Finalturnier im Basketball:Hinter dem Desinfektions-Sprühregen

Basketball Bundesliga - FC Bayern Munich v Ratiopharm Ulm

Münchens Petteri Koponen (rechts) gegen Ulms Andreas Obst.

(Foto: REUTERS)

Am ersten Quarantäne-Spieltag der Basketballer ist die Atmosphäre seltsam, aber weniger gespenstisch als in den Fußballarenen. Titelverteidiger FC Bayern verpatzt den Start.

Von Ralf Tögel

Die Basketballer des FC Bayern München haben den Start in das Finalturnier um die deutsche Meisterschaft, die Mitte März unterbrochen worden war, ordentlich verpatzt. Der Titelverteidiger und klare Favorit kassierte gegen ratiopharm Ulm, das als Tabellenzehnter angereist war, eine verdiente 85:95-Niederlage. Beim Titelverteidiger waren Reboundspiel und Wurfquote mangelhaft, die Münchner leisteten sich viele leichte Fehler und waren in der Defensive meist einen Schritt zu spät.

Das Spiel des Meisters war geprägt von Einzelaktionen. Flüssige Kombinationen blieben die Ausnahme. Lediglich Topscorer Vladimir Lucic, der 23 Punkte erzielte, und mit Abstrichen Paul Zipser (16), Kapitän Danilo Barthel (13) sowie Petteri Koponen (11) konnten überzeugen. Vor allem das Guard-Trio T. J. Bray, Maodo Lo und Zan Sisko blieb vieles schuldig.

Die Gäste wirkten wacher, frischer, verteidigten deutlich aggressiver - und gewannen so deutlich wie verdient. Vor den Augen von FCB-Präsident Herbert Hainer, der den verkorksten Start mit passendem roten Mundschutz und weitgehend regungslos zur Kenntnis nahm, hatten die Gäste überraschender Weise auch die größeren Kraftreserven. Trainer Oliver Kostic hat ja oft daran erinnert, wie wichtig die Unterstützung der Zuschauer im heimischen Audi Dome ist, besonders im Basketball ist eine laute Kulisse ein unschätzbarer Bonus. Diesen Heimvorteil gibt es angesichts leerer Ränge nunmal gerade nicht, was man dem Spiel der Bayern deutlich anmerkte.

Die Stimmung im Dome erinnert ein bisschen an das Oktoberfest

Es ist eine seltsame Szenerie ohne Zuschauer gewesen, immerhin ist die Atmosphäre weniger gespenstisch als in den riesigen Fußballarenen: Die Halle ist kleiner, die Tribüne in München verdunkelt, das kaschierte den ungewohnten Anblick deutlich. Die kürzere Spielzeit trägt ebenfalls dazu bei, dass die Partien weniger trostlos wirken als beim Fußball. Hinzu kommt die in den Unterbrechungen eingespielte Musik. Die Stimmung im Dome erinnerte ein bisschen an das Oktoberfest, wenn am Autoscooter oder im Teufelsrad der Mann am Mikrofon mit eingespielten Jingels und launigen Sprüchen für Unterhaltung sorgt: Nie war ein Hallensprecher wertvoller als bei dieser Meisterschaft.

Spätestens wenn man als Medienvertreter die Sicherheitsschleuse vor dem Eingang mitsamt dem Sprühregen aus Desinfektionsmittel von der Decke passiert hat, steht fest, dass diese deutsche Meisterschaft die ungewöhnlichste aller Zeiten ist. Und man stellt fest, wie ernst es die Basketball-Bundesliga (BBL) mit dem Sicherheitskonzept nimmt. Der Spielbereich ist großzügig abgesperrt, dort darf nur hinein, wer auch im Quarantäne-Hotel wohnt.

Kampfgericht und Spielleitung befinden sich in einem Plexiglaskasten, damit es keinerlei Kontakt zum aktiven Personal gibt. Die Bestimmungen würden darüber hinaus ständig nachgeschärft, wie der Projektleiter des Hygienekonzepts Dr. Florian Kainzinger dem übertragenden Sender Magentasport mitteilte.

Das Turnier ist eine Chance für die Liga - und die Spieler

Dass nicht nur Veranstalter und Ausrichter vor ungeahnte Herausforderungen gestellt sind, zeigte sich schon im Eröffnungsspiel zwischen der BG Göttingen und den Merlins Crailsheim. Nach drei Vierteln lag der Spielmacher der favorisierten Crailsheimer - die immerhin Tabellendritter waren, als die Saison Mitte März unterbrochen worden war - mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Boden. Fortan musste DeWayne Russel von Krämpfen in den Beinen geplagt weitgehend passen. Es ist ja eine der großen Unbekannten, ob die Körper der Profis nach der langen Pause und der kurzen Vorbereitung dieser dreiwöchigen Belastung gewachsen sind. Es zeigte sich aber auch, dass dieses Turnier Chancen bietet. Für die Liga, die der Basketball-Welt zeigt, dass trotz Virusgefahr ein Format von diesem Ausmaß möglich ist. Und für die Spieler, die sich in jener ungewöhnlichen Situation als einzige professionellen Hallensportler beweisen dürfen.

Jedenfalls gewann Göttingen 89:78. Dabei überragte der mit 1,80 Metern recht kleine Spielmacher Bennet Hundt, der im herkömmlichen Saisonabschnitt klar im Schatten des Kollegen Kyan Andersson stand. Weil der es aber vorzog zu Hause in den USA zu bleiben, nutzte Hundt die Gelegenheit und war mit 30 Punkten der Sieggarant.

Auch die Bayern taten sich überraschend schwer, was auch an einem äußerst gut aufgelegten und bissigen Gegner lag. Die Ulmer ließen sich vom hochkarätig besetzten Kader des Titelverteidigers kein bisschen beeindrucken und suchten hartnäckig ihre Chance. Zwar legten die Münchner in der ersten Halbzeit stets vor, aber die Schwaben hatten immer wieder gute Antworten. Vor allem der pfeilschnelle Point Guard Tyler Harvey (21 Punkte), Thomas Klepeisz (17), der aus Braunschweig kam, und Center Gavin Schilling (10) ragten aus einer ansonsten homogenen Truppe heraus, die sich kurz vor der Pause erstmals eine Führung erarbeitete und diese mit dem knappen 41:40-Vorsprung mit in die Kabine nahm.

Fortan war es ein Kräftemessen auf Augenhöhe, in dem die Führung mehrmals wechselte. Dann nahm die Fehlerquote der Bayern zu, der Meister wirkte müde. Ulm nutzte das recht abgezockt und ging mit einer 62:58-Führung ins letzte Viertel. In dem verließ den FC Bayern neben den Kräften auch zusehends der Glaube an den Erfolg. Letztlich blieb die Erkenntnis, dass sich der Meister enorm steigern muss, um den dritten Titel in Serie einzufahren

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