Medienkritik zu Olympia:Moderatorin Wellmer - gar kein wurstiger Typ

Jessy Wellmer Rio de Janeiro XXXI XXXI Olympische Spielen in Rio de Janeiro ARD und ZDF werden in; Jessy Wellmer ARD Olympia

Jessy Wellmer

(Foto: imago/Poling)

Wer morgens Olympia schaut, kennt Jessy Wellmer. Sie glaubt an Ironie im Sportjournalismus - mehr als an die eigenen Qualitäten.

Von Anna Dreher

Diese Frage war natürlich schon ein bisschen komisch, aber Oliver Roggisch hatte sich wohl gedacht, dass so etwas kommt. Der Team-Manager der deutschen Handball-Nationalmannschaft hätte besser zielen müssen, dann wäre er der Frage von Jessy Wellmer entgangen. Aber so musste er eben antworten, das waren die Spielregeln auf die er sich eingelassen hatte.

Das "Ringterview" der ARD bei den Olympischen Spielen in Rio funktioniert so: fünf Ringe müssen auf ein Ziel geworfen werden, bei einem Treffer kommen angenehme Fragen, ansonsten ungewöhnliche bis unangenehme. Roggisch warf daneben. "Wenn du eine Pizza wärst, welche Pizza wärst du?", fragte also die ARD-Moderatorin und grinste Roggisch an. Er antwortete souverän: Pizza Salami, er habe als Kind Akne gehabt, das passe am besten. "Nicht, weil du auch sonst so ein wurstiger Typ bist?", lautete die Nachfrage. Roggisch schaute irritiert: "Wurstiger Typ?"

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Das "Ringterview" soll unterhalten. Dass auch bei einem Fehlwurf keine wirklich unangenehme Frage kommt, wissen die Sportler. Aber aus der Fassung gebracht werden, das kann natürlich trotzdem passieren - vor allem bei Jessy Wellmer. So ganz ohne Studio am Strand der Copacabana kommt noch mehr als mit Moderationskarten und dem festem Sendungsrahmen das zum Vorschein, was Wellmer auszeichnet: der Witz und die Schlagfertigkeit der 36-Jährigen. Wellmer gehört zu den Moderatorinnen, die auffallen, weil sie so angenehm locker, unaufdringlich und souverän sind.

In Rio moderiert sie in erster Linie die frühmorgendliche Highlight-Sendung zusammen mit Michael Antwerpes. Oft kurzweilig und auch im Zusammenspiel mit dem Routinier zeigt sich ihr frecher Charme. Manchmal aber kommt durchaus die Frage auf: Muss das so sein? Wenn die meist selbst um vier Uhr morgens brasilianischer Zeit gekonnte Doppelmoderation dann doch überzogen und übertrieben wirkt - wie es inzwischen häufiger beim ARD-Kollegen Alexander Bommes der Fall ist, dem bei all seiner Lässigkeit durchaus mal die Frage gestellt werden könnte, ob er sonst auch so ein wurstiger Typ ist.

Wellmer und Antwerpes jedenfalls wechseln sich phasenweise nicht nur zwischen den Sätzen ab, sondern selbst beim Sprechen innerhalb eines Satzes. Auch das nach Geschlechtern getrennte Auflisten der gewonnenen Medaillen auf einem - Achtung - Spiegel?

Chronisch unzufrieden

Jessy Wellmer, geboren in Mecklenburg, kommt zwar aus einer sportbegeisterten Familie, wollte eigentlich gar keine Sportjournalistin werden, sondern Psychologie studieren. Erst kurz vor dem Einschreiben entschied sie sich für Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste in Berlin und kam über die Journalistenschule in Babelsberg schließlich zum Fernsehen und Sportjournalismus.

Wellmer moderierte ab 2009 den Sport im ZDF-Morgenmagazin, 2014 wechselte sie zur ARD und moderiert dort neben dem RBB-"Sportplatz", "RBB-Aktuell" und Bundesliga-Fußball auf RadioEins seit zwei Jahren die "Sportschau" - mit Julia Scharf als einzige Frau - und ist Interviewerin beim Biathlon und Fußball.

Wellmer kommt gut an mit ihrer Art. Auch, wenn sie das selbst manchmal anders sieht: "Ich bin chronisch unzufrieden mit mir. Ich kann mich nach einer Sportschau nicht richtig freuen und bleibe sehr lange angespannt", sagte sie in einem Interview. Sie habe immer das Gefühl, das hätte irgendwie noch besser gehen können - kreativer, einfallsreicher, genauer. Die Befürchtung der Selbstverliebtheit muss man bei ihr also eher nicht haben.

Im Gegensatz zu anderen Kolleginnen und Kollegen hat Wellmer zudem weder eine eigene Homepage, noch eine Fanseite auf Facebook und auch kein Profil bei Twitter. Immerhin hat sie mal verraten, dass sie früher ambitionierte Tennisspielerin und Leichtathletin war und, dass sie gerne mit Thomas Tuchel einen trinken gehen würde. Verstehen würden sich die beiden bestimmt. Jessy Wellmer versucht ja immer wieder, was andere längst aufgegeben haben: "Ich glaube, dass Ironie im Fernsehen und Radio doch funktioniert und dass die Leute es sogar verstehen."

Ihre Kinder übrigens würden sich null dafür interessieren, dass ihre Mutter während der Olympischen Spiele im Fernsehen zu sehen ist. "Sie gucken Ruderwettkämpfe und andere Sportarten mit voller Leidenschaft", sagte Jessy Wellmer in einem Interview. "Nur wenn ich dann erscheine, verlieren die im Grunde das Interesse an der Glotze." Vielleicht haben sie einfach noch kein "Ringterview" gesehen.

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