Süddeutsche Zeitung

Mesut Özil:Breites Lächeln in Singapur

  • Nach seinem Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft kehrt Mesut Özil zurück ins Training des FC Arsenal.
  • Sein Berater Erkut Sögüt kritisiert Bayern-Präsident Uli Hoeneß für dessen Aussagen vom Montag. Hoeneß sei "eine Schande [...] für Bayern München und die Leute in Deutschland".
  • Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan spricht von einem Telefonat mit dem Spieler.
  • Bundestrainer Joachim Löw wusste nach Angaben seines Beraters vorab nichts von Özils Rücktritt.

Von Benedikt Warmbrunn

Die Bilder, die der FC Arsenal zu Beginn dieser Woche von seiner Werbetour in die weite Welt schickt, sind Bilder einer Mannschaft, die eine gute Zeit hat. Auf vielen Fotos ist der Angreifer Pierre-Emerick Aubameyang zu sehen. Aubameyang beim Elfmeterwettschießen, in der Eistonne, Aubameyang vor der Skyline von Singapur, beim Rückwärtssalto in den Pool, und immer lacht er. Neben all den Aubameyang-Fotos hat Arsenal auf der Homepage auch eine Meldung veröffentlicht, die sich mit einem anderen Spieler beschäftigt, der Titel: "Ozil works up a sweat in Singapore".

Mesut Özil schwitzt also in Singapur, auch das wird vom Verein mit Fotos bewiesen. Özil im Trainingsspiel mit rosa Leibchen. Özil mit wehendem Haar bei der Ballannahme; auf einem Foto sieht er auch tatsächlich verschwitzt aus. Auf dem Titelfoto der Meldung blickt Mesut Özil breit grinsend in die Kamera.

So lief für Özil also der Tag danach.

Die Meldung auf der Arsenal-Homepage besteht im Kern aus der Nachricht, dass Özil aus seinem Urlaub zurück ist und dass er sich am Montag unverzüglich "der harten Arbeit" widmete. In Singapur angekommen ist also der Fußballer Özil, der sich seit Montag ausschließlich auf seine Arbeit beim FC Arsenal konzentriert, ohne gelegentlich zu den Spielen der deutschen Nationalmannschaft zu fliegen. Nicht geklärt ist die Frage, ob auch der Özil angekommen ist, der Mittelpunkt und Auslöser einer vielschichtigen Debatte ist, die sich darum dreht, wie es um den Rassismus im deutschen Fußball steht und auch darum, wie es weitergeht mit der Integrationsarbeit im liebsten Spiel der Deutschen.

Matthias Sammer bemüht sich um Ausgewogenheit

Wie viel Özil mitbekommen hat vom Wirbel um seinen Rücktritt und die dabei erhobenen Rassismusvorwürfe gegen den DFB-Präsidenten Reinhard Grindel, ist offen, so wie auch ungeklärt ist, wie groß sein Anteil an den drei am Sonntag veröffentlichten Statements ist. Eine Reaktion zumindest hat er sicher gehört, die von Recep Tayyip Erdogan. Zu dem Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten, das am Anfang dieser ganzen Affäre stand, hatte sich Özil am Sonntag ausdrücklich bekannt, nun bekannte sich Erdogan ausdrücklich zu Özil. Nach einer Parlamentssitzung in Ankara berichtete er von einem gemeinsamen Telefonat, er sagte: "Seine Haltung ist national und patriotisch. Ich küsse seine Augen." Und: "Ich stehe hinter Mesut aufgrund seiner Äußerungen."

Gut möglich ist zudem, dass sich Özil mit seinem Berater unterhalten hat; Erkut Sögüt gilt als heimlicher Verfasser der Statements. Am Montagabend hatte sich Sögüt erstmals öffentlich geäußert, dankbar ging er auf die Kritik von FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß ein, der gesagt hatte: "Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist. Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt." Gegenüber dem Internetportal goal.com sagte Sögüt: "Die Kommentare von Herrn Hoeneß verfehlen den eigentlichen Sinn komplett. Er versucht die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Thema, dem Rassismus und der Diskriminierung in Deutschland, abzulenken." Sögüt sagte, er wolle "keine weitere Zeit und Energie" aufbringen, um mit Hoeneß über ein Thema zu diskutieren, von dem dieser keine Ahnung habe - er brachte aber noch die Zeit und Energie auf, um Hoeneß zuzurufen, dass dieser "nicht nur eine Schande für sich selbst, sondern vor allem für Bayern München und die Leute in Deutschland" sei.

Um die Differenzierung und Ausgewogenheit in dieser nicht einfachen Debatte, die Hoeneß und später auch Sögüt vermissen ließen, bemühten sich dafür andere Menschen, darunter Matthias Sammer. Der frühere DFB-Sportdirektor und heutige Berater von Borussia Dortmund verteidigte Özil: "Alle, die ihm zu wenig Selbstkritik vorwerfen, sollten sich einfach mal in die Lage versetzen", sagte Sammer dem Fernsehsender Eurosport, für den er als Experte arbeitet: "Es ist seine Entscheidung, nicht mehr zu spielen, das gilt es zu respektieren. Der deutsche Fußball wird weitergehen." Sammer warnte zudem davor, in der Aufarbeitung der Affäre Özil zu sehr als Hauptschuldigen zu positionieren: "Mesut ist ein unangenehmes Thema, mit vielen Fehlern behaftet. Aber er ist nicht das Problem des deutschen Fußballs."

Überrascht von Özils Rücktritt wurde auch derjenige, der nun mit den sportlichen Folgen zu arbeiten hat. Joachim Löw erreichten die Statements im Urlaub in Porto Cervo. "Weder der Bundestrainer, noch ich waren vorab informiert", sagte Löws Berater Harun Arslan der Bild - und das, obwohl Sögüt mit Arslans Agentur kooperiert. Ob Löw danach mit Özil gesprochen hat, ist nicht bekannt.

Der Spieler selbst meldete sich noch am Dienstag aus Singapur, auf Twitter postete er ein Foto, das ihn im Sprinttraining zeigt, dazu ein paar unverbindliche Hashtags wie #M1Ö oder #YaGunnersYa. Zum Wirbel um seinen Rücktritt hat er nichts mitgeteilt. Und so hat inzwischen das nächste Warten begonnen. Das Warten darauf, wie Özil all die Aufregung um seine Person wahrnimmt.

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SZ vom 25.07.2018/chge
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