McLaren:Alonso und der würdevolle Hasegawa-san

F1 Grand Prix of Belgium - Previews

Ein unzufriedener Fernando Alonso bei den Vorbereitungen zum Großen Preis von Belgien: Dem Spanier gehen die Optionen für 2018 aus.

(Foto: Mark Thompson/Getty)

Der Spanier will wieder siegen - dafür braucht er einen besseren Motor. Sein Dilemma hat fast komödiantische Züge.

Von Philipp Schneider, Spa-Francorchamps

An einem Formel-1-Wochenende werden vor den Journalisten allerlei Pressekonferenzen aufgeführt. Die Spitzenfahrer reden, die Teamchefs sprechen, die Nachwuchsfahrer haben meist auch schon was zu sagen. Und hin und wieder, leider nicht ganz so oft, treten auch die Chefs der Motorenhersteller auf die Bühne. Nicht, dass es per se besonders spannend wäre, den technischen Ausführungen über die Funktionsweise von 1,6-Liter-V6-Turbomotoren zu lauschen. Das nicht. Dennoch kann es geschehen, dass einem als Beobachter allein die bloße Ankündigung eines Auftritts des Honda-Motorenchefs einen wohligen Schauer der Vorfreude über den Rücken jagt.

Yusuke Hasegawa, 53, aus Tokio, ist ein freundlicher Mann. Wenn er auf die Bühne tritt, lächelt er. Wenn er auf der Bühne sitzt, lächelt er. Und das letzte, was man von ihm sieht, bevor er den Raum wieder verlässt, das ist sein Lächeln. Dazu passt vorzüglich, dass der freundliche Yusuke Hasegawa, wie es in Japan, einem Land mit viel Sinn für Etikette, üblich ist, überall auf dem Planeten in der japanischen Höflichkeitssprache angesprochen wird - ganz gleich, wo er gerade mit der Formel 1 unterwegs ist: Hasegawa-san, was ist da nur los mit Ihrem Motor? Hasegawa-san, warum qualmt es denn ständig aus Ihren Rennwagen? Und dann windet sich Hasegawa-san mit dem Lächeln eines stolzen Mannes, für den es nur noch darum geht, halbwegs das Gesicht zu wahren.

Der Motor als Anlass der Schande

Ihren komödiantischen Reiz erfahren Begegnungen mit Hasegawa dadurch, dass der Japaner aus Sicht aller japanischen Ingenieure seit geraumer Zeit sozusagen in einem Zustand der Schande lebt, die seine offen zur Schau getragene Freundlichkeit geradezu konterkarieren scheint. Er ist nämlich verantwortlich für den zugleich unzuverlässigen und schwächlichen Motor, der in einem McLaren verbaut wurde - und der seither den zweimaligen Weltmeister Fernando Alonso in den Wahnsinn treibt. Denn Alsonso ist mit nur zehn Punkten nach elf Rennen 15. in der Gesamtwertung.

An die Zufriedenheit des Spaniers wiederum ist auch jene Kausalkette geknüpft, die festlegt, wer in der kommenden Saison in welchem Auto sitzt. Und so wird Hasegawa zur Schlüsselfigur in der Formel 1, in der ja immer alles mit allem zusammenhängt.

Am Samstag gab Ferrari die längst erwartete und überfällige Vertragsverlängerung mit Sebastian Vettel bekannt, der sich bis Ende 2020 und damit drei weitere Jahre der Scuderia verpflichtete. Erstaunlich ist an dieser Nachricht, dass Vettel noch am Donnerstag erzählt hatte, in den kommenden 14 Tagen sei nicht mit "News" zu rechen. Und dass Ferrari mit der Bekanntgabe nicht gewartet hat bis zum Heimrennen in Monza in der kommenden Woche. Immerhin ist die wichtigste Personalie nun geklärt. Und nachdem in dieser Woche bereits Vettels Kollege Kimi Räikkönen verlängert hatte, wird Mercedes bald auch den Kontrakt von Valtteri Bottas verlängern, der vorerst nur für ein Jahr engagiert worden war. "Wir arbeiten an den Papieren", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Alsonso will gewinnen - das lässt ihm nur zwei Optionen

Für Alonso wiederum wird es nun zunehmend schwieriger, sein Versprechen zu halten, dass er Ende Juni gegeben hatte: "Wie immer ich mich entscheide, ich werde 2018 Rennen gewinnen. Nächstes Jahr wird ein glückliches Jahr." Bei den drei Topteams Mercedes, Ferrari und Red Bull wird Alonso nicht mehr unterkommen. Für Renault wiederum ergibt eine Verpflichtung des stets kostspieligen Spaniers zumindest in naher Zukunft kaum Sinn, wenn der Rennstall alle Ressourcen nutzen möchte, um die technische Entwicklung voranzubringen. Möglich wäre also zwei Varianten, wie Alonso nach kommendem Silvester ein glückliches Jahr erleben könnte: Denkbar wäre ein Wechsel Alonsos zum Williams-Team, für das Mercedes die Motoren liefert und nicht Honda. Dort ist neben dem brasilianischen Routinier Felipe Massa, 36, noch der Rookie Lance Stroll, 18, als Fahrer beschäftigt. Als Pay-Driver bringt der Milliardärssohn Stroll viel Geld ins Team, was ihm einen halbwegs sicheren Job verschafft. Massa dagegen hatte sich Ende 2016 bereits in den Ruhestand verabschiedet und war dann nach dem spontanen Wechsel von Bottas zu Mercedes als Nachfolger des zurückgetretenen Weltmeisters Nico Rosberg für ein Jahr reaktiviert worden.

Oder aber McLarens Boss Zak Brown gelingt es, Alonso davon zu überzeugen, dass Hasegawa und sein Team in der nächsten Saison endlich Motoren liefern, mit dem der Spanier wieder standesgemäß flott rollen kann. Alonso und sein Teamkollege Stoffel Vandoorne, mit dem das Team bereits bis Ende 2018 verlängerte, haben in Spa überarbeitete Motoren eingebaut bekommen. Allerdings lassen schon die ungewöhnlichen Bezeichnungen der neuen Version darauf schließen, dass die Updates nicht dazu geeignet sind, die Fahrerkollegen in Schrecken zu versetzen: Alonsos Motor wird als Ausbaustufe "3.5" gehandelt, Vandoornes erhält die Versionsnummer "3.6". "Wir wollten hier die Ausbaustufe 4 bringen, aber das ist uns nicht gelungen", gestand Hasegawa-san am Freitag ein. Und ihm gelang mal wieder das Kunststück, eine Bankrotterklärung mit derart großer Würde vorzutragen, dass er seine Zuhörer in einen Zustand der Begeisterung versetzte. Es sei ja so: "Wir konnten den Zeitplan nicht einhalten und haben nur ein halbes Upgrade geschafft."

Hasegawa wollte es am Wochenende nicht bestätigen, aber es gilt als gesichert, dass Honda inzwischen Hilfe von Mario Illien erhält, dem Schweizer Motorenspezialist, der vor zwei Jahren schon den schwächelnden Renault-Motor verbessert hatte, mit dem Red Bull fürchterlich unzufrieden war. Das könnte noch den Ausschlag geben, um Alonso zum Verbleib zu überzeugen.

Das ganze Jahr lang hatte Alonso angekündigt, sich nach der Sommerpause zu entscheiden. Am Donnerstag war dann die Sommerpause vorbei und Alonso meinte: "Ich habe immer gesagt, dass der September der Monat der Entscheidung ist. Wir haben heute den 24. August. Ihr müsst also noch warten."

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