Meisterschaft des FC Bayern:Heynckes hat seine Bayern verwandelt

FC Augsburg v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Jupp Heynckes hat großen Anteil an der guten Stimmung und dem Titelgewinn der Bayern.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der sechste Bayern-Meistertitel in Serie ist ein Verdienst von Jupp Heynckes: Torwart Ulreich redet er stark, Innenverteidiger Boateng bleibt er treu, Robben und Ribéry begleitet er streng - eine Würdigung.

Von Benedikt Warmbrunn

Der Mann, den am Samstag alle feierten, dachte am Ende an einen, den alle anderen vergessen hatten. "Ich möchte noch einen Gruß nach Italien schicken, zu Carlo Ancelotti", sagte Jupp Heynckes, "auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch zur deutschen Meisterschaft, weil er war mein Vorgänger. Ich denke, dass er nicht nur ein großartiger Trainer ist, sondern auch eine tolle Person."

Letzteres ist beim FC Bayern unstrittig. Dass Ancelotti ein ganz großartiger Trainer sein könnte, diese Einschätzung hat Heynckes dagegen vermutlich exklusiv im Verein. Dieses Kompliment vergeben sie beim FC Bayern zurzeit nur an: Jupp Heynckes. "Er hat eine Riesenarbeit geleistet, er hat aus dem FC Bayern wieder das gemacht, was er sein muss", sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge nahm sich vor, am Samstagabend auch "auf den Trainer" das "eine oder andere Glas Rotwein" zu trinken und sich "vielleicht" eine Zigarre anzuzünden.

Auf den Tag genau ein halbes Jahr war Heynckes am Samstag wieder Trainer des FC Bayern, mit dem 4:1 (2:1) in Augsburg hat er die 28. Meisterschaft des Vereins gesichert, die sechste in Serie, dazu seine persönlich vierte als Trainer. Vor allem aber hat er die erstaunlichste Wandlung einer Münchner Mannschaft in der jüngeren Vergangenheit bewältigt.

Als der 72-Jährige am 7. Oktober zum vierten Mal als Trainer in München angefangen hatte (übrigens nach einem Zwischenspiel unter Willy Sagnol, dem Heynckes nicht gratulierte), hatte das Team fünf Punkte Rückstand auf den damaligen Tabellenführer Dortmund. Nach dem 29. Spieltag liegt der erste Verfolger, Schalke, 20 Punkte hinter dem FC Bayern. Selbst wenn die Mannschaft am 7. Oktober keinen einzigen Punkt gehabt hätte, wäre sie mit den unter Heynckes gesammelten Punkten nun Tabellenerster - mit sechs Zählern Vorsprung.

Heynckes versuchte, den Lobeshymnen zu entgehen, er sagte: "Ich denke, dass es ein Erfolg aller ist, nicht nur von mir." Vergeblich. "Wenn man ihn arbeiten sieht, das ist Wahnsinn", schwärmte Salihamidzic. Diese Meisterschaft von 2018 ist die Meisterschaft des Jupp Heynckes. Sie verdient daher eine Würdigung des Trainers in vier Facetten.

Der klassische Heynckes

Als der Trainer zurück nach München kam, hatte der FC Bayern eine Schwachstelle: die Position des Torhüters. Nachdem sich Manuel Neuer erneut den Mittelfuß gebrochen hatte, war Sven Ulreich der Stammtorwart. Gleich in seinem zweiten Ligaspiel patzte Ulreich, der FC Bayern spielte gegen Wolfsburg 2:2, wenige Tage später war der tolle Mensch Ancelotti nicht mehr Trainer. Und in München gab es leise Diskussionen, ob der Verein vielleicht im Winter einen neuen Torwart verpflichten solle, zumal Ulreichs Vertrag im Sommer 2018 auslaufen würde.

Heynckes machte mit Ulreich gleich in seinen ersten Tagen das, was ihn als Trainer auszeichnet. Er sprach viel mit ihm, sagte ihm, dass er auf ihn zählt. Und er arbeitete an den Kleinigkeiten - der frühere Angreifer sagte dem Torwart, dass das Toreschießen umso schwieriger wird, je länger der Torwart stehen bleibt und je größer er sich macht. Ulreich wurde immer größer, bereitete in der Champions League in Glasgow ein Tor vor, in der Liga kassierte er unter Heynckes in zehn von 20 Partien kein Gegentor. Mittlerweile gibt es keine Diskussionen über Ulreich mehr, er hat seinen Vertrag verlängert. Sein erster Fürsprecher, schon im Dezember: Heynckes.

Der treue Heynckes

Einer derjenigen, die Ancelotti wohl nicht als einen ganz so großartigen Trainer empfunden haben, ist Jérôme Boateng. Der Innenverteidiger hatte sich im Sommer vorsichtig im Verein über seine Zukunft informiert, so wenig Vertrauen spürte er. Ancelotti wechselte in der Innenverteidigung wild durch, Boateng, Mats Hummels, Niklas Süle, Javier Martínez, einen Stammspieler gab es nicht.

Heynckes formierte bereits im ersten Spiel nach seiner Rückkehr, beim 5:0 gegen Freiburg, die Startelf so, dass sie an seine Elf aus der Triple-Saison 2012/13 erinnerte; so kehrte Martínez zurück auf die Position vor der Abwehr. Heynckes' Treue zeigt sich am deutlichsten im Umgang mit Boateng. In den ersten Wochen schonte er diesen gelegentlich, der Innenverteidiger hatte Monate voller Verletzungen hinter sich. Doch seit Dezember ist Boateng Stammspieler, Heynckes verzichtet nur selten auf ihn. Ein Aussetzer des Innenverteidigers wie vor dem Gegentor in Augsburg ist längst wieder die Ausnahme.

Der strenge Heynckes

Die wohl größte Unwahrheit über Jupp Heynckes ist die, dass er nur ein lieber Onkeltyp ist. Richtig ist: Heynckes kann auch ein strenger Onkeltyp sein. Als einer der ersten musste das James Rodríguez erfahren.

James als Mittelpunkt

Wegen kleinerer Beschwerden verzichtete dieser, geholt auf Wunsch von Ancelotti, Ende Oktober auf die Pokalreise nach Leipzig. Wenige Tage später tadelte ihn der Trainer dafür, versicherte James aber auch, dass er sich viel von ihm verspreche (siehe: der klassische Heynckes). Inzwischen ist James der Mittelpunkt des Offensivspiels, in seinen jüngsten sieben Bundesliga-Einsätzen war er an elf Treffern beteiligt, gegen Augsburg erzielte er das 2:1. Wenn es drauf ankommt, spielt James (siehe: der treue Heynckes). Weswegen manchmal andere spüren, dass der Trainer nicht immer der liebe Onkeltyp ist. Zum Beispiel Franck Ribéry und Arjen Robben.

Als die Mannschaft nach dem Sieg in Augsburg vor den mitgereisten Fans feierte und die Zuschauer den Trainer herbeigerufen hatten ("Juppjuppjuppjupp!"), ehrte Heynckes die Routiniers, indem er sie von den Fans besingen ließ. Was für Heynckes den angenehmen Nebeneffekt hatte, dass diese nicht mehr juppjuppjuppjuppten. Die Flügelspieler mussten in dieser Saison allerdings auch erkennen, dass Heynckes' Treue Grenzen hat. Mit strenger Führung hat er sie darauf eingestimmt, dass sie in Zukunft häufiger auf der Bank sitzen müssen, und doch moderierte er so einfühlsam, dass sie nur selten laut grummelten.

FC Augsburg - Bayern München

Die prominenste Wechselbank der Welt (von links nach rechts): Robert Lewandowski, Javi Martínez, Thiago Alcántara, Franck Ribéry und Thomas Müller saßen zu Beginn der Partie in Augsburg draußen.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Nachdem Robben in der Champions League in Sevilla auf der Bank saß, versprach Heynckes ihm einen Platz in der Startelf in Augsburg sowie am Mittwoch im Rückspiel gegen Sevilla. Robben dankte es mit dem Tor zum 3:1 beim FCA. Was noch dagegen spreche, die auslaufenden Verträge der beiden zu verlängern? "Nicht viel", sagte Rummenigge. Allein wegen dieser Moderationsleistung ist der nächste Trainer schon jetzt dazu verpflichtet, in seiner Dankesrede zur siebten Meisterschaft in Serie auch Heynckes zu gratulieren.

Der nachsichtige Heynckes

Eine der ersten Forderungen des Trainers lautete: Der Verein müsse einen Ersatz für Robert Lewandowski verpflichten. Also kam im Winter Sandro Wagner. Seitdem muss Lewandowski nur noch exakt jede zweite Partie durchspielen. Und obwohl sich die Gerüchte halten, dass Lewandowski in Kontakt mit anderen Klubs stehe (hartnäckig hält sich das Real-Madrid-Gerücht), hat der Trainer an seinen Stürmer stets nur eine Botschaft: Dass der FC Bayern seine Heimat sei. Und dass er weiterhin nicht zu ersetzen sei. Lewandowski verstand, er trifft in gewohnter Regelmäßigkeit, allein in der Liga in der Rückrunde elfmal. Sollte Lewandowski bleiben, sichert auch dieser Umgang Heynckes einen Platz in der nächsten Dankesrede.

Am späten Samstagabend sendete übrigens noch Ancelotti über Twitter seine "herzlichen Glückwünsche", sich selbst gratulierte er nicht, dafür aber "meinem Freund Jupp Heynckes". Es war der Glückwunsch eines tollen Menschen an einen großartigen Trainer.

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