Bundesliga:Eine Lex Fußball darf es nicht geben

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Pausiert offiziell bis Ende April: Die Fußball-Bundesliga. (Foto: dpa)

Viele Bundesligisten trainieren wieder und machen damit einen kleinen Schritt zurück in die Normalität. Doch dass unter Großaufwand Spiele stattfinden, während Schulen und Geschäfte geschlossen sind, ist undenkbar.

Kommentar von Thomas Kistner

Die Bundesliga bereitet sich vor. Auf die Zeit danach. Den Profiklubs bleibt ja nichts anderes übrig, alle Szenarien für ein Soft-Opening werden durchgespielt. Am Montag startete der FC Bayern als naturgemäß prominentester Klub wieder in sowas wie eine Art Training auf dem Platz. In Kleingruppen, mit Mindestabstand, ohne Zweikämpfe und geduscht werden soll zu Hause. Es ist der Versuch, einen halben Schritt wieder zurück zur Normalität zu machen. Aber einen Wiedereinstieg in den Spielbetrieb - den sieht noch niemand kommen. Und wenn er kommt, muss er auf sehr schonende Art passieren.

Es ist legitim, dass der Profibetrieb jede Option prüft, und es ist nachvollziehbar, dass er an den Türen des großen, gesamtgesellschaftlichen Lock-Downs rüttelt. Anders als fast alle anderen von den Quarantäne-Restriktionen betroffenen Wirtschaftsbereiche, die im Stillen für die Wiederöffnung planen, hat der Fußball mediale Aufmerksamkeit. Aber das wird nun ein Ritt auf der Rasierklinge. Es hilft dabei, dass der deutsche Fußball unter dem besonnenen Krisenverwalter und DFL-Chef Christian Seifert ein besseres Bild abgibt als die englische Premier League, wo die milliardenschweren Besitzer unter anderem des FC Liverpool auf dreiste Art Staatshilfen für ihre einfachen Mitarbeiter beanspruchen.

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Die Branche erstellt Untergangsszenarien, auf einer Videokonferenz der 36 Profiklubs aus erster und zweiter Liga wurde erörtert, dass 13 von ihnen noch in der Saison die Insolvenz droht. Laut Magazin kicker werden sieben Klubs Ende Mai zahlungsunfähig, falls der Ball bis dahin nicht rollt. Im Oberhaus sei ein Verein akut bedroht, drei weitere müssten den Insolvenzverwalter im Juni bestellen.

Unter diesem Druck ruht alle Hoffnung auf Geisterspielen: ohne Stadionbesucher, aber halt trotzdem mit 200 oder mehr Beteiligten, die es braucht für so ein Fernsehevent. Ginge das wirklich? Dass die einen mit Großaufwand kicken dürfen, um zu überleben, während die anderen ihre Läden, Firmen, Gastronomien geschlossen halten und machtlos die Tage bis zum Untergang runterzählen müssen?

Es ginge nicht. Eine reine Lex Fußball ist undenkbar - da hilft auch der listige Hinweis nicht, Fußball könne ja in düsteren Zeiten just dieses Lagerfeuer entzünden, an dem sich die isolierte Gemeinschaft versammeln und erwärmen kann.

Je evidenter die Notlage wird, umso spannendere Fragen stehen im Raum. Wo sind all die Milliarden hin, die dieser personell überschaubare Unterhaltungszweig über Dekaden generiert hat? Die Antwort steckt in der veritablen Luxusindustrie, die dieses Gewerbe umspannt und viel zur Markenbildung beitrug. Als 2018 das Wirtschaftsmagazin Forbes die Einkünfte der acht Top-Spielerberater ermittelte, kam es auf 324,8 Millionen Euro. Und die zehn teuersten Transfers vor dieser Saison bewegten insgesamt 945 Millionen Euro. Knapp eine Milliarde.

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So ist die Schieflage auch strukturell bedingt, in einem Betrieb mit wenigen Marktteilnehmern, der solche Summen bewegt. Zum Strukturproblem zählt, dass der Fußball seinen Reibach ungleich verteilt. Von Traumgagen können viele Zweit- und fast alle Drittliga-Profis nur träumen. Das beschert der Branche in der Krise eine Erkenntnis: Sie ist ein Solidarbetrieb. Gehen die ersten unter, fallen die Dominosteine, am Ende helfen den Überlebenden Hunderte Millionen auf dem Klubkonto nichts, wenn es nicht mehr viele gibt, gegen die sie spielen können.

Der Fußball rüttelt an Türen, die das Virus für alle verriegelt hat, deshalb werden auch alle genau hinschauen. Alle: nicht nur die Fans. Umverteilung, Reformen, Gehaltsreduzierung, temporärer Verzicht wären die Themen, damit möglichst viele saniert aus der Insolvenz-Welle kommen. Gesellschaftliche Priorität hat der Fußball nicht. Wenn er aber jetzt sein turbokapitalistisches Wesen nicht bändigen kann, wird ihn diese Krise sehr viel mehr kosten als nur den Verlust seiner schwächsten Marktteilnehmer.

© SZ vom 06.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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