Mercedes in der Formel 1:Das W-Wort ist verboten

Nico Rosberg

Keine Sprüche klopfen: Nico Rosberg und Mercedes.

(Foto: dpa)

Das Bild zum Saisonauftakt der Formel 1 ist eindeutig: Das Auto von Mercedes ist schnell und zuverlässig wie bei keinem anderen Rennstall. Das Team hat nur vor einem Angst - dass es als arrogant wahrgenommen werden könnte.

Von René Hofmann, Melbourne

Die Fragen sagen in der Formel 1 manchmal mehr als die Antworten. Lewis Hamilton hat zum Start der Saison an diesem Wochenende in Melbourne am Donnerstag viele Fragen gestellt bekommen, in denen das Wort "WM-Titel" vorkam. Die Frage zum Beispiel, ob er dieses Jahr die beste Chance sehe, den Titel zu gewinnen, seit er ihn 2008, in seinem zweiten Formel-1-Jahr, zum ersten Mal an sich riss. Oder die Frage, ob es die bisher recht freundschaftliche Beziehung zu seinem Teamkollegen Nico Rosberg belasten könne, wenn die beiden gegeneinander um den WM-Titel kämpfen würden.

Lewis Hamilton hat sich viel Mühe gegeben, all die WM-Titel-Fragen diplomatisch zu beantworten. Und zwar so, dass er dabei das immer wiederkehrende Wort selbst möglichst nicht in den Mund nahm. Es klingt schließlich ein wenig anmaßend, wenn einer selbst etwas vom Titel erzählt.

Lewis Hamilton hat daran erinnert, wie optimistisch er und Rosberg im vergangenen Jahr nach den ersten Runden durch den Albert Park aufs Jahr geschaut hatten - und wie ernüchtert und chancenlos sie schließlich zuschauen hatten müssen, als Sebastian Vettel im Red Bull auf und davon zog zum vierten Titel nacheinander. Lewis Hamilton hat dann daran erinnert, dass Rosberg und er sich seit der Zeit kennen, als sie 13 Jahre alt waren - und dass sie sich ungefähr schon genauso lange in Rennwägelchen und Rennwagen messen.

"Die Formel 1 ist ein ernstes Geschäft"

"Zum ersten Mal sind wir uns bei einem Rennen in Italien begegnet. Wir haben die Plätze eins und zwei belegt - und sind trotzdem Freunde geblieben", hat Hamilton erzählt und angefügt: "Später, als es um Meisterschaften ging, war das genauso. Natürlich ist die Formel 1 ein ernstes Geschäft. Aber das wichtigste ist, sich gegenseitig mit Respekt zu begegnen. Ich denke, dass das auch so bleiben wird."

Den ganzen Donnerstagvormittag hat Lewis Hamilton Interviews gegeben. Irgendwann war es dann mit der Selbstbeherrschung vorbei. Als er am Nachmittag bei der offiziellen Pressekonferenz des Automobil-Weltverbandes neben Sebastian Vettel und Ferrari-Fahrer Fernando Alonso saß und die Frage kam, ob es in diesem Jahr nicht bloß darauf hinauslaufe, wer den WM-Titel mehr wolle, er oder Rosberg, da antwortete der 29 Jahre alte Brite so knapp wie vielsagend: "Vielleicht." Es ist ja tatsächlich ziemlich gut möglich, dass es am Ende wirklich nur darum geht: Welcher Mercedes steht vorne?

Jedes Jahr wird in Melbourne spekuliert und getuschelt. Wer ist wie gut durch den Winter gekommen? Welches Auto ist besonders gut gelungen? Was sagen die Zeiten von den Testtagen aus, an denen alle Rennställe möglichst viel probieren wollen, aber auch bei jeder Gelegenheit Spanische Wände vor ihre Garagen rollen, um der Konkurrenz möglichst wenig zu offenbaren? In diesem Jahr ist das nicht anders. Eines aber ist doch ungewöhnlich: Selten hat sich an den kalten Tagen ein so klares Bild herauskristallisiert. "Jeder, der einen Mercedes-Motor im Heck hat, ist im Moment ziemlich schnell", sagt Christian Horner unumwunden, der Chef des Red-Bull-Teams, das seine Motoren dummerweise nicht von Mercedes bezieht, sondern von Renault.

"Überheblicheit ist die falsche Einstellung"

17 994 - 10 214 - 8770: So stellt sich das Kräfteverhältnis dar, bevor in Melbourne die ersten Sieger ermittelt werden. Die Mercedes-Motoren absolvierten an den zwölf Testtagen mehr als doppelt so viele Kilometer wie die von Renault. Ferrari rangiert dazwischen. Der Red Bull war zwischendurch auch schnell, der Ferrari recht zuverlässig - aber zuverlässig und zugleich schnell? Das war nur der Mercedes.

Dessen Motor gibt es für eine Jahresgage von etwa 20 Millionen Euro auch zu leihen. Er steckt in den Autos der drei Kundenteams McLaren, Williams und Force India. Deshalb ist die unangenehmste Frage, die sich Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach ziemlich genau einem Jahr im Amt derzeit gefallen lassen muss, was er sagen würde, wenn die drei Kundenteams seine Werksmannschaft schlagen würden. Diese konnte ihr Gefährt als einzige passgenau um den Antriebsstrang herum entwickeln. Wolffs Antwort: "Natürlich ist es das Ziel, dass am Ende das Werksteam vorne steht." Auch der 42 Jahre alte Österreicher gibt sich die größte Mühe, keine Sprüche zu klopfen, die als Kraftmeierei verstanden werden könnten. Warum eigentlich nicht? "Überheblichkeit ist die falsche Einstellung", findet er.

Mercedes hat früh mit der Technikarbeit begonnen

Niki Lauda, der Chef des Aufsichtsrats des Formel-1-Teams, ist da weniger zurückhaltend. "Was den Motor angeht", hat der 65-Jährige seinem anderen Arbeitgeber RTL gesagt, "sind wir das Maß aller Dinge." Weshalb er die naheliegende Forderung erhebt: "Das Wichtigste für uns alle ist, dass wir die ersten Rennen ins Ziel kommen müssen mit den maximalen Punkten."

Für das Wort, das keiner so recht in den Munde nehmen will, hat der Konzern viel investiert. Seit vier Jahren leistet sich Mercedes sein Werksteam. Sukzessive wurde der Technikerstab aufgebaut. Im vergangenen Jahr kamen Wolff und Lauda, in diesem Winter stieg Ross Brawn aus. Für die Technik ist jetzt Paddy Lowe zuständig, der von McLaren kam.

Kein anderes Team hat zudem so früh damit begonnen, eine neue Technik für dieses Jahr zu entwickeln. Die starke Frühform ist alles andere als ein Zufall. Im Gegenteil. Wäre sie ausgeblieben, würden sich jetzt wirklich viele Fragen aufdrängen. Im vergangenen Jahr war das Team Zweiter der Konstrukteurswertung. Diplomatie hin oder her - wo es von dort aus hingehen soll, ist klar. Hamilton oder Rosberg? Die Frage markiert im Grunde nur den Anspruch.

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