFP)
  • Die Fifa hat den mexikanischen Verband wegen mutmaßlich homophober Gesänge der Fans verwarnt.
  • Im Wiederholungsfall drohen empfindliche Strafen.

Von Martin Schneider, Kasan

Das "Lied", um das es der Fifa geht, besteht nur aus einem Wort: Puto. Puto hat im Spanischen je nach Verwendung eine unterschiedliche Bedeutung. Als Adjektiv bedeutet es, wenn man es freundlich übersetzt: "verdammt". Als Substantiv bedeutet es "männliche Prostituierte".

Die Fifa denkt nun, dass die mexikanischen Fans bei ihren Gesängen während des Confed Cups zweiteres im Sinn hatten und hat den mexikanischen Verband wegen homophoben Verhaltens verwarnt. Dessen Trainer kann das jedoch nicht verstehen, die Mannschaft fürchtet jedoch harte Strafen und hat sich nun an die eigenen Fans gewandt.

Mexiko ist besonders hartnäckig

Worum geht es? Beim Auftaktmatch der Mexikaner gegen Portugal haben die mexikanischen Fans beim Abstoß des portugiesischen Torwarts Rui Patricio ein lang gezogenes "Puto" gesungen. Es ist unter Fans auf der ganzen Welt nicht unüblich, den gegnerischen Torwart beim Abstoß zu beleidigen. In Deutschland gibt es eine Version mit drei Schimpfwörtern, die früher allerdings häufiger gesungen wurde als heute. In Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern ist es noch Brauch, in der laufenden WM-Qualifikation hat die Fifa sechs Verbände (Argentinien, Chile, Honduras, Mexiko, Peru und Uruguay) wegen homophober Gesänge zu Geldstrafen verurteilt.

Mexiko ist besonders hartnäckig, allein 2016 zahlte der Verband fünfmal Geld an die Fifa wegen Gesängen der Fans, bis zum Confed Cup waren es acht Strafen wegen des gleichen Vergehens. Kritiker mahnten schon, der Weltverband müsse endlich härter sanktionieren. Mexikos Trainer Juan Carlos Osorio kann die Aufregung allerdings immer noch nicht verstehen. "Einige denken, es wäre eine Beleidigung", sagte der Kolumbianer, nach der Verwarnung der Fifa beim Confed Cup: "Ich denke nicht, dass die internationale Interpretation richtig ist. Ich hoffe, dass der Verband klar machen kann, dass das nicht so gemeint ist."

Tatsächlich ist das Wort in Mexiko so üblich, dass dort die wenigsten eine bestrafenswerte Beleidigung darin sehen. Bei der WM in Brasilien entschied auch die Fifa noch, dass der Ruf nicht so schlimm sei und verzichtete auf eine Sanktion unter anderem gegen die brasilianischen Fans. Damals entschied die Disziplinarkommission, dass "der Vorfall in diesem speziellen Kontext nicht beleidigend ist".

Der Weltverband sieht das nun aber komplett anders und hat den Mexikanern offenbar härtere Konsequenzen angedroht. Die Mannschaft hat sich nun in einem offenen Brief an die Fans gewandt. "Wie ihr wisst, nimmt die Fifa unsere Gesänge beim Abstoß des Torwarts sehr ernst und die möglichen Strafen sind schwerwiegend", schrieb das Team vor der Confed-Cup-Partie gegen Neuseeland am Mittwoch in Sotschi auf der Verbandsseite. Sollten die Fans mit ihrem Verhalten weitermachen, könnte der Einsatz auf dem Feld zunichtegemacht werden. "Wir vertrauen euch, wir wissen, dass wir zusammen die Geschichte ändern können", heißt es dort.

Das neue Drei-Stufen-Modell der Fifa

Die Fifa hat nun für den Confed Cup zum ersten Mal ein Drei-Stufen-Modell installiert, um besser gegen diskriminierende Vorfälle vorgehen zu können. Wenn dem Schiedsrichter etwas auffällt, soll er das Spiel stoppen und über den Stadionsprecher einen Hinweis geben lassen. Sollten die Vorfälle weitergehen, soll der Unparteiische das Spiel unterbrechen, bis das "diskriminierende Verhalten" aufhört und in letzter Konsequenz hält die Fifa ihre Schiedsrichter an, das Spiel komplett abzubrechen. Deutschlands Antonio Rüdiger hat in einer Pressekonferenz dieses Vorgehen gelobt.

Dazu werden bei jedem Match Beobachter anwesend sein, die von der Organisation Fare (Football against Racism in Europe) koordiniert und trainiert werden und nach jedem Spiel an die Fifa berichten. In dieser Dachorganisation sind viele Fan-Organisationen vereint, die Fifa und auch die Uefa arbeitet schon seit Jahren mit der Organisation zusammen und wird von Fare auch regelmäßig kritisiert, etwa, als die "Puto"-Gesänge in Brasilien nicht bestraft wurden.

Witali Mutko, russischer Vize-Ministerpräsident und Chef des Organisations-Komitees, findet das System super. "Wir sind erfreut, dass man Russland mit der Mission betraut hat, als erstes Gastgeberland eine solche Initiative zu implementierten, mit dem Ziel, den Weltfußball besser zu machen", lässt er sich zitieren: "Das ist eine ehrenwerte Rolle und eine große Verantwortung."

Gleichzeitig übte Fare scharfe Kritik

Mutko selbst war jedoch indirekt schon Ziel der Kritik der Organisation Fare, die nun wichtiger Teil der von ihm gelobten Initiative ist. Vor den Turnieren in Russland hat Fare einen Diskriminierungsbericht veröffentlicht, in der dem russischen Fußball ein schlechtes Zeugnis ausgestellt wird. Darin heißt es "Rassismus, Sexismus und Nationalismus seien immer noch üblich im russischen Fußball und der Fan-Szene." Das sei "potentiell gefährlich".

Die Organisation lobte, Russland habe das Problem erkannt und erste Maßnahmen eingeleitet. 191 Fans haben Stadionverbote erhalten, außerdem habe der russische Fußballverband Alexander Schprygin rausgeworfen. Schprygin wurde bei der Europameisterschaft zweimal aus Frankreich ausgewiesen und saß im Zuge der Hooligan-Ausschreitungen in Marseille in Haft. Im September 2016 wurde Schprygin auch in Russland festgenommen.

Gleichzeitig übte Fare scharfe Kritik. Denn der Bericht entstand in Zusammenarbeit mit dem SOVA Center in Moskau. Die Organisation wurde 2002 gegründet und sammelt Daten zu Rassismus, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit in Russland und hat mehrere Bücher dazu veröffentlicht. Das SOVA Center, kritisierte die Fare, würde aber von der russischen Regierung unter Druck gesetzt. Die Regierung bezeichne die Organisation seit Ende 2016 als "ausländischen Agent". Dieses Label würde die Arbeit von SOVA erheblich einschränken. Dazu lobt Mutko eine Initiative unter anderem gegen Homophobie, obwohl er einer Regierung angehört, die "positive Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen" unter Strafe stellt. Die Fifa wiederum hat die WM 2022 an Katar gegeben. Dort ist Homosexualität verboten und wird mit Gefängnis bestraft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: