Mercedes:Coole Verlierer

Formel 1:  GP von Australien 2017 - Sonntag

Ungewohnte Aufgabe: Formel-1-Pilot Valtteri Bottas (li.) und das Mercedes-Team auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

(Foto: action press)

Das in der Vorsaison erdrückend mächtige Team nimmt den verpassten Auftaktsieg beim Großen Preis von Australien selbstkritisch und souverän hin.

Von Elmar Brümmer, Melbourne

Die Szene, die sich an der Boxenausfahrt im Albert Park abgespielt hatte, musste man gar nicht direkt gesehen haben - der Kameraschwenk auf Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hätte gereicht: Der Österreicher hämmerte mit der Faust auf die Konsole vor dem Zeitenmonitor. Er ahnte, dass Lewis Hamilton am Ende das Nachsehen gegenüber Sebastian Vettel haben würde. Nach 51 Mercedes-Triumphen in 59 Rennen der Hybrid-Ära hatten sich seine Befürchtungen bestätigt, nachdem radikale Regeländerungen in der Formel 1 oft auf Kosten des Machthabers gehen. Aus dem Ruhestand in Monte Carlo twitterte auch Nico Rosberg erstaunt: "Wow, der verrückte Sebastian hat sich Lewis geholt. Das habe ich nicht kommen gesehen." Zum ersten Mal seit 2014 führt kein Silberpfeil-Pilot die WM-Wertung an, auch in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft liegt Ferrari nach dem Saisonauftakt vorn.

"Wow, der verrückte Sebastian hat sich Lewis geholt", textete Rosberg

Aber mit vermeintlichen Versäumnissen in der Taktik hielt sich der Österreicher, dessen Stärke die schonungslose Analyse ist, nicht groß auf. Man habe gar keine Wahl gehabt, Hamilton fehlte einfach der Grip. Wolff ging gleich aufs Ganze und sagte: "Wir waren generell nicht schnell genug. Wir müssen akzeptieren, dass Ferrari einfach besser war." Deshalb habe Hamilton sich von der Pole-Position aus nicht wie geplant absetzen können. Als "charakterbildend" empfindet der Manager diese Niederlage.

"Mein Hunger auf Titel ist jetzt doppelt so groß."

Schon bei den Testfahrten hatte sich die Frühform Ferraris abgezeichnet, dank seiner ganzheitlichen Stärke konnte der Titelverteidiger aber in den zwei Wochen vor Melbourne die Silberpfeile noch so trimmen, dass Hamilton es auf die Pole-Position schaffte und am Start gut wegkam. Das in Mittelengland beheimatete Team war zu Umstrukturierungen gezwungen worden: Technikchef Paddy Lowe wechselte zu Williams, offenbar nicht ganz im Frieden; für ihn kam James Allison von Ferrari. Rosberg wiederum stellte das Team mit dem Rückzug vor vollendete Tatsachen, er wurde durch Valtteri Bottas ersetzt. In dem zugespitzten Wettbewerb, zumal angesichts der massiven Ferrari-Bestrebungen, sind es oft die Nuancen, die den Ausschlag geben.

Trotz des Ausgangs von Melbourne will Wolff nichts erkennen, was jetzt prinzipiell anders werden müsse. Man habe auch keineswegs das Verlieren verlernt: "Wir haben unsere Erfolge nie als gegeben hingenommen, deshalb brauchen wir keine grundsätzlich neue Perspektive." Er gibt sogar cool zu, dass es spannender sei, gegen ein anderes Team zu kämpfen als nur gegen sich selbst, wie es in den letzten drei Jahren häufig der Fall war: "Es ist aufregend, gegen Ferrari zu kämpfen. Das ist eine neue Herausforderung für uns."

Selbst der personifizierte Siegertyp Lewis Hamilton gewann dieser Niederlage "eine Menge Dinge" ab, die ihn stolz machten: "Wir werden alle Hände voll zu tun bekommen. Aber wenn sich die besten Fahrer um den Sieg duellieren, ist das gut für den Sport. Mein Hunger auf Titel ist jetzt doppelt so groß." Der Brite definiert sich als Athlet über die Qualität des Gegners. Auf einen Vergleich zwischen Vettel und seinem letztjährigen Gegenspieler Rosberg will er sich nicht einlassen, und tut es indirekt dann doch: "Ich habe großen Respekt vor Sebastian."

Niki Lauda ist nicht so zurückhaltend, wenn er Bottas und Rosberg vergleichen soll. Dass der Finne in seinem ersten Einsatz für Mercedes als Dritter am Ende nur 1,2 Sekunden Rückstand auf Hamilton hatte, führt den Mercedes-Teamaufsichtsrat dazu, den Finnen als "absolut Rosberg-artig" zu bewerten. "Nett", findet der 27 Jahre alte, vom Mittelklasse-Team Williams gekommene Rennfahrer den Kommentar. Auf Bottas lastete vermutlich der größte Druck im Fahrerfeld. Aber Dritter, damit will er nicht zufrieden sein: "Es ist ein Anfang. Aber ich setze mir sehr hohe Ziele, ich brauche das." Dazu komme seine ganz eigene Art, die Dinge anzugehen: "Ich bin keiner der in Panik gerät. Ich vertraue auf meine Fähigkeiten."

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