Kritik am DFB:"Integration wird mehr als PR-Arbeit verstanden"

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Gül Keskinler

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty)
  • In der Debatte um den Rücktritt von Mesut Özil aus der Nationalmannschaft hat sich Löw-Berater Harun Arslan geäußert.
  • Er sagt, Özil hätte das Treffen mit Erdogan auch absagen können, er selbst habe aber keine Kenntnis davon gehabt.
  • Die Ex-Integrationsbeauftragte des DFB äußert heftige Kritik am Verband.

Von Martin Schneider

Joachim Löw hat zum Rücktritt seines 92-maligen Nationalspielers Mesut Özil immer noch nichts gesagt, der Bundestrainer weilt weiter im Urlaub auf Sardinien - dafür hat sich jetzt sein Berater geäußert. In der aktuellen Ausgabe des Spiegel sagte Harun Arslan zur Vorgeschichte des umstrittenen Treffens von Özil mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan: "Solche Termine organisiert man nicht. Dazu wird man eingeladen. Wen er sehen möchte, bestimmt der Präsident." Allerdings seien solche Einladungen "kein Befehl". Ob der Spieler dann hingehe, entscheide nur er selbst.

Arslan arbeitet eng mit Mesut Özils Berater Erkut Sögüt zusammen, er sagt aber, er habe weder etwas von der Rücktritts-Erklärung Özils am vergangenen Sonntag noch von dem Fototermin zuvor gewusst. Neben Löw haben sich auch Teammanager Oliver Bierhoff und ein Großteil der Nationalspieler zum Rücktritt des Kollegen nicht geäußert.

Allerdings haben sich zu der Causa nun der Integrationsbeauftragte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und seine Vorgängerin geäußert - allerdings durchaus unterschiedlich. Der aktuelle Integrationsbeauftragte, der frühere Nationalspieler Cacau, bezeichnete den Rassismus-Vorwurf von Özil gegen den DFB als "einfach falsch". Cacau kritisierte aber auch seinen Arbeitgeber, weil der Verband keine "Richtung vorgegeben" habe. Auf die Frage, ob ein Rücktritt von DFB-Präsident Reinhard Grindel hilfreich wäre, sagte Cacau, das sei im Moment "schwer zu sagen". Unterstützung hört sich anders an.

Noch sehr viel kritischer äußerte sich die Ex-Integrationsbeauftragte des DFB, Gül Keskinler, die den Job zehn Jahre lang ehrenamtlich gemacht hatte. Sie warf dem DFB vor, das Thema nicht ernst zu nehmen: "Integration wird mehr als PR-Arbeit, weniger als interkulturelle Öffnung verstanden", sagte sie dem Spiegel. Daher habe sie 2016 den DFB verlassen. Ein Jahr zuvor hätte es aufgrund der Flüchtlingswelle in Deutschland eine "Zäsur" gegeben: "Beim DFB entschied man sich, lieber die neu angekommenen Menschen mit Freundschaftsspielen und Fußbällen zu erheitern, statt ernsthaft über Strategien nachzudenken, wie Integration von hier lebenden Migranten funktionieren soll", sagte Keskinler.

Sie habe ihre Hilfe angeboten, aber die DFB-Spitze habe gedacht, man könne die Probleme aussitzen. Auch sonst habe es keine ernsthaften Bemühungen gegeben: "Es ging bei Integrationsprojekten nur darum, wie viele Zeitungen darüber schreiben, ob das Fernsehen da ist oder wie viele Likes es dafür in den sozialen Medien gibt", sagte Keskinler. Allerdings betont sie, wie auch ihr Nachfolger Cacau, dass Reinhard Grindel und die DFB-Oberen gewiss "keine Rassisten sind".

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