Süddeutsche Zeitung

Mayweather versus Pacquiao:Ein Boxkampf, um alle Zweifel zu zerstreuen

Lesezeit: 4 min

Wer der Beste sein will, muss die Besten seiner Generation besiegen: Bald kommt es zum Duell zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao - der Kampf steht für alles, was am Profiboxen fasziniert und abstößt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Boxer spielen nicht miteinander. Man kann Basketball oder Fußball mit jemandem spielen. Kein Mensch spielt Boxen. Beim Boxen muss man kämpfen. Boxer sprechen auch nicht miteinander, sie sprechen übereinander und verwenden dabei Wörter, die man nur beim Boxen ungestraft aussprechen darf. Der Amerikaner Floyd Mayweather junior und der Philippiner Emmanuel Dapidran Pacquiao haben kürzlich tatsächlich miteinander gesprochen und ein Duell vereinbart - am 2. Mai werden sie in Las Vegas gegeneinander kämpfen.

Das Duell mit dem im Boxen üblichen Beinamen "Kampf des Jahrhunderts" dürfte tatsächlich die lukrativste Veranstaltung in der Geschichte dieses Sports werden. Vor allem aber steht sein Zustandekommen für alles, was Boxen zu einer faszinierenden und gleichzeitig abstoßenden Disziplin macht. Es geht um Dollar und Doping, um Stolz und Rassismus, um Macht und Moral.

Wer der Beste sein will, muss die Besten seiner Generation besiegen

Zum ersten Mal seit 22 Jahren, als Julio Cesar Chavez und Pernell Whitaker unentschieden boxten, wird der über die Gewichtsklassen hinweg beste Boxer der Welt in einem direkten Vergleich ermittelt. Wer der beste Boxer ist, legt üblicherweise das Ring Magazine fest: Das führt derzeit Mayweather an Nummer eins, Wladimir Klitschko liegt vor Pacquiao auf Platz zwei. Schon jetzt steht fest: Es geht nicht nur um die Weltergewicht-Titel der Verbände WBA, WBC und WBO, der Sieger wird auch die sogenannte Pound-for-Pound-Liste danach anführen.

Mayweather, 38, und Pacquiao, 36, haben festgestellt, dass eine Karriere als Boxer nicht so lange dauert wie das Leben selbst und dass sie noch gegeneinander antreten sollten, bevor der Rest dieses Lebens beginnt. "Das wird eine weitere Gelegenheit, meine immensen Fähigkeiten zu präsentieren", sagt der in 47 Profikämpfen unbesiegte Mayweather: "Ich bin der Beste aller Zeiten!"

Nur: Wer der Beste in der Geschichte sein will, der muss nicht nur den Kampfrekord von Rocky Marciano brechen (49:0) - er muss die Besten seiner Generation und Gewichtsklasse besiegen. Bislang wählte der stolze und selbstgefällige Mayweather seine Gegner so gewissenhaft aus wie eine Mutter die Eier im Supermarkt. Er braucht einen Sieg gegen Pacquiao (57 Siege, zwei Unentschieden, fünf Niederlagen), um alle Zweifel zu zerstreuen. Und natürlich schadet es nicht, mehr zu verdienen als je ein Sportler zuvor in maximal 48 Minuten, inklusive Rundenpausen.

Preisboxen heißt auch deshalb Preisboxen, weil die Qualität gemeinhin nicht über Medaillen und Rekorde definiert wird, sondern über die Einnahmen, die ein Kampf generiert. 400 Millionen US-Dollar dürfte das Duell umsetzen, Mayweathers Verdienst dürfte mehr als 150 Millionen Dollar betragen, der von Pacquiao mehr als 100 Millionen. Ein Giga-Zahltag für alle, die beteiligt sind und seit beinahe sechs Jahren an dieser Veranstaltung basteln.

"Wenn ich über diesen Zwerg getrampelt bin, dann soll mir diese Tunte ein paar Shushi rollen und Reis kochen", hatte Mayweather während der ersten Verhandlungen im Jahr 2009 über Pacquiao gesagt und ganz nebenbei noch den Verdacht geäußert, dass sich dessen außerordentliche Schnelligkeit nicht durch die Einnahme von Reis und Huhn erklären lässt, sondern nur mit illegalen Mitteln. Für die Dopingvorwürfe wurde er von Pacquiao erfolgreich verklagt, für die diskriminierenden Äußerungen entschuldigte sich Mayweather erst nach heftigen Protesten.

Wer einmal die philippinische Insel Mindanao besucht hat, der weiß, dass Mayweathers Verdacht nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Abgeschottet bereitet sich Pacquiao dort vor. Die Kontrolleure der amerikanischen Anti-Doping-Agentur bezeichnet er als parteiisch, Kontrollen kurz vor Kämpfen lehnt er ab.

Weil sich das Profiboxen weitgehend selbst sanktioniert, werden bei Titelvereinigungen die Dopingregeln gesondert festgelegt - daran scheiterten die Verhandlungen immer wieder. Nun einigten sich die beiden auf zufällige Kontrollen bis kurz vor dem Kampf und auch danach, die von der Nevada State Athletic Commission überwacht werden. Wer sich nicht daran hält, muss laut Vertrag fünf Millionen Dollar Strafe zahlen.

Der zweite abzuarbeitende Punkt waren die Fernsehrechte. Bedeutende Boxkämpfe werden in den USA seit dem sogenannten "Thrilla in Manila" zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier vom Bezahlfernsehen ausgestrahlt. Das ist rentabel für die Stars, sorgt jedoch dafür, dass Boxen kein Massensport mehr ist, sondern eine Nischendisziplin.

Es dürfte ein mitreißendes Duell werden

Nun mussten sich die Sender HBO, der Pacquiao unter Vertrag hat, und Showtime, an den Mayweather gebunden ist, sich darauf einigen, wer diesen Kampf übertragen darf. CBS-Chef Leslie Moonves, zu dessen Sendergruppe Showtime gehört, lud über zwei Vermittler Pacquiaos Manager Bob Arum in ein Restaurant nach West Hollywood. Das Resultat: Beide Sender übertragen zum HD-Preis von 100 Dollar.

Danach ging es um die zu verteilenden Dollar, um die ebenfalls seit Jahren je nach aktueller Form und Beliebtheit geschachert wird. Einmal schien eine 50:50-Aufteilung möglich zu sein, dann bot Mayweather seinem Konkurrenten 40 Millionen Dollar für den Kampf, später wollte Pacquiao die gesamten Pay-per-View-Einnahmen auf den Philippinen für sich. Der am häufigsten ausgesprochene Satz zwischen 2009 und 2014 war von beiden Seiten: "Ich will den Kampf - aber das kann ich nicht akzeptieren."

Laut der aktuellen Einigung bekommt der Amerikaner nun 60 Prozent der zu verteilenden Börse von wohl mehr als 250 Millionen Dollar. Die genaue Summe wird erst nach dem Duell bestimmt, wenn die Pay-per-View-Zahlen verfügbar sind. Es ist deshalb zu erwarten, dass Mayweather und Pacquiao in den kommenden Wochen viel übereinander reden werden, um den Kampf zu vermarkten.

Es dürfte ein mitreißendes Duell werden zwischen dem amerikanischen Defensivkünstler mit einer Vorliebe für das Werfen von Geldscheinen, das Reden von Müll und das Abhängen mit anderen Promis - und dem aggressiv agierenden Filipino, der nebenbei Politiker ist und mit seinem Reichtum das von Gewalt und Naturkatastrophen gebeutelte Archipel retten will. So geht es zu beim Preisboxen - und beim womöglich bedeutendsten Kampf in der Geschichte dieses Sports ist nun all das zu bewundern, was diese Disziplin so herrlich grotesk macht.

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SZ vom 28.02.2015
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