Max Verstappen in der Formel 1:Achtung, Jugendwahn

F1 Grand Prix of Japan - Previews

Rasant auf dem Weg nach oben: Max Verstappen, gerade 17.

(Foto: Getty Images)

Der Einsatz des 17 Jahre alten Max Verstappen in Japan bestätigt: Die Formel 1 wird immer jünger. Experten kritisieren diese Entwicklung, sie wird sich aber kaum aufhalten lassen.

Von Elmar Brümmer, Suzuka

Der Mann, der mit seinem ersten Start die Formel 1 in neue Kontroversen stürzt, ist streng genommen noch gar kein richtiger Mann: Max Verstappen ist am Dienstag erst 17 geworden. Jünger als der Niederländer, der am Freitag beim ersten Training zum Großen Preis von Japan prompt die zwölftbeste Zeit fuhr, war noch kein anderer Pilot in 64 Jahren Formel 1. Und selten hat ein Debütant solche Debatten ausgelöst wie er.

Die Frage nach dem richtigen Alter für einen Rennfahrer provoziert einen Generationenkonflikt im Fahrerlager. Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve, dessen Vater ebenfalls Rennfahrer war, und der mit 25 in die Königsklasse kam, spricht verächtlich vom "Jugendwahn": "Eine Formel-1-Karriere sollte man nicht einfach wie ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk bekommen. Das ist noch schlimmer, als wenn 18-Jährige Jungs zum Geburtstag einen Ferrari bekommen, denn Max bekommt schon mit 17 das beste Spielzeug der Welt."

Mit dem verspielten Leben ist es aber vorbei, seit Max Verstappen Mitte August in einer Sportsendung von Servus TV bestätigt wurde, dass er in der kommenden Saison an der Seite von Daniil Kvyat, 19, als Stammfahrer von Toro Rosso starten wird. Das Team ist der Talentschuppen des Mutterkonzerns Red Bull, in dem schon Sebastian Vettel ausgebildet und mit 21 zum jüngsten Grand-Prix-Sieger wurde.

Bei Vettel, zwei Jahre später Weltmeister, fanden das noch alle großartig. Die Kritik an Verstappen entzündet sich vor allem daran, dass dieser erst seit diesem Jahr einen richtigen Rennwagen steuert, auch wenn er in der Formel 3 von Sieg zu Sieg eilt.

Steile Karrieren sind im Motorsport, in dem die Leistung von einem schnellen Auto befördert wird, nicht ungewöhnlich. Und Villeneuve irrt wohl, wenn er von einem Geschenk spricht. Die Konzernförderung aus Salzburg gilt als gnadenlos, wie der Franzose Jean-Eric Vergne bestätigen dürfte. Er ist erst 24, muss aber schon dem Teenager weichen. Zunächst bei Verstappens Probe-Einsatz in Suzuka und am Ende der Saison dann ganz. Vergne sagt: "Max bekommt die gleiche Chance wie ich. Wenn das Auto gut genug ist, kann er vielleicht sogar Siege schaffen. Dann werden wohl künftig alle schon mit 16 oder 17 Jahren in die Formel 1 einsteigen."

Anfängliche Crashs sind nicht auszuschließen

Anfang September hat Verstappen bei einer Testfahrt mit einem Auto von 2012 die für eine Superlizenz nötigen 300 Kilometer weit übertroffen, letzte Woche auch den medizinischen Check bestanden. Der Automobilverband Fia konnte daher kaum anders, als ihm die Lizenz zu erteilen. Obwohl die Stimmung auch unter den Teamchefs und Funktionären gespalten ist, wird schon über ein Alterslimit nachgedacht.

Die Einschränkung des Funkverkehrs war auch deshalb beim letzten Grand Prix überhastet eingeführt worden, weil man sich des Eindrucks erwehren will, dass es zu einfach sei, Formel 1 zu fahren. Dass die Technik doch recht kompliziert ist, zeigte sich kürzlich bei einer Demonstrationsrunde auf den Straßen von Rotterdam, als Max Verstappen seinen Rennwagen in die Leitplanken setzte.

Für die schnelle Acht des Suzuka International Circuits hat sich der Einsteiger im Simulator in Milton Keynes vorbereitet. Fahrzeugbeherrschung und Grundschnelligkeit, das waren die Argumente, warum sich Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost für den Niederländer ausgesprochen hat. Geschult hat ihn Vater Jos schon als Vierjährigen. Jos Verstappen war als Formel-1-Neuling 1994 unglücklicher Teamkollege von Michael Schumacher bei Benetton. Jetzt, mit 43, wirkt er wie eine Eislaufmutter im Motorsport.

Angeklopft hatten die Verstappens außer bei den Österreichern auch bei Mercedes. Teamchef Toto Wolff konnte nur keine schnelle Zusage geben, weil die Stuttgarter mit ihren Nachwuchsplänen noch nicht so weit waren. Das hat sich inzwischen geändert, das durch Michael Schumacher und Heinz-Harald Frentzen berühmt gewordene Mercedes-Juniorteam wird neu belebt. Erstes Mitglied ist der DTM-Pilot Pascal Wehrlein, der bereits als Ersatzfahrer für Lewis Hamilton und Nico Rosberg nominiert ist. Der 18-Jährige soll erst in anderen Serien Erfahrungen sammeln, vielleicht kommt es 2015 aber auch zum Einsatz eines dritten Formel-1-Autos bei den Top-Teams, dafür wären Nachwuchsfahrer prädestiniert.

"Wenn man mit einem Max Verstappen spricht, hat man nicht den Eindruck, dass man einen 16-Jährigen vor sich hat", sagt Tost, der als strenger Ausbilder gilt. Der Österreicher hat auch das frühe Probefahren an diesem Wochenende forciert. "Konfrontation mit der Materie" nennt Tost das im Technokraten-Deutsch. Aber ein Risiko sehe er in jedem Fall nicht, auch wenn er anfängliche Crashs in Kauf nehmen würde. Fernando Alonso, der Verstappens Vorbild in punkto Fahrstil ist, sagt freimütig: "Mit 17 Jahren wäre ich wahrscheinlich noch nicht bereit gewesen."

Der Spanier fuhr dann mit 19 seinen ersten Grand Prix. Jenson Button, mit 34 der Branchensenior, ist zwar auch kein Fan der radikalen Verjüngungskur, kennt aber die Gesetze des Fahrermarktes nur zu gut: "Wenn man die Chance bekommt, darf man nicht wählerisch sein."

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