Ob es langweilig wird? „Ich hoffe“, sagt Johannes Voigtmann. Ganz sicher ist sich aber nicht nur der Center des FC Bayern München nicht: „Es könnte ein verzwicktes Turnier werden“, prophezeit Kapitän Vladimir Lucic. Dieses Basketballturnier findet am Wochenende in einer kleinen Mehrzweckhalle statt, die einen großen Favoriten fast dazu nötigt, die Heimmannschaft zu unterschätzen. Am Samstag um 16 Uhr startet das „Top Four“ im DBB-Pokal mit dem gastgebenden Mitteldeutschen Basketball Club (MBC) gegen den FC Bayern. Anscheinend glauben viele Fans an Langeweile: 3000 Zuschauer passen in die Stadthalle Weißenfels, die kleinste im Ligabetrieb, doch am Freitag gab es immer noch Tickets für das nationale Pokalfinale zu kaufen.
Der Austragungsort war lange das dominierende Thema. Vergangenes Jahr hatten die Bayern in der eigenen Halle den Titel verteidigt, ab dem kommenden Jahr gibt es in Düsseldorf einen festen Austragungsort. Diesmal hatte Weißenfels den Zuschlag bekommen, weil ein MBC-Sponsor Lust hatte, sich die Namensrechte zu sichern und das nötige Geld aufzubringen – für eine Art Ausrichtergebühr in Höhe von 150 000 Euro an die Liga. Und jetzt also: (noch) nicht ausverkauft. Dabei sind doch so viele Weltmeister zu Gast. Hatte es nicht einmal geheißen, der WM-Sieg der deutschen Nationalmannschaft vor 17 Monaten würde einen Boom im Lande auslösen?
395 Kilometer sind es vom Münchner BMW Park zur Stadthalle in Sachsen-Anhalt, und auch, wenn es vom SAP Garden nur 391 Kilometer sind, so haben sich die Bayern in der jüngsten Zeit doch immer weiter von der deutschen Konkurrenz entfernt. Sie spielen jetzt in der Euroleague regelmäßig vor weit mehr als 10 000 Zuschauern, die Mannschaft reift langsam aber stetig zu einem europäischen Spitzenteam. Es hieß ja immer, der Einstieg des FC Bayern würde die Liga verbessern. Das ist insgesamt sicherlich auch so. Doch weil zurzeit auch noch Alba Berlin schwächelt, ist national gerade kein Gegner in Reichweite der Münchner. So wird der Austragungsort des Finalturniers zu einem aktuellen Sinnbild für das herrschende Gefälle: Reich gegen nicht so reich, ein wenig wohl auch Stadt gegen Land, West gegen Ost. „Bayern wird uns unterschätzen“, behauptet der massige MBC-Center John Bryant.
Erst spielt der MBC gegen Titelverteidiger Bayern, im zweiten Halbfinale stehen sich Frankfurt und Bamberg gegenüber
Doch das werden die Münchner eher nicht tun. Voigtmann zum Beispiel ist gar nicht der Typ, etwas schleifen zu lassen, er schleift lieber sich selbst. Der 32-Jährige aus Eisenach ist überdies schon deshalb hoch motiviert, weil er mit seinen früheren Teams wie Olimpia Mailand zwar Meisterschaften, aber noch nie einen Pokal gewonnen hat. Zuletzt in der Liga schlugen die Bayern die Skyliners Frankfurt am Ende souverän 70:56. Frankfurt ist auch ein möglicher Finalgegner am Sonntag: Die Hessen treffen am Samstagabend (19 Uhr) auf die Bamberg Baskets. Voigtmann hatte am Dienstagabend in der Liga eine Pause bekommen, „um die Belastungen der letzten Wochen auszugleichen“, wie er sagt. Es ist also davon auszugehen, dass er am Wochenende eine zentrale Rolle einnehmen soll.
Allerdings haben die Bayern auch ihre Problemchen. Anderthalb Wochen hatten sie Zeit, ihr Gefüge neu auszurichten, seit sich Center Devin Booker am Knie verletzt hat. Kapitän Lucic gibt auch offen zu, dass die Reserven angesichts des Spielplans nicht immer voll befüllt sein können. 14 Partien haben die Bayern 2025 bereits ausgetragen. „Da muss man einfach einen Weg hindurchfinden“, sagt er, also: sich durchbeißen. Lucic fehlte monatelang verletzt, dessen Wert für das Team sei „gar nicht in Worte zu fassen“, schwärmt Voigtmann.
Das größte Problem der Bayern sind die Belastungen, aber kein Team hat so viel Qualität im Kader
Einerseits setzen die Bayern sehr stark auf Erfahrung, sie stellen aktuell das im Schnitt älteste Team der Bundesliga. Andererseits befinden sie sich in einem permanenten Umbruch, was immer wieder zu Ausrutschern führen kann. Rasta Vechta erwischte die Bayern gleich zweimal zur richtigen Zeit, und mit Blick auf Samstag ist besonders brisant, dass der Titelverteidiger im Oktober in der Liga 75:79 in Weißenfels verlor. „Wir haben lange gebraucht und sind immer noch auf dem Weg, dass wir die Verteidigung richtig stabil hinbekommen“, erklärt Voigtmann. Das sei nötig, um zu den Besten zu gehören. Und nun beginnt die Saisonphase, in der es darauf ankommt, wie weit der Umbruch schon vollzogen wurde.
Weltmeister Voigtmann wechselte im Sommer gemeinsam mit dem Weltmeistertrainer Gordon Herbert nach München, um Titel zu gewinnen. Gerade wegen der enormen Favoritenrolle steht für den erfahrenen Herbert viel auf dem Spiel. „Weißenfels ist ein gutes Team“, sagt der Kanadier, er findet sogar, der Gegner sei nun besser als bei der Bayern-Niederlage im Oktober. Möglich sei aber auch, dass diese Niederlage ein wenig die Sinne schärft für die gemütliche Stadthalle. Herbert, der sich in den vergangenen Monaten vom Nationaltrainer zum Teamtrainer mit vollem Terminkalender wandelte, spricht viel von „einer Plackerei“, und manchmal, an Euroleague-Abenden mit Pressekonferenzen kurz vor Mitternacht, ist ihm das auch anzusehen.
Dennoch verzichtet er sogar in den härtesten Phasen auf den Einsatz einiger Spieler, die offensichtlich nicht sein Vertrauen gewinnen konnten. Während er am Donnerstag nach dem Training neben dem Feld Fragen beantwortete, Waren die meisten Spieler schon in der Kabine. Nur Onuralp Bitim und Kevin Yebo warfen noch ein paar Körbe, es wirkte fast wie Nachsitzen. Gegen Frankfurt spielten beide zuletzt keine Sekunde – und das wohl nicht, um sie fürs Pokalturnier zu schonen. „Ich bin zuversichtlich, dass alle außer Devin mitfahren werden“, sagte Gordon Herbert. Einige seiner Stammspieler müssten den Gegner aber schon arg unterschätzen, damit wirklich alle zum Einsatz kommen.