Mesut Özil beim FC Arsenal:Und jetzt schießt er auch noch Tore

Arsenal's Ozil celebrates with teammate Giroud after scoring a goal against Napoli during their Champions League soccer match at the Emirates stadium in London

Bei den Kollegen vom FC Arsenal beliebt: Mesut Özil

(Foto: REUTERS)

Mesut Özil leistet beim FC Arsenal Erstaunliches. Innerhalb von wenigen Wochen hat der Nationalspieler aus einer leblosen Mannschaft einen Meisterschaftskandidaten gemacht - gegen Neapel gelingt ihm in der Champions League nun sein erstes Tor für den neuen Klub.

Von Matthias Schmid

Als Mesut Özil vor ein paar Tagen durchs Museum des FC Arsenal spazierte, blieb er vor einem Gruppenbild stehen, das die Meistermannschaft von 2004 zeigt. Dort fand Özils erstes großes Interview auf Englisch statt. Der Reporter fragte, welcher Spieler aus dem Team ihn denn am meisten beeindruckt habe damals. Özil musste nicht lange überlegen und deutete auf zwei Spieler: Dennis Bergkamp und Thierry Henry. "Sie haben so viele Tore erzielt", begründete Özil, warum er sie als 15 Jahre alter Junge so bewunderte und ihre Poster überm Bett hängen hatte.

Tore spielen auch im Leben des bald 25-jährigen deutschen Nationalspielers eine große Rolle. Meistens legt er sie seinen Mitspielern mit der Noblesse eines Oberkellners auf, so dass sie gar nicht anders können als den Ball über die Linie zu bugsieren. In seinen drei Jahren bei Real Madrid spielte er 81 Mal diesen letzten Pass - eine bemerkenswerte Quote. Dass er es auch selbst kann, das Toreschießen, zeigte Özil nun am Dienstag in der Champions League gegen den SSC Neapel (2:0). In der achten Minute durfte er sich das erste Mal als Torschütze im neuen Trikot feiern lassen. "Mein erstes Tor ist immer etwas Besonderes", sagte er.

Es ist schon erstaunlich, welchen fundamentalen Stimmungswandel der Wechsel eines einzelnen Spielers bei einem Verein auslösen kann. Nach dem ersten Saisonspiel und der Heimniederlage gegen Aston Villa (1:3) ging es bei Arsenal vor allem daraum, wann Arsène Wenger denn endlich seinen Rücktritt einreichen werde. Da hatte der Klub ihm 80 Millionen für Transfers in Aussicht gestellt. Und was tut der Elsässer? Er gibt sie nicht aus. Zunächst. Die Klagen hörten erst schlagartig auf, als er für Özil etwa 50 Millionen Euro anwies. Der Deutschtürke hatte noch keine Minute für die Londoner gespielt, da war sein Trikot mit der Nummer elf bereits das meistverkaufte.

Und die Zuneigung der Anhänger wurde von Tag zu Tag größer, als sie merkten, dass Özil gern in London ist und nicht die ganze Zeit unglücklich dreinblickte, weil er jetzt nicht mehr für Real, sondern nur noch für Arsenal spielen darf. Bereits in seinem ersten Spiel machte er das, was er am besten kann: die Mitspieler besser aussehen lassen.

Wenger ist der Grund, warum Özil nach London wechselte, weil er ihn am Telefon davon überzeugen konnte, dass dieser Schritt seiner Karriere guttun werde. Und Özil ist der Grund für Wenger, warum er jetzt davor steht, seinen auslaufenden Vertrag doch noch einmal zu verlängern. Die beiden verbindet mehr als eine gewöhnliche Trainer-Spieler-Beziehung, beide lieben das Ästhetische am Fußball, die Raffinesse, die Phantasie.

Die Sehnsucht nach dem Meistertitel ist riesig

Ganz England staunt nun darüber, wie ein einziger Spieler die Architekur und vor allem die Mentalität einer ganzen Mannschaft verändern kann. "Selten hat im englischen Fußball ein Transfer so eine gehobene Bedeutung für einen Klub gehabt wie dieser Özil", schreibt die Times. Özil habe Mut in das Spiel gebracht, wo zuvor Zögerlichkeit dominierte, Optimismus, wo zuvor Hoffnungslosigkeit herrschte.

Özil selbst will seine Rolle nicht größer machen, als sie ist. In seiner unaufgeregten, fast leisen Art sagte er nach dem Spiel nur, dass er sich hier wohlfühle. "Besser könnte ich mir meinen Start nicht vorstellen." Der Umschwung ist auch tabellarisch dokumentiert. Arsenal führt die Tabelle der Premier League nach sechs Spieltagen mit zwei Punkten vor dem FC Liverpool an. Und auch nach dem 2:0 gegen Neapel steht die Mannschaft in der Champions League in ihrer Gruppe ganz oben.

Wenger sprach nach der Partie gegen die Italiener davon, dass die erste Hälfte eine der besten der vergangenen Jahre gewesen sei. "Es war alles drin, wovon du träumst, wenn du im Stadion sitzt und Fußball sehen möchtest." Natürlich hatte er auch ein paar schöne Worte für Özil übrig, der nicht nur das Führungstor erzielte, sondern auch den zweiten Treffer von Olivier Giroud vorbereitete. "Wenn du Mesut auf dem Platz siehst und dich dann nicht in ihn verliebst, hast du keine Ahnung von Fußball", sagte Wenger.

Als der von ihm Gehuldigte mit einem guten Gefühl in die Nacht aufbrach, sagte dieser noch einen Satz, der fast wie eine Drohung klang: "Ich will noch mehr Tore schießen", bekannte Özil. Tut er das, und legt er weiterhin so gönnerhaft wie phantasievoll die Tore für seine Mitspieler auf, könnte schon bald ein neues großes Bild an der Wand im Museum des FC Arsenal hängen. Mit Mesut Özil und den anderen Spielern.

Die Sehnsucht im Norden Londons auf den nächsten Meistertitel ist riesig. 2004 liegt ja auch schon lange zurück. Ein Jahr später reichte es noch zum Pokalsieg. Doch seit dem warten die Fans auf große Siege. Mesut Özil hat ihnen noch keinen Titel, aber zumindest die Hoffnung darauf zurückgegeben.

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