Premier League:Von Özil fehlt jede Spur

FC Arsenal - Mesut Özil

Ein Foto, das für diese Saison in Erinnerung bleibt? Mesut Özil schützt sich auf der Bank vor der Nachmittagssonne.

(Foto: dpa)

Der Regisseur ist bei Arsenal-Trainer Arteta in Ungnade gefallen und spielt nicht mehr. Früher schenkte er den Gunners Leichtigkeit - jetzt scheint Özil nur noch eine Belastung zu sein.

Von Sven Haist, London

Unabhängig davon, wie viel Aufregung um ihn herum herrscht, besitzt Mesut Özil die bemerkenswerte Fähigkeit, sein eigenes Ding zu machen, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Garniert mit ein paar aktuellen Trainingsfotos erklärte Özil am Mittwochmorgen in den sozialen Netzwerken - dem inzwischen einzigen Medium, über das er sich öffentlich mitteilt -, dass er bereit sei für das Meisterschaftsspiel des FC Arsenal gegen Spitzenreiter FC Liverpool. Diese Meldung wirkte so, als wolle er sich selbst wieder ins Spiel bringen, nachdem er am 7. März letztmals für Arsenal auf dem Platz gestanden hatte, bei einem 1:0 über West Ham. Die Botschaft sorgte für Aufruhr, weil es der landläufigen Darstellung des Klubs - Özil hat Rückenprobleme! - klar widersprach.

Zuletzt ist Arsenals neuer Trainer Mikel Arteta, 38, einst Kapitän der Londoner, bei fast jeder Gelegenheit nach seinem bekanntesten Spieler gefragt worden. Seine Antworten fielen zunehmend genervt und schmallippig aus. Nach dem Spiel gegen Norwich zu Monatsbeginn gab Arteta bekannt, dass sich Özil eine Verletzung zugezogen habe und man sehen müsse, wie sich das entwickele. Drei Tage später, vor dem Auswärtsspiel bei Wolverhampton, sagte er über einen möglichen Einsatz von Özil: "Das muss noch entschieden werden." Vor der Leicester-Partie? "Die Situation ist, wie sie vorher war." Vor dem Duell mit Tottenham? "Nein, keine Neuigkeiten. Sorry!" Vor Liverpool? "Die Situation mit Mesut hat sich nicht verändert."

Und gegen Liverpool? Fehlte von Özil jede Spur. Trotz der Eigenwerbung stand er bei Arsenals glücklich erstrittenem 2:1 am Mittwochabend zum fünften Mal in Serie nicht im Kader, seit acht Ligaspielen wartet er auf einen Einsatz. Die neueste Uneinigkeit um seinen Fitnesszustand bestätigt nur mal wieder, wie sehr Özil für Arsenal zur Last geworden zu sein scheint.

Özil zahlt für das entgegengebrachte Vertrauen zu wenig zurück

Zum Ende seiner Amtszeit, im Winter 2018, hatte Arsenals Ewigkeitstrainer Arsène Wenger (21 Jahre im Amt) den Vertrag mit Özil bis Juni 2021 verlängern lassen - aus Sorge vor einem ablösefreien Wechsel und zu einem astronomischen Wochengehalt von 350 000 Pfund. Auf diesem Kontrakt scheint es sich der eigentlich begnadete und in der Mannschaft weiterhin einflussreiche Fußballer durchaus bequem gemacht zu haben. Mit der Benennung zu einem der Kapitäne versuchte Wengers baskischer Nachfolger Unai Emery ihn vor zwei Jahren zu motivieren. Ein Jahr später machte Emery die Kehrtwende und versuchte, Özil anzustacheln, indem er ihn bei der Aufstellung ignorierte. Auf dieselbe Weise probierte es Interimstrainer Freddie Ljungberg im Herbst, der Özil zunächst auch mit einer starken Rolle bedachte und ihn dann aus der Elf nahm, weil er für sein Vertrauen zu wenig zurückbekam.

Mesut Özil

Auch Mikel Arteta (li.) muss erkennen, dass eine Grundausrichtung ohne Spielmacher Mesut Özil zielführender ist.

(Foto: John Walton/dpa)

Mit Mikel Arteta, seit Dezember der dritte Trainer der Gunners in dieser Saison, verhält es sich kaum anders. Zunächst räumte er die Spielmacherposition für den leichtfüßigen Özil frei, nur um eine ähnliche Erfahrung wie seine Vorgänger zu machen: dass letztlich eben doch eine Grundausrichtung zielführender ist, die den ehemaligen deutschen Nationalspieler nicht beinhaltet. Als Leistungsnachweis stehen für den Weltmeister von 2014 in dieser Saison neben zwei Assists lediglich ein Ligator und eine gelbe Karte in der Statistik. Das Sportportal The Athletic schrieb über Özil, der im Oktober 32 wird, seine verlorene Effizienz und Bedeutung auf dem Platz würden es immer schwieriger machen, für seinen puristischen Stil zu plädieren.

Die Uneinigkeit über einen Gehaltsverzicht kommt erschwerend hinzu

Beim Sieg über Meister Liverpool, der den von Jürgen Klopp trainierten Reds einen möglichen Punkterekord für die Premier League vermasselte, überzeugte Arsenal immerhin: mit selten gesehenem Teamspirit und Kompaktheit in der Defensive. Und dies bei offiziell 3:24 eigenen Torschüssen. Doch dem weitgehend führungslosen Team mitsamt seiner anfälligen Abwehr hat der in mehreren Sprachen kommunizierende Arteta einen exakt vorgegebenen, arbeitsintensiven Fußball verordnet. Die Tore durch Alexandre Lacazette (32.) und Reiss Nelson (44.) - nach dem Rückstand durch Sadio Mané (20.) - sind Beleg der neuen Effizienz. Die mit Nachdruck attackierenden Gunners provozierten zwei kapitale Abwehrfehler des allein seine Kreise ziehenden Tabellenführers.

Arsenal FC v Liverpool FC - Premier League

Arsenal-Stürmer Alexandre Lacazette auf dem Weg zum Ausgleich gegen Liverpool.

(Foto: Shaun Botterill/Getty Images)

Neben der anhaltenden Verletzungs- und Formschwäche kommt in der Beziehung Arsenal/Özil die Uneinigkeit über einen Gehaltsverzicht erschwerend hinzu. Aufgrund der teilweise weggebrochenen Einnahmen durch die Folgen der Corona-Pandemie hatte sich Özil im April als einer von drei Profis im Team nicht bereit erklärt, auf ein Achtel seines Gehalts zwischen April 2020 und März 2021 zu verzichten. Wie kolportiert wird, soll diese Entscheidung auch auf seinen Berater Erkut Sögüt zurückgehen, der sich zuvor bereits kritisch zum Finanzmanagement der Klubs geäußert hatte. In der Regel ist das Honorar der Berater an die Verdienste der Profis gekoppelt. Mehrmals haben Özil und sein Einflüsterer deutlich gemacht, nicht an einen Klubwechsel zu denken und das Arbeitspapier lieber aussitzen zu wollen. Von den vielen problematischen Vertragsfällen, mit denen sich die Londoner beschäftigen müssen, ist die Causa Özil am verzwicktesten - weil: am kostspieligsten.

Arteta will den Kader überarbeiten

Nach viermaligem Verpassen der Champions League scheint beim aktuellen Tabellen-Neunten niemand so recht zu wissen, wie man die horrenden Summen für den Kader, der finanziell für die Königsklasse ausgelegt ist, weiter stemmen kann. Zumal Arteta im Sommer eine detaillierte Überarbeitung des wild zusammengestellten Ensembles fordert. Dabei hat Arsenal erst vor dieser Spielzeit einen Transferverlust von etwa 100 Millionen Euro erlitten.

Sofern Mesut Özil in den beiden ausstehenden Ligaspielen und dem Halbfinale am Samstag im FA-Cup gegen Manchester City nicht doch noch das Trikot der Gunners trägt, wird von ihm aus dieser Saison wohl nur ein Foto in Erinnerung bleiben, das ihn auf der Ersatzbank zeigt - im Juni war das, bei einem Spiel in Southampton. Zurückgelehnt sitzt er da, die Füße auf dem Vordersitz platziert - mit einem Schirm in der Hand, der ihn vor der Nachmittagssonne schützt.

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