Mercedes in der Formel 1:Hauptsache, beide kommen durch

Nico Rosberg, Lewis Hamilton, Formel 1, Mercedes

Schwierig zu balancieren: Nico Rosberg (links) und Lewis Hamilton.

(Foto: Yves Herman/Reuters)

Nun droht der Teamchef mit Rauswurf: Der Streit der Mercedes-Piloten Rosberg und Hamilton ist auch vor dem Rennen in Monza nicht ausgestanden. Die Balance im Team zu halten, wird zunehmend schwieriger.

Von Elmar Brümmer, Monza

Die Frage des Miteinanders im Formel-1-Werksrennstall von Mercedes ist in erster Linie eine Frage des Hintereinanders. Nico Rosberg und Lewis Hamilton haben es nach den Vorkommnissen beim Großen Preis von Belgien schon mal im Kleinen und im Guten probiert. Für einen Fernsehsender durften sie mit Miniatur-Silberpfeilen auf einem Couchtisch den drohenden nächsten Zweikampf in der ersten Schikane des Autodromos Nazionale nachspielen. Die skizzierte Kurve war noch enger als jene vor zwei Wochen in Spa, wo es erst auf und dann neben der Strecke zwischen den beiden Teamrivalen krachte. In der Spielzeugauto-Theorie ließen sich die beiden Platz, der eine gleich ein paar Fahrzeuglängen, der andere eher wenig.

Teamchef Toto Wolff stellte die Situation, die sich beim Großen Preis von Italien und den sechs weiteren entscheidenden Rennen dieser Saison jederzeit wieder ergeben kann, ähnlich dar. Der Österreicher wollte nicht verraten, wen er dabei vorn sah, und eigentlich kann ihm das auch egal sein - Hauptsache, künftig kommen beide durch.

Genauso wie sie es vergangene Woche Freitag beim Friedensgipfel in der Rennfabrik von Brackley ausgemacht hatten. Mercedes hatte sich im anschließenden Kommuniqué dazu bekannt, dass allein "hartes und faires Racing" der richtige Weg sei, die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Freie Fahrt also. Nur: Wohin führt das?

Die Unfallbeteiligten hätten in der Gesprächsrunde mit Wolff und Co-Teamchef Paddy Lowe die Nummer-Eins-Regel des Teams akzeptiert: "Die Mercedes-Rennwagen dürfen sich nicht berühren." Die Rede war von einer sechsstelligen Geldstrafe für Rosberg, der die Schuld für den missglückten Überholversuch auf sich genommen hatte. Ansonsten gilt von nun an eine Null-Toleranz-Politik. Die sprach Toto Wolff in Monza für einen möglichen Wiederholungsfall als klare Drohung in die Mikrofone der BBC: "Wir wollen, dass so was nie wieder vorkommt. Wenn doch, dann müssten wir Entscheidungen treffen und als Konsequenz eine andere Fahrerpaarung haben."

Weder Rosberg noch Hamilton können allerdings an einem Cockpitwechsel derzeit großes Interesse haben, stellt Mercedes mit seinem ganzheitlich entwickelten Rennwagen doch wohl weit über diese Saison hinaus das überlegene Auto. Das scheint das probateste Druckmittel zu sein.

Es gilt das James-Dean-Prinzip

Bei der öffentlichen Vergangenheitsbewältigung in Monza war nicht zu erkennen, wer der beiden aus der "Schlitz-Affäre" gestärkt hervorgeht. Die zurückhaltende Körpersprache der beiden auf dem Podium und die sedierte Wortwahl lassen den Schluss zu, dass gerade von allen Seiten verzweifelt versucht wird, eine Arbeitsbeziehung zu kitten. Mit dem mentalen Hindernis, dass Rennfahrer dauerhaft unmöglich mit einer Bremse im Kopf in die Kurve rasen können.

In der Formel 1 gilt das James-Dean-Prinzip aus dem Filmklassiker "Denn sie wissen nicht, was sie tun" - wer zuerst zuckt, hat verloren. Während Rosberg von einer gesunden Rivalität spricht, die das Team erst dahin gebracht habe, wo es jetzt steht, gestand Hamilton eine schlaflose Nacht ein, in der er darüber nachgedacht habe, was da passiert sei. Ganz bewältigt sind Vergangenheit und Crash demnach wohl doch noch nicht - und das wird die Zukunft beeinflussen.

Amüsant an der Angelegenheit war - zumindest für die Nicht-Beteiligten - die Regie beim Podiumsgespräch in Monza. Zwischen die beiden Kontrahenten in Silber hatte der Regisseur Fernando Alonso gesetzt, sozusagen als Puffer. Die Rolle als Friedensbotschafter wollte der Ferrari-Pilot, 2007 bei McLaren mit Hamilton in einen ähnlich harten internen Konflikt verwickelt, aber nicht annehmen: "Das ist nicht meine Aufgabe."

Für die eigentlichen Protagonisten war es ein Show-Down in Moll, Rosberg räumte seine Fehleinschätzung aus der zweiten Runde in Belgien so ein: "Ich bin nicht stolz, wie es in Spa gelaufen ist." Nach seinem Aus hat Hamilton in der WM-Wertung 29 Zähler Rückstand auf Rosberg. Giftpfeile kann sich ein Top-Rennstall auf Dauer nicht leisten, das torpediert erst das Klima und dann umgehend auch die technische und sportliche Weiterentwicklung.

Zwei gegensätzliche Charaktere, die schon lange nicht mehr richtig miteinander können, müssen zum Wohl des Ganzen ausbalanciert werden, was mit sich zuspitzendem Titelrennen und bei der Vorgeschichte zunehmend schwieriger wird. Ein reiner Verwaltungsakt sei das Krisenmanagement aber nicht: "Emotionen haben das Team dorthin gebracht, wo es jetzt ist. Sie haben einen sehr positiven Effekt und helfen uns, das Beste aus uns herauszuholen. Manchmal brechen sie aber auch aus uns heraus", sagt Wolff. Für die generelle Spannung kann das in einer von Mercedes dominierten Saison nur gut sein.

Die Antwort von Lewis Hamilton auf die Frage, ob er seinem Rivalen Nico Rosberg weiterhin vertrauen könne, ist jedenfalls nicht unbedingt eine Entwarnung. Sie war eher das erste gelungene Ausweichmanöver des Rennwochenendes: "Vertrauen ist ein großes Wort. Und es ist nicht unbedingt eins, das für das Rennfahren gilt."

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