50. Geburtstag von Mehmet Scholl:Das immerjunge Schlitzohr

Mehmet Scholl stand für Fußballkunst und freche Sprüche, nur als TV-Experte und Trainer war er schnell weg. Nun wird er 50 - eine Würdigung.

Von Theo Harzer und Johannes Kirchmeier

Anfänge in Karlsruhe

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(Foto: imago sportfotodienst)

Wenn ein Weltmann wie Mehmet Scholl runden Geburtstag feiert, dann muss man auch an seine Anfänge denken. Geboren ist er am 16. Oktober 1970 in Karlsruhe in Baden-Württemberg und dort wuchs Scholl auch auf. Los ging's als Fußballer beim SV Nordwest Karlsruhe, doch lange blieb das Talent des kleinen Mehmet den Scouts vom nahen Profiverein KSC nicht verborgen. So kickte Scholl ab der C-Jugend für den größten Klub der Stadt und kam im Alter von 19 Jahren, am 21. April 1990, unter dem Karlsruher Langzeittrainer Winnie Schäfer (im Bild links) zum ersten Mal in der Bundesliga zum Einsatz. Gegen den 1. FC Köln wurde er in der 74. Minute eingewechselt und traf in dem Spiel noch zum 5:0-Endstand. Ein Teamkollege damals war übrigens der junge Titan Oliver Kahn, der bald zum Stammtorwart beim KSC aufsteigen sollte. Scholl spielte aber erst einmal nur noch zwei Jahre mit ihm zusammen. Seine Fähigkeiten als torgefährlicher Mittelfeldspieler mit herausragender Technik übersah der große deutsche Fußball-Einkäufer Uli Hoeneß vom FC Bayern München nicht.

Zum Weltklub FC Bayern München

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Im Sommer 1992 verpflichtete Hoeneß den 21-jährigen Scholl für zweieinhalb Millionen D-Mark - Kahn sollte ihm zwei Jahre später zum FC Bayern folgen. Und in München schnackelte es auf dem Platz von Beginn an: Scholl war Stammspieler und absolvierte 31 Bundesliga-Spiele in der ersten Saison. Und abseits des Platzes lief es erst recht: Der "Scholli" wurde zum Teenie-Idol mit allergrößter Medienaufmerksamkeit. Dreimal erhielt er den Bravo Sport Gold-Otto. Ganz ohne Eskapaden überstand er die Zeit als junger Hüpfer beim "FC Hollywood" aber damals nicht. Besonders die Trennung von Frau und Kind Lucas, der später selbst beim FC Bayern spielte, bestimmte die Schlagzeilen. Die verschwanden aber immer wieder. Denn im roten, weißen, goldenen und sogar blauen (!) Bayern-Trikot mit der Nummer 7 zeigte Scholl immer wieder spektakulären Fußball. Seine Kreativität, seine Dribblings und Schlenzer wurden zum Markenzeichen, er prägte das Offensivspiel des Rekordmeisters, wurde Champions-League-Sieger 2001 und galt zwischenzeitlich als einer der besten Mittelfeldspieler der Welt. Trotz aller Erfolge war Scholls Karriere gezeichnet von vielen Verletzungen, immer wieder fiel er aus und musste sich wieder herankämpfen. Einen "Drückeberger" nannten ihn schon einige - doch stand er ob seiner Ausfälle auch immer wieder kurz vor dem Aufhören. Am 34. Spieltag der Saison 06/07 schoss Scholl dann sein letztes Bundesligator für die Bayern gegen den FSV Mainz 05 - er blieb ein immerjunges Schlitzohr. Im Alter von 36 Jahren beendete er trotzdem seine Karriere als mittlerweile kerniger Bayer in Lederhose.

In der Nationalmannschaft

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(Foto: imago images/Laci Perenyi)

1995 durfte Mehmet Scholl erstmals mit dem Adler auf der Brust auflaufen, im Europameisterschafts-Qualispiel gegen Wales. Beim EM-Titelgewinn der Deutschen im Jahr darauf war er Teil des Kaders. In den K.o.-Spielen durfte er jeweils von Beginn an aufs Feld, im Finale wurde er gegen den späteren Golden-Goal-Helden Oliver Bierhoff ausgewechselt. Die Wertschätzung des Bundestrainers - und ehemaligen Verteidigers - Berti Vogts für den Feingeist Scholl hielt sich in Grenzen: Für die WM 1998 in Frankreich nominierte er den Mittelfeldspieler gar nicht. Tragisch ist es daher, dass Scholl im Nationaltrikot vor allem als Teil der Ära der Rumpelfüßler in Erinnerung bleibt: Nach knapp zweijähriger Nationalmannschafts-Abstinenz kam Scholl (im Bild mit Lothar Matthäus und Paulo Rink) unter dem neuen Trainer Erich Ribbeck wieder vermehrt zum Einsatz und erzielte bei der vermurksten EM 2000 das einzige Tor der deutschen Auswahl. Nach der Vorrunde war schon Schluss. Im Frühjahr 2002 trat er aus gesundheitlichen Gründen aus dem Nationalteam zurück. An einer WM-Endrunde hat er nie teilgenommen.

Scholls große Erfolge

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(Foto: Uwe Kraft/imago)

Sein größter Erfolg sollte bitter starten: Im Finale der Champions League 2001 verschoss Mehmet Scholl gegen den FC Valencia früh im Spiel einen Elfmeter. Doch Kollege Stefan Effenberg und später vor allem der Torwart Oliver Kahn als Penalty-Held machten es besser - und so konnte der FCB das Spiel am Ende im Elfmeterschießen gewinnen. Es war für Scholl der süße Erfolg nach viel Bitternis: Denn voran ging die Mutter aller Niederlagen, das Trauma von 1999 gegen Manchester United. 84 Minuten lang führte der FCB mit 1:0, in der Nachspielzeit drehten die Engländer nach zwei Ecken die Partie - Scholl sah das wie der alte Kumpan Kahn aus nächster Nähe auf dem Spielfeld. Aber auch mit seinen vielen Meistertiteln konnte sich Scholl darüber hinwegtrösten, acht DM-Titel gewann er. Damals war er damit Rekordhalter, heute stehen Oliver Kahn, Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger ebenfalls bei acht Titeln, Thomas Müller, Franck Ribéry und Alaba haben sogar neun Meistersausen feiern dürfen. Als Dreingabe gab's fünfmal den DFB-Pokal. Und natürlich dreimal diesen Bravo Sport Gold-Otto.

Das Karriereende 2007

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Na klar, so ein Fußballer mit einem verschmitzten Lächeln und dem Schalk im Nacken, der kann ja später nur Filmstar werden. Gut, dazu hat es jetzt vielleicht nicht ganz gereicht bei Mehmet Scholl, aber nach seinem Karriereende 2007 erschien immerhin die Dokumentation Frei: Gespielt - Mehmet Scholl - Über das Spiel hinaus. Zwei Filmemacher hatten ihn in seinen letzten Monaten als Profifußballer begleitet und dem Zauberfuß auch ein kleines filmisches Denkmal setzen dürfen. Außerdem ließ sich auch der große FC Bayern nicht lumpen. Nach 15 Jahren in München fand im August 2007 Scholls Abschiedsspiel in der Fröttmaninger Arena gegen den FC Barcelona statt. Bloß es gewannen für Scholls Geschmack die falschen, die Katalanen mit 1:0. Seine Rückennummer, die 7, übergab Scholl im Anschluss an das Spiel feierlich an den damaligen Zugang Franck Ribéry, der sie wiederum zwölf Jahre trug - eine langlebige Ziffer also. "Nummernerbe" des Franzosen und damit indirekter Nachfolger Scholls ist Serge Gnabry. Die 7 bleibt also die Nummer der Freigeister und Spielgenies.

Sprüche und TV-Experte

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(Foto: dpa)

Schon zu seiner aktiven Zeit war Mehmet Scholl bekannt für seine markigen, teils provokanten Sprüche. So äußerte er politische Meinungen ("Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt!"), gab Kommentare zum Golfsport ab ("Ich werde nie Golf spielen. Erstens ist das für mich kein Sport und zweitens habe ich noch regelmäßig Sex!") und offenbarte der Öffentlichkeit seine Ängste ("Krieg und Oliver Kahn"). Besonders deutlich wurde sein zumindest ansatzweise vorhandenes lyrisches Talent, als er das Sprücheklopfen zum Haupterwerb machte und bei der ARD als Experte auftrat. 2008, bei der Europameisterschaft kommentierte er an der Seite von Reinhold Beckmann. Zwei Jahre später folgte er Günter Netzer als Stammexperte. Unvergessen bleibt dabei Scholls Analyse zur Leistung von Mario Gomez bei der EM 2012: "Ich hatte zwischendurch Angst, dass er sich wundgelegen hat und mal gewendet werden muss", für die er sich im Nachhinein entschuldigte. Die Analyse begleitete fortan sowohl Scholls als auch Gomez' weitere Karriere. Das Engagement bei der ARD endete - typisch Scholl - mit einem Knalleffekt: im Jahr 2017 während des Confed Cups in Russland, als Scholl und die ARD sich offenbar uneins über Dopingberichterstattung während des Cups waren. Scholl wollte lieber über die Erfolge der Nationalelf reden. Als nicht auf ihn gehört wurde, habe er gesagt: "Ich gehe. Und dann bin ich gegangen." Thomas Hitzlsperger ersetzte ihn.

Hobbys und Leidenschaften

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(Foto: imago images/Mavericks)

Mehmet Scholl, das ist ein Mann des Rampenlichts. Er braucht die Bühne - und die Bühne manchmal auch ihn. Und so ist Scholl bislang durch verschiedenste Leidenschaften öffentlich in Erscheinung getreten. Seine Liebe zum Indie-Rock zeigt er jeden Monat aufs Neue in seiner Radiosendung Mehmets Schollplatten mit dem bekennenden Löwen-Fan (!) Achim Bogdahn auf Bayern 2. Im Rahmen des Projekts "Goldgrund Immobilien Organisation" engagierte sich Scholl auch für sozialen und günstigen Wohnraum in München, als er, zusammen mit anderen Prominenten, eine Wohnung in der Müllerstraße renovierte. Auf dem Dach des Hauses ist inzwischen ein Bolzplatz entstanden. Die Stadt wollte das Gebäude eigentlich abreißen. Scholls zweite sportliche Heimat, und jetzt wird es fast etwas bizarr beim Lebemann, ist das Kegeln, Bereits in jungen Jahren wurde Scholl mit seinem Karlsruher Kegelklub deutscher Jugend-Vizemeister, auch in der ersten Mannschaft der Kegelabteilung des FC Bayern war er aktiv.

Trainerkarriere

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(Foto: imago images/Jan Huebner)

Fast alles, was Mehmet Scholl (im Bild mit Gerd Müller) anfasste, wurde erfolgreich. Aber nur fast alles, denn da war noch die Taktiktafel - Scholl war nach seiner Fußballerkarriere auch Trainer. Doch da haperte es ein wenig beim Mittelfeldspieler, dem auf dem Platz einst so vieles so scheinbar leichtfiel. Im Herbst 2008 übernahm Scholl die U13 des FC Bayern, bevor er ein halbes Jahr später zum Trainer der Drittliga-Mannschaft (FC Bayern II) berufen wurde, nachdem Hermann Gerland als Co-Trainer der ersten Mannschaft einsprang. Scholl schaffte zweimal den Klassenverbleib, weil er aber die erforderliche Trainerlizenz nicht besaß, musste der FC Bayern zur Saison 2009/2010 eine Strafe an den DFB zahlen. Scholl beendete seine Tätigkeit als Trainer nach dieser Saison und verließ den FC Bayern somit nach 18 Jahren. Zwar feierte er sein Comeback als Trainer der zweiten Mannschaft im Sommer 2012, verließ den FCB nach nur einem halben Jahr aber zum zweiten Mal, da sich die Tätigkeit als Trainer im Interessenkonflikt zu seiner Beschäftigung als TV-Experte befand. In der Folge fand er keinen neuen Klub mehr als Coach.

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