Dominanz in der Bundesliga:Bayern oder nix

Vor einem halben Jahr waren "spanische Verhältnisse" noch das gemeinsame Schreckensszenario der Liga - spätestens nach dem direkten Aufeinandertreffen von Bayern und Dortmund am Wochenende sind sie nur noch Wunschvorstellung. Das Duopol der Champions-League-Finalisten wird eher mono.

Ein Kommentar von Christof Kneer

Die Verben waren unterschiedlich, immerhin, so kam wenigstens etwas Abwechslung in die Debatte. Bayern-Präsident Uli Hoeneß "befürchtete" spanische Verhältnisse, sein Mainzer Kollege Harald Strutz "warnte" vor ihnen, Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen "sorgte" sich ihretwegen. Ein paar weitere Schlagzeilen aus dem Sommer: "Spanische Verhältnisse: ein großes Problem!" (Günter Netzer); oder: "Götze-Transfer zementiert spanische Verhältnisse" (1000 Zeitungen).

Wie sich die Zeiten ändern: Vor einem halben Jahr waren "spanische Verhältnisse" noch das gemeinsame Schreckensszenario der Liga. Spätestens seit dem Wochenende sind sie wohl nur noch eine gemeinsame Wunschvorstellung.

Für alle, die nur soziale, finanzielle oder eheähnliche Verhältnisse kennen: Der Terminus "spanische Verhältnisse" nimmt Bezug auf die spanische Fußballliga, in der die Spannung nur darin besteht, ob der FC Barcelona oder Real Madrid Meister wird (was meistens auch die Frage klärt, wer Zweiter wird, nämlich der FC Barcelona oder Real Madrid).

So ähnlich hat sich auch die Bundesliga ihre Zukunft vorgestellt, sie hat sich auf ein dauerhaftes Duopol der Champions-League-Finalisten Bayern und Dortmund gefasst gemacht - nun aber ahnt sie, dass das Duopol doch eher mono werden könnte. Wenn dieses Wochenende nicht täuscht, dann besteht die Spannung eher darin, an welchem Spieltag die Bayern Meister werden, ob sie dann elf oder 15 Gegentore kassiert haben werden - und ob Pep Guardiola es schafft, Lahm, Thiago, Kroos, Götze, Martínez und Schweinsteiger in einem Dreier-Mittelfeld unterzubringen.

Es stimmt, dass das Spiel der Dortmunder viel besser aussah als das Ergebnis, es stimmt, dass sie niederträchtig viel Pech hatten mit ihren Verletzten - aber gerade dieses Pech gibt den Blick frei auf die tiefere Wahrheit. Die Bayern haben so viele erfolgreiche Jahre und damit so viele Millionen Vorsprung, dass sie sich von derartigen Hiobsbotschaften weitgehend emanzipiert haben. Fehlen Ribéry oder Schweinsteiger, entscheiden das Spiel eben Götze oder Thiago, den sich Guardiola im Sommer mal eben wünschen durfte ("Thiago oder nix").

Wenn es stimmt, was Guardiola sagt - dass seine Elf "noch lange nicht am Gipfel" sei -, dann müssen sich die Dortmunder womöglich darauf einstellen, dass der Maßstab dieses Duells von 34 Spieltagen auf 90 Minuten schrumpft. In einem einzelnen Spiel wird der BVB immer in der Lage sein, gegen die Bayern Sondereffekte nutzbar zu machen - ob das aber noch mal über eine ganze Saison funktioniert, könnte künftig auch von der Gnade der Bayern abhängen. Sie haben nicht nur die Macht des Kapitalismus auf ihrer Seite, sondern inzwischen auch einen visionären Trainer, der mitunter Antworten auf Fragen findet, die noch gar niemand gestellt hat.

Der BVB hat schwere Wochen vor sich, aber die Macht des Kapitalismus wird auch ihn beschützen. Er hat in der Champions League so viel Substanz aufgebaut, dass er eines nicht befürchten muss: dass er sich im Duell mit Bayern dauerhaft überanstrengt haben könnte.

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