Mayweather vs. McGregor:"Tanz für mich, Bursche!"

  • In der Nacht von Samstag auf Sonntag kämpfen in Las Vegas der Boxer Floyd Mayweather und der MMA-Experte Conor McGregor gegeneinander.
  • Der Kampf kann eine große Show werden - oder eben nur eine Farce.

Von Jürgen Schmieder, Las Vegas/Los Angeles

Und wenn Conor McGregor nun doch gewinnt? Oder wenn er seinem Gegner Floyd Mayweather jr. in der siebten Runde gegen den Kopf oder vielleicht sogar in den Unterleib tritt und disqualifiziert wird? Wenn er ihm ins Ohr beißt, wie es Mike Tyson einst mit Evander Holyfield getan hat? So ein Spektakel will doch niemand verpassen! Es gibt kaum jemanden, der diesen Boxkampf am Samstag in Las Vegas unbedingt sehen möchte, weil er einen sportlichen Leckerbissen erwartet. Das Duell ist vielmehr die Zuspitzung einer wunderbaren Weisheit des Sportphilosophen Sepp Herberger: Die Leute gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, was passieren wird.

Freilich glauben sämtliche Experten zu wissen, wie es ausgehen wird. Schließlich weiß man, dass der in 49 Profikämpfen unbesiegte Floyd Mayweather über die Gewichtsklassen hinweg der beste Boxer seiner Generation und größte Defensivkünstler der Geschichte ist. Er dürfte also den Mixed-Martial-Arts-Champion Conor McGregor bei diesem Boxkampf im Superweltergewicht (bis 69,8 Kilogramm) ganz gewaltig vorführen. Ach was: McGregor wird sich beim ersten Profi-Boxkampf seiner Karriere glücklich schätzen dürfen, wenn er Mayweather in diesen zwölf Runden auch nur einmal wuchtig treffen kann. Danach wird Mayweather zum eindeutigen Sieger nach Punkten erklärt; mehr dürfte nicht sein, er hat schließlich seit sechs Jahren niemanden mehr umgehauen, und selbst dieser K.-o.-Sieg gegen Victor Ortiz war umstritten, weil er einen ungeschützten Gegner geschlagen hatte.

Warum sollte also jemand zwischen 500 und 17 000 Dollar bezahlen, um bei diesem Kampf in der Arena zu sitzen? So viel kosten die Nicht-VIP-Tickets offiziell, es gibt freilich noch teurere Varianten mit Chauffeur und Champagner. Oder warum sollte jemand in den USA knapp 100 Dollar hinlegen, um das Gefecht auf dem Pay-TV-Kanal Showtime zu sehen? (In Deutschland überträgt der Streamingdienst Dazn beim Abschluss eines Abonnements in der Nacht zu Sonntag ohne zusätzliche Kosten.) Ganz einfach: Weil niemand weiß, was passieren wird. Das Spektakuläre, das Faszinierende und letztlich eben auch das Verlockende an diesem Kampf ist ja, dass es so was noch nicht gegeben hat.

Gladiatorenkampf oder der Sport des 21. Jahrhunderts?

Natürlich ist die Geschichte des Boxens reich an wahnwitzigen Veranstaltungen. Und auch Las Vegas ist nicht gerade für Langeweile bekannt. Hier hat Mike Tyson vor zwanzig Jahren seinem Gegner ins Ohr gebissen. Hier ist Oliver McCall gegen Lennox Lewis in Tränen ausgebrochen, hier ist Bernard Hopkins von Schiedsrichter Mills Lane aus dem Ring geschubst worden, und hier ist während des Kampfes zwischen Evander Holyfield und Riddick Bowe ein Fallschirmspringer ins Stadion gesegelt.

Es ist ja durchaus eine spannende Frage, welcher Kampfsportler bei einer Straßenprügelei siegen würde, bei einem Zweikampf ohne Waffen und möglicherweise auch ohne Regeln. Der Mixed-Martial-Arts-Verband Ultimate Fighting Championship (UFC) versucht seit 23 Jahren bei mittlerweile mehr als 400 Profi-Veranstaltungen, eine Antwort darauf zu geben. Er hat ein Reglement entwickelt, bei dem es zwar 31 Verbote wie Spucken und Haareziehen gibt, aufgrund der Einbeziehung von Disziplinen wie Jiu-Jitsu und Ringen aber eben nicht das seit Jahrhunderten bestehende Gesetz bei jeder Rauferei: Wer am Boden liegt, der wird in Ruhe gelassen.

Vielen gelten solche Kampfabende deshalb als barbarische Gladiatorenkämpfe aus einer längst vergangenen Zeit, andere sehen darin die Sportart des 21. Jahrhunderts. Lukrativ ist es allemal: Vor einem Jahr haben der amerikanische Entertainment-Konzern WME-IMG und eine Investorengruppe um den Unternehmer und Milliardär Michael Dell insgesamt vier Milliarden Dollar für die UFC bezahlt, die auch ein bisschen für den Niedergang des Boxens verantwortlich ist. Geschäftsführer und Galionsfigur Dana White schert sich nicht besonders um Gewichtsklassen oder Ranglisten, ein paar Jahre lang scherte er sich nicht einmal um allzu strenge Dopingkontrollen. Im Oktagon, so ist der UFC-Ring geformt, da begegnen sich die beiden Kämpfer, die das Publikum sehen will.

Die Vermarktung sprengt alle Dimensionen

Das führt zu spektakulären Schlachten wie etwa vor einem Jahr, als McGregor seinen Gegner Nate Diaz ordentlich vermöbelte und knapp nach Punkten gewann. Es heißt immer, dass man Tennis spielen kann oder Fußball. Beim Boxen, so heißt es, da muss man kämpfen. Wer nun einmal dieses Duell zwischen McGregor und Diaz betrachtet und gleichzeitig das zum "Kampf des Jahrhunderts" stilisierte Gefecht zwischen Mayweather und Manny Pacquiao aus dem Jahr 2015, der weiß: Man kann Boxen doch auch spielen.

Wer ihn also schon einmal gesehen hat, der weiß, dass McGregor bei jeder Straßenprügelei der Welt obsiegen und Mayweather bei einem Mixed-Martial-Arts-Duell schlimme Schäden zufügen würde.

Nur: In der Nacht zu Sonntag findet kein Mixed-Martial-Arts-Gefecht statt und auch kein Hybrid-Duell aus UFC und Boxen. Es ist ein normaler Boxkampf mit geringfügig leichteren Handschuhen (227 Gramm). Es geht um keine Weltmeisterschaft, sondern - und das ist kein Witz - um den Money Belt des Verbandes WBC. Es geht um den Geldgürtel. Ergibt ja auch Sinn. Denn auch wenn in der Woche vor dem Kampf noch Eintrittskarten verfügbar waren, so dürften allein die Erlöse beim Ticketverkauf bei mehr als 72 Millionen Dollar liegen und damit einen Rekord aufstellen. Insgesamt soll der Kampf etwa 700 Millionen Dollar umsetzen. Mayweather wird ungefähr 200 Millionen Dollar einnehmen, McGregor etwa 150 Millionen.

Die beiden haben in den vergangenen Wochen eine wahnwitzige Vermarktungstournee absolviert, es ging um die sexuelle Ausrichtung des Gegners, um Steuerschulden, um Fitness und Alter und Schnelligkeit. Es ging angesichts der Vorfälle in Charlottesville auch um Rassismus. Mayweather erklärte, dass er den Sieg "allen Schwarzen auf der Welt" widmen wolle und porträtierte den Iren McGregor als weißgesichtigen Hinterwäldler. Der konterte bei einem Auftritt mit der zumindest fragwürdigen Aufforderung: "Tanz für mich, Bursche!" Wer die beiden Kämpfer seit Jahren kennt, der weiß: Beide interessiert die Hautfarbe des Gegners überhaupt nicht, sondern nur die Farbe der Geldscheine, die sie verdienen können. Etwas Aufregung um möglichen Rassismus sorgt für zusätzliches Interesse, also wird eben ein bisschen Gedöns um Hautfarbe oder Herkunft gemacht.

Sie haben es auf diese Weise tatsächlich geschafft, dass sich Millionen von Menschen für diesen Kampf interessieren. In Las Vegas erzählen sie sich, dass nur Silvester mehr los sei als in dieser Woche im August. Die Schauspielerin Angelina Jolie wird am Ring sitzen, der Rapper P. Diddy und sogar Tesla-Chef Elon Musk. Man kann in den Wettbüros nicht nur auf den Sieger setzen, sondern auch darauf, ob US-Präsident Donald Trump einen Twitter-Eintrag zum Kampf absetzen wird. Ob Justin Bieber mit Mayweather zum Ring kommen wird. Ob es einen Rückkampf geben wird, weil einer disqualifiziert wird.

Am Samstag wird der 40 Jahre alte Mayweather um den elf Jahre jüngeren Box-Neuling McGregor tänzeln. Und dann? Keiner weiß, was dann passieren wird.

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